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# taz.de -- Rechte an der Landstraße: Schwarz-weiß-roter Protest
> Bei den Sonntagsprotesten an der B96 in Ostsachsen mischen sich
> Wutbürger, Durchgeknallte und Nazis. Ursprünglich ging es um Corona.
Bild: Wehe dem, der Fahnen schwenkt
Dresden taz | Es ist ein merkwürdiges Schauspiel, das sich nun bereits seit
etlichen Wochen im Osten Sachsens auf der Bundesstraße 96 abspielt. Anfangs
ging es in diesem landschaftlich idyllischen Abschnitt der B96 „nur“ gegen
die Corona-Schutzmaßnahmen. Mittlerweile fordert Sachsens Innenminister
Roland Wöller (CDU) seinen Verfassungsschutz auf, „genauer hinzuschauen“.
Denn es ist kaum mehr zu übersehen, dass die Aufzüge inzwischen von rechten
„Protestprofis“ geprägt werden.
So auch an diesem Sonntag: Um zehn Uhr nimmt in Großpostwitz eine Melange
aus Wutbürgern, Rechtsextremen, Virusleugnern und Reichsbürgern am
Straßenrand Aufstellung. Ein Van mit Görlitzer Kennzeichen, am Heck ein
schwarz-weiß-roter Aufkleber, hält und stattet die Demonstranten noch rasch
mit „Winkelementen“ aus. Eine Bezeichnung, die alle, die hier stehen, noch
von ihren DDR-Maidemonstrationen her kennen dürften. Mehrfach fahren
Kleinbusse lautsprecherdröhnend die Strecke ab. „Stiller Protest an der
B96“ steht auf dem Dach eines der Busse, der Pegida entlehnte Slogan
„Sachsen zeigt Gesicht“ auf einem anderen. Auch Jugendliche mit den
DDR-Kultmopeds von Simson sind unterwegs, tragen T-Shirts in den
gelb-blauen Lausitzfarben oder Schilder mit der Aufschrift „Freiheit“ um
den Hals.
In Weigsdorf-Köblitz stehen rund 150 Bürger an der Straße, am Ortseingang
von Oppach sind es ungefähr 200. Etliche Lausitzfahnen sind zu sehen, auch
Deutschlandfahnen, einige verkehrt herum. Vor allem fällt aber das
Schwarz-Weiß-Rot des Kaiserreichs und der Nazizeit auf. Auch der
NPD-Kreisverband Görlitz-Niederschlesien hat via Facebook zum Protest
aufgerufen. Die AfD ist ebenfalls mit dabei.
Immer noch Coronaproteste? „Wer zahlt den Schwachsinn?“, steht auf einem
Plakat. Ein Vater, zugleich Elternsprecher in der Schule seiner Kinder,
beklagt den lange abgerissenen Kontakt zwischen Schülern untereinander und
mit ihren Lehrern. Aber er räumt auch ein: „Inzwischen mischt sich hier
alles Mögliche.“
## Jascha Beuttler im Velo
Gegen die Virusfolgen sollen nun Kaiser oder Führer helfen? „Es war in
sozialer Hinsicht nicht alles schlecht beim Kaiser“, wendet ein älterer
Herr ein. Er glaubt den Medienberichten über die Coronakatastrophe in
Italien oder Spanien einfach nicht. „Ob schwarz, weiß oder bunt – es geht
immer um das Wohl des Menschen“, versichert er aber seine humanistische
Einstellung.
Die darf man bei Anhängern des „Ewigen Bundes“ hingegen kaum voraussetzen,
die Zettel mit dem Reichsadler verteilen und behaupten, der deutsche Staat
sei seit 1918 handlungsunfähig, wir hätten noch einen rechtmäßigen Kaiser
und die Welt befinde sich im Kriegszustand.
Pünktlich wie der Sonntagsgottesdienst schließt der Protest nach einer
Stunde. Zehn nach elf sieht die B96 aus wie immer. Nur einer fährt jetzt
noch weiter, Jascha Beuttler aus dem westfälischen Herne in seinem
stromlinienförmigen Tret-Velo. Für seine ganz persönliche Gegendemo hat er
„Ihr seid nicht das Volk – Nie wieder!“ auf sein schwarz-gelbes Gefährt
geklebt. Es soll ihn über Tschechien bis nach Auschwitz bringen.
19 Jul 2020
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Pegida
Verschwörungsmythen und Corona
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