# taz.de -- Rückkehr zum Schulalltag in Coronazeiten: Eine verpasste Chance | |
> Den Schulen fehlt es an Personal, die Klassen sind zu groß. Man hätte die | |
> Probleme in der Coronakrise angehen können. Doch es geht weiter wie | |
> zuvor. | |
Bild: Noch Abstandsmarkierungen: Bayerischer Schulhof Mitte Mai | |
Die vergangenen Monate waren für Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen | |
eine Zumutung. Erst mussten sie im Schnellverfahren auf digitalen | |
Unterricht umstellen, dann einen Mix aus Haus- und Schulunterricht wuppen. | |
Letzterer geriet wegen geltender Abstandsregeln oft zur Alibiveranstaltung | |
von zwei Schulstunden pro Woche, während das digitale Lernen litt. | |
Lehrkräfte können nun mal nicht gleichzeitig den Eingang zum Schulklo | |
bewachen und Videounterricht geben. | |
Dass die ersten Länder jetzt wieder dazu übergehen, Kinder im | |
Klassenverband und ohne Mindestabstand zu unterrichten, ist deshalb | |
pragmatisch. Viele Familien atmen auf. Aber es ist auch eine verpasste | |
Gelegenheit. | |
Klar ist: Die Entscheidung Thüringens, Sachsens, Schleswig-Holsteins und | |
[1][anderer Länder, die Schulen wieder regulär zu öffnen], ist primär durch | |
steigenden gesellschaftlichen Druck zustande gekommen und basiert weniger | |
auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Selbst wenn Studien nahelegen, | |
dass kleine Kinder [2][doch keine Virenschleudern sind] – sie sind deshalb | |
nicht immun. Und alle Studien legen nahe, dass die Ansteckungsgefahr in | |
geschlossenen Räumen besonders groß ist. | |
Aber das Bedürfnis der Eltern nach Entlastung und das der [3][Schüler*innen | |
nach sozialem Austausch] ist ebenfalls berechtigt und wurde zu lange | |
vernachlässigt. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis alle Länder zu | |
einem Status quo ante Corona zurückkehren. | |
## Gesundheitsschutz wird hintenangestellt | |
Denn nach nur wenigen Wochen Schule unter Hygienevorschriften ist allen | |
klar, dass sich das nicht endlos fortsetzen lässt. Es fehlt Personal, die | |
Räume sind zu klein, die Klassen zu groß. Probleme, die es alle lange vor | |
Corona gab. Die Krise wäre die Gelegenheit gewesen, sie anzugehen. | |
Wenn man Hygienevorschriften und den Schutz der Gesundheit voranstellt, | |
hätte es nur zwei Möglichkeiten gegeben: Entweder man erklärt Lehrpläne, | |
Präsenzunterricht und Prüfungen auch im nächsten Schuljahr für nachrangig. | |
Oder man fängt an, gewaltig in die Schulen zu investieren und für eine | |
Normalität unter Coronabedingungen aufzurüsten: Mehr Personal, kleinere | |
Klassen, luftige Bauten. Für den ersten Weg gibt es keine gesellschaftliche | |
Mehrheit, für den zweiten keine politische. | |
Angesichts prognostizierter Steuerausfälle in Milliardenhöhe wagt sich | |
keine Schulministerin mit der Forderung vor, jetzt Milliarden in Bildung zu | |
investieren. Also wird der Gesundheitsschutz hintenangestellt in der | |
Hoffnung, dass die Infektionszahlen niedrig bleiben. Der Herbst und die | |
nächste Grippewelle werden zeigen, ob die Hoffnung trägt. | |
29 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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