Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Boltenhagens Bürgermeister über Corona: „Die Hälfte hat Angst�…
> Raphael Wardecki (Grüne) hat als Verwaltungschef eines Ostseebades viel
> zu tun: versöhnen, beruhigen und den Tourismus wieder zum Laufen bringen.
Bild: Das Wiederhochfahren ist schwieriger als das Stoppen: gesperrte Seebrück…
taz: Herr Wardecki, es war Ihr großer Traum, Bürgermeister von Boltenhagen
zu werden. Haben Sie es angesichts der [1][Coronakrise] schon mal bereut?
[2][Raphael Wardecki]: Nein, das nicht. In Boltenhagen hat man viele
unterschiedliche Aufgaben. Die Coronakrise kam oben drauf. Sie ist seit
März das dominierende Thema.
Können Sie noch ruhig schlafen, wenn Sie an die Zukunft [3][Boltenhagens]
denken?
Die eine Hälfte der Bevölkerung hat Angst, krank zu werden, die andere
Hälfte hat die Sorge, das wirtschaftlich nicht zu schaffen. Wir haben
bisher sehr Acht gegeben auf die Menschen, die Angst hatten, krank zu
werden. Jetzt heißt es aus Schwerin, dass man die Wirtschaft wieder
hochfahren soll. In irgendeiner Weise wird das klappen. Wir müssen
vorsichtig sein, bei dem was wir anpacken: Abstände halten, reinigen.
Sie haben die Angst angesprochen: Sind Gäste und Zweitwohnungsbesitzer
angefeindet worden?
Es gab in der Hochphase schwierige Tage, wo jemand mit auswärtigem
Kennzeichen unter Generalverdacht gestellt wurde. Das haben wir sofort
aufgearbeitet.
Wie sah das aus?
Bürger haben uns gesagt: „Wir glauben, dass jemand nicht hier sein darf.
Wir haben Angst.“ Das Ordnungsamt hat das geklärt. In vielen Fällen war es
so, dass die Personen eine Legitimation hatten, hier sein zu dürfen. Den
Hinweisgeber habe ich hinterher angesprochen: „Leute bleibt ruhig, das hat
alles seine Richtigkeit.“ Das trägt dazu bei, dass man so eine Situation
wuppen kann.
Haben sich auch Gäste an Sie gewandt?
Es gab natürlich Zweitwohnungsbesitzer, die traurig waren, dass sie nicht
kommen konnten, die auch hier Verpflichtungen hatten. Viele Gäste
bekundeten in den sozialen Medien, dass sie es schade finden, nicht an die
Ostsee zu können. Da haben wir aber momentan die schlimmsten Tage
überstanden.
Wie muss man sich die Auswirkung der Coronapandemie auf den Ort vorstellen?
Der Ort war und ist erschreckend leer. Man sieht beim Einkaufen nur
Einwohnerinnen und Einwohner. Das ist eine Situation, die man kaum kennt.
Im nächsten Jahr wird sich zeigen, was das für die Einnahmen aus Kurabgaben
und Gewerbesteuern bedeutet. Jetzt folgen alle dem Motto: Wir wollen gute
Gastgeber sein und versuchen Lösungen zu entwickeln. Wie kann ich meinen
Betrieb so gestalten, dass er den hygienischen Bestimmungen entspricht? Es
ist spannend, wie kreativ Menschen unter solchen Bedingungen werden.
Wie viele Boltenhagener leben vom Tourismus?
Gefühlt 100 Prozent. Es gibt sicher welche, die Rentner sind oder Beamte,
aber der Ort lebt vom Tourismus. Wir haben keine großen Gewerbegebiete oder
Unternehmen, die nicht vom Tourismus abhängig sind.
Wie stark schlägt die Krise bei den Tourismusbetrieben ins Kontor?
Die meisten sagen: Das war alles ganz schwierig. Man hat es bis hierher
geschafft, doch jetzt müsste es losgehen.
Springt die Gemeinde ein, wenn es mal knapp wird?
Wir haben uns erst mal um den Bevölkerungsschutz gekümmert. Wir waren eine
der ersten Gemeinden, die Nachbarschaftshilfe entwickelt haben. Für die
Unternehmen sind wir ein guter Dienstleister. Wir glauben aber auch, dass
unser Ort sehr schnell voll wird, wenn es mit dem Tourismus wieder losgeht.
Das hat sich schon gezeigt: Als das Wetter gut war, war halb Schwerin hier.
Mit wie viel weniger Geld wird die Gemeinde auskommen müssen?
Dafür haben wir noch keine Prognosen. Wir gehen davon aus, dass wir im
Sommer mit einem Nachtrag des Haushalts rechnen müssen. Wie groß der
Einbruch sein wird, hängt davon ab, wie schnell alles wieder ins Laufen
kommt. Eventuell könnte man darauf hoffen, dass wir mit einem blauen Auge
und einer schwarzen Null daraus hervorgehen.
Tatsächlich mit einer schwarzen Null?
Viele Betriebe hoffen, dass sie mit einem guten Sommergeschäft vieles
rausholen können.
Was macht Ihnen gerade am meisten Sorgen?
Ob das Verständnis dieser zwei Lager, von denen ich eingangs gesprochen
habe, füreinander da ist: derjenigen, die vom Tourismus leben und dringend
arbeiten müssen – und der anderen, die Angst haben.
Womit haben Sie am meisten zu tun?
Mit allem. Man hätte ja nicht gedacht, dass es schwieriger ist, ein System
wieder hochzufahren, als es runterzufahren. Mit dem Lockdown haben wir sehr
schnell und rigoros gehandelt, indem wir etwa unsere Seebrücke geschlossen
haben. Das alles jetzt wieder zu lockern und dabei von den Vorgaben aus
Schwerin abhängig zu sein, ist nicht einfach. Letzte Woche kam die Message,
was passieren soll, am Montagabend, die Verordnung am Freitagabend – und
dazwischen stand das Telefon weder in der Kurverwaltung noch in der
Amtsverwaltung still.
Das heißt, alle wussten, dass etwas unterwegs ist...
Richtig. Und wir mussten dann immer sagen: Wir haben noch nichts schwarz
auf weiß, wir wissen noch nicht genau, wie es aussehen soll. Das muss jetzt
alles mit Hochdruck nachgearbeitet und kommuniziert werden. Das ist die
spannende Aufgabe jetzt.
Warum ist das Hochfahren so schwierig?
Weil momentan keine Gäste da sind, ist die Frage: Was kann ich jetzt schon
öffnen und in welchen Schritten mache ich das? Bei der Tourismusinformation
wissen wir seit Freitagabend, dass wir sie öffnen dürfen. In den
vergangenen Wochen haben wir natürlich schon so was wie einen Spuckschutz
aufgebaut. Aber dann müssen auch die Mitarbeiter wieder zugeordnet und die
Absperrung muss umgebaut werden. Der Strand muss gereinigt werden. Dazu
kommt der Bau der Dünenpromenade als Millionenprojekt. Es läuft ganz viel
parallel. Das in die richtigen Bahnen zu bringen, wird sportlich.
17 May 2020
## LINKS
[1] /Deutschlands-Coronakrisen-Branchen/!5684662
[2] https://www.wardecki.org/
[3] https://www.boltenhagen.de/
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Tourismus
Reisen
Ostsee
Borkum
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Insel-Tourismus läuft an: Angst und Freude
Auf Borkum hat der Tourismus schon letzte Woche begonnen. Doch
Gastronom*innen und Vermieter*innen fürchten einen erneuten Lockdown.
EU-Grenzen nach Coronalockerungen: Urlaubspläne mit Hindernissen
Die EU-Kommission hat ein Konzept für sichere Sommerurlaube in Zeiten von
Corona vorgelegt. Nur leider kann sie lediglich Empfehlungen aussprechen.
Brandenburg bleibt offen für Berliner: Mit Proviant ins Grüne
Berliner können zu Ostern nach Brandenburg fahren. Brandenburgs
Innenminister Michael Stübgen glaubt an ein maßvolles Verhalten.
+++ Corona News vom 1. April +++: Keine Besuche über Ostern
Bund und Länder fordern Bürger auf, auch über Ostern auf Reisen zu
verzichten. Sie halten an Maßnahmen fest. Nachrichten zum Coronavirus im
Live-Ticker.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.