# taz.de -- Manipulation in der AKW-Forschung: Norwegen fälscht Atomdaten | |
> In einem norwegischen Forschungsreaktor wurden jahrelang Daten | |
> manipuliert. Das könnte die Sicherheit ausländischer AKWs gefährden. | |
Bild: Im Oktober 1959 besucht Norwegens König Olav (Zweiter von links) den Rea… | |
Forschungsresultate für die Atomenergiebranche, die in einem norwegischen | |
Atomreaktor vorgenommen worden sind, wurden jahrelang bewusst verfälscht. | |
Das gab in der vergangenen Woche der Betreiber des fraglichen Reaktors, | |
[1][das „Institutt for Energiteknikk“ (IFE),] bekannt. „Was Kunden in den | |
von ihnen bestellten Rapporten geliefert wurde, entsprach mehrfach nicht | |
dem, was die Tests tatsächlich ergeben hatten“, gestand IFE-Direktor Nils | |
Morten Huseby ein. | |
Diese Manipulationen könnten „sowohl sicherheitsmäßige Risiken wie | |
ökonomische Konsequenzen“ mit sich bringen. Man habe deswegen [2][die | |
Staatsanwaltschaft informiert]. Es ist nicht die erste Panne des Instituts: | |
Im vergangenen Jahr hatte man hinter Schutzwänden [3][zwei alte | |
Forschungsreaktoren] entdeckt, deren Existenz man schlicht vergessen hatte. | |
Diesmal wurden Testergebnisse, die nicht das erbrachten, was Kunden | |
nachgefragt hatten, vom Forschungspersonal einfach „passend gemacht“ – mal | |
durch Änderung der tatsächlich ermittelten Daten oder durch einen | |
geänderten Versuchsaufbau, der dann in Wirklichkeit gar nicht mehr dem | |
entsprochen hatte, was bestellt war. Ein anderes Mal kamen andere Druck- | |
und Temperaturwerte zum Einsatz als die rapportierten. | |
Zu solchen Manipulationen soll es vor allem gekommen sein, sobald das | |
Personal auf unerwartete Probleme stieß oder die Zeit zu knapp wurde, um | |
Forschungsarbeiten korrekt abschließen zu können. Hinweise auf mögliche | |
jahrelange Betrügereien bei Forschungsprojekten gab es erstmals im Frühjahr | |
vergangenen Jahres, nachdem der Reaktor nach 60 Betriebsjahren stillgelegt | |
worden war. | |
## Manipulationen schon in den 1990er Jahren | |
Das IFE war in den vergangenen Jahrzehnten im Auftrag von Behörden und | |
Firmen in mindestens 19 Staaten entstanden. Es ist mit rund 600 | |
Beschäftigten eines der größten Forschungsinstitute, das in Halden vor | |
allem zu Brennelementen forscht und sicherheitsrelevante Materialprüfungen | |
vornimmt. | |
Nach noch nicht vollständig abgeschlossen Untersuchungen von Aufträgen aus | |
den Jahren 1990 bis 2005 habe man vier internationale Projekte mit | |
Manipulationen entdeckt, mindestens drei weitere könnten betroffen sein, | |
teilte IFE nun mit. Für die Sicherheit des Halden-Reaktors selbst hätte der | |
Forschungsschwindel keine Konsequenzen gehabt, versichert das Institut. | |
Wohl aber könne es potenzielle Sicherheitsprobleme bei den Bestellern der | |
Forschungsarbeiten geben. Man wisse noch nicht, wofür die Testergebnisse in | |
der weltweiten Atomkraftindustrie verwendet worden seien. | |
„Wir nehmen diese Sache außerordentlich ernst“, sagt Kristin Elise Frogg | |
von Norwegens staatlicher Strahlenschutzbehörde Direktoratet for strålevern | |
og atomsikkerhet (DSA): „So etwas ist absolut nicht akzeptabel.“ Die | |
Manipulationen seien „geplant, wohlüberlegt und gründlich verschleiert“ | |
gewesen. [4][Die DSA habe bereits die Atomsicherheitsbehörden der | |
betroffenen Länder informiert, damit eventuelle Konsequenzen der | |
Betrügereien überprüft werden könnten]. Es könnten Straftatbestände im | |
Bereich des Umwelt- und Wirtschaftsstrafrechts vorliegen. | |
## Gefahr für andere Atomreaktoren | |
„Was uns Angst macht, ist, dass womöglich weltweit Atomreaktoren in Betrieb | |
sind, bei denen man sich auf die Daten der Halden-Forschungen verlässt“, | |
warnt Frederic Hauge, Präsident der norwegischen Umweltschutzorganisation | |
Bellona: „Es ist doch klar, dass manipulierte Daten die Sicherheit | |
gefährden können, wenn anhand solcher Forschungsresultate Entscheidungen | |
über den Betrieb der Reaktoren getroffen werden.“ | |
Es sei schwer vorstellbar, dass einzelne Personen hinter dem Schwindel | |
stehen könnten, ohne dass dies aufgefallen wäre, vermutet Hauge. „Da hat | |
das Instituts-Management versagt, und das muss untersucht werden.“ | |
Beim Reaktor in Halden, der seit 1958 in Betrieb war und bei seiner | |
Stilllegung 2018 der weltweit älteste schwerwassermoderierte | |
Siedewasserreaktor war, hatten sich in den letzten Jahren die Probleme | |
gehäuft. Mal kam es zum Austritt radioaktiver Gase, mal war das Kühlsystem | |
pannenanfällig, zudem bemängelte die Aufsichtsbehörde DSA die | |
Sicherheitskultur. Die Umweltschützer von Bellona hatte schon in den 1990er | |
Jahren gefordert, den Betrieb des Uralt-Reaktors zu beenden. | |
19 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://ife.no/en/ | |
[2] https://ife.no/en/ife-investigation-has-revealed-misconduct-in-projects-at-… | |
[3] /Atomkraftwerke-in-Skandinavien/!5574572 | |
[4] https://www.dsa.no/en/news/95178/dsa-will-follow-up-the-findings-from-the-i… | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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