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# taz.de -- Spaniens Politiker Julio Anguita: Der rote Kalif ist tot
> Der Politiker Julio Anguita hat die spanische Linke jenseits der
> Sozialdemokratie geprägt. Der 78-Jährige erlag den Folgen eines
> Herzinfarkts.
Bild: Anguita im Jahr 1998, damals Vorsitzender der Izquierda Unida
Madrid taz | Spaniens Linke trauert. Am Samstag verstarb Julio Anguita,
eine Woche nach einem Herzinfarkt. Der 78-jährige Politiker hat die
spanische Linke jenseits der Sozialdemokratie in den letzten Jahrzehnten
geprägt wie kein anderer.
Anguita wurde 1941 im südspanischen Küstenstädtchen Fuengirola als Sohn
eines Berufssoldaten und Enkel sowie Großenkel von Mitgliedern der
paramilitärischen Guardia Civil geboren. 1972 trat er der klandestinen
Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) bei. 1979, vier Jahre nach dem Tod
von Diktator Francisco Franco, sorgte der Geschichtslehrer erstmals für
Schlagzeilen. Er wurde zum Bürgermeister in Córdoba gewählt und wurde damit
der erste und einzige kommunistische Chef einer Provinzhauptstadt in der
Nach-Franco-Demokratie.
Anguita führte in der Stadt, die für ihre riesige Moschee aus Zeiten des
maurischen Andalusiens bekannt ist, öffentliche Dienste ein, investierte in
arme Stadtteile, sorgte für Mitbestimmung der Bevölkerung bei wichtigen
kommunalen Entscheidungen. Er scheute dabei nicht den Konflikt mit den
alten Mächten Córdobas. „Sie sind nicht mein Bischof, aber ich bin Ihr
Bürgermeister“, wies er den Chef der Diözese Córdoba in die Schranken.
Szenen wie diese brachten ihm den Spitznamen „roter Kalif“ ein.
1982 wurde Anguita für die PCE ins andalusische Regionalparlament gewählt.
Die Kommunisten steckten in einer tiefen Krise. Für Anguita gab es nur
einen Ausweg: ein Bündnis der Kräfte links der sozialistischen PSOE unter
Regierungschef Felipe González. Izquierda Unida (IU) – Vereinigte Linke –
hieß das neue Projekt, dessen Chefkoordinator und Spitzenkandidat Anguita
1989 wurde.
## Er träumte davon, die PSOE zu überholen
Anguita redete viel von den „zwei Ufern“. Am einen verortete er die
sozialistische PSOE und die konservative Partido Popular (PP), für ihn zwei
Seiten einer Medaille – am anderen die einzige Alternative, seine IU. Und
er hatte damit Erfolg. IU wuchs ständig und erzielte 1996 2,5 Millionen
Stimmen und 21 Abgeordnete.
Anguita, der 1993 mitten im Wahlkampf einen ersten Herzinfarkt erlitt,
weigerte sich, den Juniorpartner für den mittlerweile ohne Mehrheit
regierenden González abzugeben. Er träumte davon, die PSOE bei den Wahlen
zu überholen. So weit sollte es nicht kommen. Anfang 2000, nach erneuten
Herzproblemen, zog sich Anguita aus Parlament und Parteipolitik zurück. Er
ging wieder in den Schuldienst, verzichtete auf seine Abgeordnetenrente und
lebte von der wesentlich niedrigeren Pension eines Lehrers. Ohne den
Kalifen verlor IU nach und nach an Bedeutung.
2003 traf den Vater zweier Kinder ein harter persönlicher Schlag. Sein Sohn
Julio, der als „eingebetteter Journalist“ mit der US-Armee in Bagdad war,
wurde von einer Rakete der irakischen Armee getötet. Anguita erfuhr davon
auf einer Diskussionsveranstaltung, nahm das Mikrofon und erklärte:
„Verflucht seien die Kriege und das Gesindel, das sie macht.“
Wenige Monate nach Entstehung der Empörtenbewegung im Mai 2011 gründete
Anguita die „Bürgerfront ‚Wir sind die Mehrheit‘“. Dank Korruption und
Austeritätspolitik war die These der zwei Ufer in der Mitte der spanischen
Gesellschaft angekommen. „PPSOE“ tauften die Empörten das
Zweiparteiensystem. Der Kalif hatte einmal mehr den richtigen politischen
Riecher. Kurz darauf entstand Podemos. Die Sozialisten, die einen
beachtlichen Teil ihrer Wähler an die Linksalternativen verlieren sollten,
erneuerten sich in einem schmerzhaften Prozess. Jetzt regieren [1][die
beiden Parteien gemeinsam].
17 May 2020
## LINKS
[1] /Machtkaempfe-in-Coronazeiten/!5683538
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
PSOE
Schwerpunkt Coronavirus
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