Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rechte Ideologie auf Hygienedemos: Links und rechts vereint auf Dem…
> Linke Codes und Positionen zu vereinnahmen, ist eine rechte Strategie.
> Über die irreführende Nutzung des Begriffs „Querfront“.
Bild: Linke sucht man auf den vermeintlichen Querfront-Veranstaltungen vergebens
Es ist eine ungewohnte Mischung, [1][die seit Wochen auf die Straßen geht]:
junge Menschen mit Rastas, die im Schneidersitz meditieren, Männer, die
ihre Wut hinausschreien, Hooligans mit Lederhandschuhen in der Gesäßtasche,
Esoterikerinnen mit Alubommel-Ketten oder Menschen, die einen
[2][Davidstern mit der Aufschrift „ungeimpft“] am Ärmel tragen. Kurz
gesagt, – so zumindest die äußerliche Zuordnung – Linke und Rechte. Eine
Querfront also?
BeobachterInnen und JournalistInnen, von antifaschistischen Blogs bis zu
konservativen Zeitungen, nutzen den Begriff zur Beschreibung der
Hygienedemos; sie schreiben von „Querfront-Kundgebungen“ oder
„Querfront-DemonstrantInnen“. Es scheint die geeignete Vokabel, mit der
sich die Diversität der Veranstaltungen, aber auch die Irrationalität
einzelner TeilnehmerInnen, die sich gängiger links-rechts-Einordnungen
entziehen, beschreiben lassen.
Populär wurde der Begriff in der Weimarer Republik. Er bezeichnete den
antidemokratischen Versuch quer über die Lager hinweg, in einem Bündnis aus
nationalistischer und sozialistischer Ideologie politische Macht zu
erringen. Der Sozialwissenschaftler David Begrich betont im Gespräch mit
der taz, die Bindung des Begriffes an einen Vorgang, bei dem sich „zuvor
inhaltlich ausschließende Positionen aufeinander zubewegen“. Allein das
Zusammentreffen von Linken und Rechten reiche nicht aus, um von Querfront
zu sprechen.
Bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen sieht Begrich diese Bedingung
nicht erfüllt: „Es fehlen jene aus einem explizit linkem Koordinatensystem,
die sich auf dort vertretene rechte Positionen zubewegen.“ Deutlich
häufiger finden sich Querfront-Versuche eh von der anderen Seite: als
rechte Strategie Terrain zu gewinnen, indem linke Codes übernommen und
Positionen vereinnahmt werden. Von der Absurdität abgesehen, dass
[3][Rechtsextreme derzeit vorgeben Grundrechte zu verteidigen], ist davon
aber nichts zu sehen.
## Offene Flanke nach rechts
Das gefestigte linke Milieu, gar organisierte Strukturen, sucht man auf den
Veranstaltungen vergebens. Anders als es so manche Zeitung schrieb, sind
„Linksextreme“ oder „Autonome“ erst recht kein Teil davon. Das kann auch
nur glauben, wer der zur Delegitimierung linker Positionen genutzten These
anhängt, Links- und Rechtsextreme seien sich strukturell ähnlich.
Linksradikale aber suchen nicht den einen, möglichst noch jüdisch
assoziierten Weltenlenker als Schuldigen für alles Übel. Allerdings auch
nicht nur ausgemachte Rechtsextreme. So bedient etwa der Medienmacher Ken
Jebsen eine Vielzahl solcher Theorien – und erreicht damit seit jeher ein
Publikum über die Lagergrenzen hinweg. Wer die Querfront sucht, wird hier
am ehesten fündig.
Als ausgemacht gilt, dass sich die Berliner InitiatorInnen um den früheren
freien taz-Autor Anselm Lenz, zuvor in einem subkulturell linkem
(Kultur-)Umfeld bewegt haben. Dass sie dabei mitunter eine [4][offene
Flanke nach rechts], etwa in der Frage des Antifeminismus hatten, und nicht
umsonst aus linken Zusammenhängen geflogen sind, hat eine [5][ehemalige
Mitstreiterin im Freitag bemerkt]. Nun bedienen sie ganz offen Schlagwörter
von rechts, suggerieren eine „Diktatur“, wollen Merkel vor Gericht stellen
und verweisen auf rechtsoffene Medien als Antwort auf die
„gleichgeschaltete“ Presse. Schweigend schauten sie dann dabei zu, wie sich
das Pegida-Publikum angezogen fühlt und selbst Holocaustleugner ihren
Aufrufen folgen.
Welche Linken bleiben dann noch, die sich in ihren Positionen auf die
Rechten zubewegen könnten? Wissenschaftsfeindliche ImpfgegnerInnen, zu
denen jetzt auch Ex-NPD-Chef Udo Voigt zählt? Oder EsoterikerInnen, die das
linke Milieu längst verlassen haben, zugunsten einer konsumierbaren
Ideologie der Eigenverantwortung, die vielfache Andockpunkte nach
rechtsaußen aufweist? Der Querfront-Begriff werde „inflationär gebraucht“,
sagt David Begrich; auch könne er „von Rechtsextremen genutzt werden, um
ihren Positionen über das ursprüngliches Milieu hinaus Reichweite zu
verschaffen.“
21 May 2020
## LINKS
[1] /Hygiene-Demonstrationen-in-Berlin/!5683822
[2] /Antisemitismus-in-der-Coronakrise/!5686971
[3] /Corona-und-Verschwoerungstheoretiker/!5675712
[4] /Verschwoerungstheoretiker-gegen-Corona/!5677840
[5] https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/gender-raus-oder-ich-werd-zum-na…
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Verschwörungsmythen und Corona
Querfront
Hygiene-Demo
Schwerpunkt Coronavirus
"Querdenken"-Bewegung
Verschwörungsmythen und Corona
Schwerpunkt Coronavirus
IG
Die Linke
Verschwörungsmythen und Corona
Hygiene-Demo
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verschwörungsideologe Anselm Lenz: Das perfekte Alibi
Der Initiator der Corona-Proteste schmückt sich mit seiner Mitstreiterin
Batseba N'Diaye. Doch die Frau an seiner Seite gibt es wohl gar nicht.
Corona-Demos in Berlin: Auf zum letzten Gewäsch
Die Corona-Demos sind zurück. Am Wochenende wollen die Organisatoren
tausende Verschwörer, Impfgegner und Rechte in Berlin auf die Straße
bringen.
Rechte an der Landstraße: Schwarz-weiß-roter Protest
Bei den Sonntagsprotesten an der B96 in Ostsachsen mischen sich Wutbürger,
Durchgeknallte und Nazis. Ursprünglich ging es um Corona.
Therapeut über Coronaproteste: „Zu den Durchblickern gehören“
Auf „Hygienedemos“ lebt sich der deutsche Oberlehrer aus, sagt Klaus
Ottomeyer. Vom „besorgten Bürger“ dürfe man sich nicht kirre machen lasse…
Linkspartei und der Fall Hunko: Am Rande der Vernunft
Linken-Fraktionsvize Andrej Hunko beschuldigt Medien, „abweichende
Meinungen“ zu zensieren. Populismus liegt auch der Linkspartei nicht fern.
Psychologin über Verschwörungsglauben: „Gegen Kritik immunisieren“
Bei den „Hygiene-Demos“ treffen unterschiedlichste Menschen aufeinander,
die den Glauben an eine Verschwörung teilen. Pia Lamberty erklärt, warum.
Gegenprotest zur Hygienedemo in Berlin: Rechte Folienkartoffeln wegbassen
Dezentral und laut: Reclaim Club Culture und andere linke Initiativen rufen
für das Wochenende zum Protest gegen die sogenannten Hygiene-Demos auf.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.