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# taz.de -- ZDF-Doku über DDR-“Kampfgruppen“: Mit Granatwerfer und Zwillin…
> Eine Doku untersucht den „Mythos DDR-Kampfgruppen – Klassenkampf nach
> Feierabend“. Und kann sich erneut die Häme nicht verkneifen.
Bild: Ehemalige Angehörige der Kampfgruppen beim Militärverein Torgau vor ein…
Hüben die Wehrsportgruppen wie drüben die Kampfgruppen? Im Westen die Alt-
und Neonazis (etwa in der berüchtigten, mit dem Attentat aufs Münchner
Oktoberfest in Verbindung gebrachten [1][Wehrsportgruppe Hoffmann]) und im
Osten die paramilitärisch organisierten Linken, in der Tradition des Roten
Frontkämpferbundes der KPD, in Weimarer Zeiten zuständig für
Straßenschlachten mit der gegnerischen Mannschaft von der SA?
Nein, die Bundesrepublik war und ist, bei allem, was man gegen sie
einwenden mag, keine Diktatur. Jene größte Wehrsportgruppe namens Hoffmann,
in der maximal 500 Freizeitmilizionäre aktiv gewesen sein sollen, hat sie
– bei allen möglichen V-Mann-Verstrickungen von Bundesnachrichtendienst
und Verfassungsschutz – 1980 verboten. Demgegenüber erfahren wir aus dieser
ZDFinfo-Dokumentation von Matthias Hoferichter: „Mit knapp 200.000 Mann
haben die Kampfgruppen mehr Personal als die reguläre Armee der DDR.“
Das DDR-Fernsehen tönt: „Die Kumpel als Kämpfer. Zusammen bilden sie ein
Bataillon, das die Aufgabe hat, notfalls das Kombinat Schwarze Pumpe mit
militärischer Macht gegen jeden Feind zu beschützen.“ Erich Honecker
spricht: „Ihr steht für den Schutz der ersten Arbeiter- und Bauernmacht auf
deutschem Boden!“ [2][Die Kampfgruppen] waren Teil des Staatsapparates –
der Staatsdoktrin.
Den erzählerischen Rahmen der Doku bilden die friedlichen Proteste im Jahr
1989: „Die ‚Kampfgruppen der Arbeiterklasse‘ – was werden sie tun in di…
Situation? Ist diese paramilitärische Organisation eher eine harmlose
Freizeitarmee? Oder doch ernstzunehmende Parteimiliz, die alle SED-Vorgaben
bedenkenlos erfüllt?“ Um das zu erhellen, hat Hoferichter unter anderem mit
einem Historiker und mit neun Kampfgruppen-Veteranen gesprochen. Was hat
sie motiviert?
## Da amüsiert sich der Sprecher aus dem Off
Nicht allein die politische Überzeugung, sondern auch die Aussicht auf eine
Wohnung oder einen Studienplatz, wie von Herbert Pollack und Wolfgang Tonn
aus Kampfgruppen aus Schmalkalden und Magdeburg zu hören ist. Heinz-Ulrich
Fuhrmann von einer Kampfgruppe aus Brandenburg erinnert sich noch genau an
die Bewaffnung: „Wir hatten: 76-mm-Kanonen. 82-mm-rückstoßfreie-Geschütze.
82-mm-Granatwerfer. Und auch 23-mm-Zwillingsflak.“
Anlässlich eines (von den Filmemachern initiierten?) Treffens der Veteranen
amüsiert sich der Sprecher aus dem Off: „Rüstige Herren und unverwüstliche
Technik.“ Sein Kommentar zum Kampfgruppen-Einsatz beim Mauerbau: „Und bevor
die Mauer richtig steht, flüchten einige von ihnen selbst in den Westen.“
Die es nicht tun, nehmen an Manövern der Warschauer Pakt-Staaten teil oder
verhindern Kontakte zwischen einheimischen Fans und solchen des FC Bayern
München. Dafür sammeln sie Auszeichnungen, wie Wolfram Bleis aus Rathenow:
„Nun gabs da natürlich welche, die man gerne nahm und andere, die in die
Kategorie Oma-Orden fielen: ohne materiellen Anreiz. Das heißt, wo es also
keine Geldprämie gab.“
Sie füllen die Ladeflächen ihrer LKWs auch schon mal mit Festgenommenen:
„Und ich wusste von meinem Vater, dass unten im Amtsgericht, in einem
Nebenraum, auch Zellen waren“, sagt Marita Boetig, die Tochter eines
Kampfgruppenmitglieds, während Christel Bellack, deren Mann bei der
Kampfgruppe war, viel lieber an die Wochenendfahrten zurückdenkt, „völlig
zivil“ und „lustig am Lagerfeuer“.
## Altbacken selbstgerechtes Fernsehen
Und so schließen die Filmemacher ihre Klammer mit der Erkenntnis, dass die
Kampfgruppen, so mitgliederstark sie auch waren, den Untergang der DDR
nicht verhindern konnten: „Ihr größter Verdienst ist wohl der, meinen
Spötter, dass sie im Ernstfall versagten.“
Und wer sich diesen Spott rezitierender Weise zu eigen macht, sollte
immerhin wissen, dass es zweierlei Verdienste gibt: den Verdienst und das
Verdienst. Eine Bitte, liebe Fernsehleute: So gerne wir von Euch lernen –
aber könnt Ihr Euch diesen altbacken arroganten, diesen jovial
selbstgerechten Sound nicht mal verkneifen, wann immer es um die DDR geht?
Das wäre wirklich nett von Euch.
24 May 2020
## LINKS
[1] /Rueckblick-auf-Neonazi-Wehrsportgruppe/!5657036
[2] /Friedliche-Wende-in-der-DDR/!5628564
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
DDR
ZDF
Dokumentation
Aussteigerprogramm
Literatur
DDR
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