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# taz.de -- Autor über Verschwörungstheorien: Nichts ist, wie es scheint
> In Verschwörungswelten ist alles miteinander verbunden. Wer daran glaubt,
> sieht einen raffinierten Plan am Werk, in dem andere nur Zufall erkennen.
Bild: Ist häufig Gegenstand von Verschwörungstheorien: die Weltgesundheitsorg…
Typisch“, nennt Michael Butter, was wir gerade auf immer mehr Marktplätzen
und vor allem online antreffen: „Corona-Verschwörungstheorien“ seien eine
Art „neuestes Kapitel innerhalb länger zurückreichender Narrative“, sagt
der Tübinger Amerikanist, der seit Jahren in diesem Feld forscht. „Deswegen
ging das auch so schnell – es geht um die Bösewichte, die man schon immer
im Blick hatte.“
Eine Verschwörungstheorie gehe davon aus, dass es irgendeine dunkle Gruppe
im Hintergrund gibt, die „alles geplant hat und nach deren Willen sich die
Dinge entfalten“. Eine weitere ergibt sich daraus scheinbar wie von selbst:
In der Welt der Verschwörer ist alles miteinander verbunden.
Wer daran glaubt, sieht einen ausgeklügelten Plan am Werk, wo andere nur
Zufall erkennen; da kann kein Kommunikationsfehler einer komplexen,
vielstimmigen Organisation wie der WHO einfach nur das sein: ein Fehler.
Zufälle gibt es nicht. „Nichts ist, wie es scheint“, das ist die dritte
Eigenschaft von Verschwörungstheorien, und so hieß vor zwei Jahren auch ein
viel beachtetes Buch Butters.
Auch jetzt gingen viele Demonstrierende ja davon aus, dass uns „die
Gefährlichkeit des Virus bewusst vorgegaukelt werde – um ganz andere Ziele
zu erreichen“, so Butter. Welche Ziele? Da kann es kompliziert werden: Im
Zusammenhang mit dem Tod Osama Bin Ladens etwa hielten
Verschwörungstheoretiker es einerseits für wahrscheinlicher, dass der
Terrorist schon länger tot war, als es die offizielle Version besagte –
„gleichzeitig finden sie es aber auch wahrscheinlicher, dass er noch am
Leben sei“, sagt Butter.
## Verschwörungstheorien als „Gegennarrative“
In der westlichen Welt funktionierten Verschwörungstheorien „als
Gegennarrative und können in unterschiedlichen, auch sich widersprechenden
Versionen existieren – ohne dass sich ihre Vertreter gegenseitig die Köpfe
einschlagen“.
Was also derzeit Esoteriker und Grundrechtspuristen, Impf- und
Staatsskeptiker*innen, auch: Rechte und Linke eint? Eine vermeintlich
bessere Alternative zu den Scheinerklärungen von Regierungen und
etablierten Medien. Verrückt sind immer die anderen.
Dass es sich bei der Empfänglichkeit fürs Verschwörerische um etwas der
Paranoia Verwandtes handelt: Das ist eine hartnäckige Sichtweise, die
zurückgeht auf einen Text aus dem Jahr 1964. In „The Paranoid Style in
American Politics“ attestierte Richard Hofstadter – wohlgemerkt: nicht
Psychiater, sondern Historiker – dem McCarthyismus einen „Stil des
Politischen“, der nicht neu sei, aber übrigens auch nicht notwendigerweise
rechts.
Zwar benutze er Worte wie „paranoid“ nicht im medizinischen Sinne, schrieb
Hofstadter damals selbst, aber die Pathologisierung ist wirksam bis heute;
so sprechen manche Kritiker*innen und Gegner*innen auch dieser Tage
verdächtig schnell vom Verschwörungswahn – geradezu spiegelbildlich dazu,
wie nach 2015 die Kanzlerin zuverlässig als „geisteskrank“ diffamiert
wurde.
Butter zufolge lag Hofstadter falsch mit seiner einflussreichen Diagnose,
die ja im engen Sinne gar keine war. Und er widerspricht ihm in noch einem
wichtigen Punkt: Verschwörungstheorien seien gerade keine Sache einer
Minderheit gewesen. In der westlichen Welt lasse sich zwar ab dem Zweiten
Weltkrieg eine Stigmatisierung verschwörungstheoretischen Denkens ausmachen
– es sei aber nie verschwunden.
Nun gebe es keine Umfragen von vor 100 Jahren. Aber, so Butter: „Ich würde
sagen: Wir haben heute mehr Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben,
als vor 30 Jahren – aber garantiert weniger als vor 100 oder 200.“
21 May 2020
## AUTOREN
Alexander Diehl
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