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# taz.de -- Schlechte Stimmung bei der MPK-Ost: Politisches Sedativum
> Um von aktuellen und unangenehmen politischen Fragen abzulenken,
> schwärmen Merkel und Berlins Bürgermeister von 1989/80 – funktioniert
> immer.
Bild: Die Stimmung war angespannt bei der MPK-Ost
Letzte Woche traf sich die Kanzlerin mit den ostdeutschen
MinisterpräsidentInnen. Als wäre alles nicht schon kompliziert genug,
machte die arme Verwandtschaft auch noch Sperenzchen.
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin, Sachsen und
Thüringen forderten nicht nur, auch etwas von den Coronamilliarden
abzubekommen. Obwohl im Osten nicht ein einziges DAX-Unternehmen zu finden
ist. Und dann wollten sie auch noch, dass „der Bund“ – also alle – die
Kosten der aus DDR-Zeiten geltenden Zusatzrenten-Ansprüche übernimmt.
Es herrschte also [1][nicht allzu gute Stimmung bei dem „MPK-Ost“]
genannten Stelldichein. Und es machte es für mein Gefühl nicht einfacher,
dass die ostdeutsch sozialisierte Angela Merkel in der anschließenden
Pressekonferenz wiederholt von den „neuen Ländern“ sprach. Nichts für
ungut, aber neu ist der Osten nach dreißig Jahren weiß Gott nicht. Zumal
dieses „neu“ suggeriert, man stünde vor unverhofften Herausforderungen wie
Strukturschwäche und Rechtsradikalismus, die so nun wirklich niemand habe
kommen sehen.
Sei’s drum, die Stimmung war angeknackst, weshalb Merkel und Berlins
Regierender Bürgermeister zum Beginn der Pressekonferenz es für eine
Topidee hielten, erst einmal ausgiebig die Verdienste der Ostdeutschen um
die deutsche Wiedervereinigung zu preisen. Funktioniert immer. Ganz warm
konnte einem werden angesichts der scheinbar 17 Millionen Revolutionäre,
„die damals auf die Straße gegangen sind“... Regiermeister Müller stand
kurz vor den Tränen, die Kanzlerin lächelte versonnen und dachte vielleicht
an ihren Saunabesuch am Abend des 9. November... Ach, was war es schön,
1989 hinter der Gardine zu stehen!
## Nennen wir es Revolution
Nennen wir es der Einfachheit halber Revolution. So gülden und dermaßen
verzerrt ist die [2][Erzählung von 1989/90] mittlerweile, dass man gern
dazu als politisches Sedativum greift, sollte sich die Laune der
Jammerossis wieder mal eintrüben. Und wie praktisch, dass man vor lauter
Rührung nicht weiter über die Coronamilliarden und die Zusatzrenten reden
muss.
Aber dann! Jähes Erwachsen, als der der Pressekonferenz beiwohnende Kollege
von der Süddeutschen Zeitung die milde Stimmung mit dieser Frage verdarb:
„Warum ist die deutsche Einheit eigentlich nur ein Thema für
Ost-Ministerpräsidenten?“ An der Denkpause von Merkel und Müller war gut
erkennbar, wie exakt diese Frage das Problem zwischen Ost und West
markiert.
Dreißig Jahre „neue Länder“ sind ja in den „alten Ländern“ so was wi…
Geburtstagsparty, zu der sie lieber nicht gehen. Warum auch? Da drüben
essen sie komische Sachen und wählen die falschen Parteien und hören
seltsame Lieder. Die sind neu und anders. Und ist man überhaupt eingeladen?
Wollen die nicht unter sich bleiben? Nein, wollen sie nicht. Hiermit
ausgesprochen: herzliche Einladung zur Party. Kommt vorbei und bringt eure
Kinder mit.
1 Jun 2020
## LINKS
[1] /Videokonferenz-mit-den-Ost-Laendern/!5688891
[2] /Mythen-ueber-Corona-in-Ostdeutschland/!5686918
## AUTOREN
Anja Maier
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