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# taz.de -- Smartphone-Nutzung von Kindern: Neue Panik? Alter Hut!
> Wenn neue Technologien erscheinen, tritt die Angst vor dem Neuem auf.
> Mitschuld daran hat die Forschung, die hinterherhinkt.
Bild: Ruinieren soziale Medien Kinderhirne?
Im 18. Jahrhundert fürchtete man, wer zu viele Romane lese, laufe Gefahr,
sich unsittlich zu verhalten. In den 1940ern wurde davor gewarnt, Kinder zu
lange Radio hören zu lassen; Essstörungen und Nervosität seien die Folge.
Ob Eisenbahn, Comics oder Fernsehen – mit jeder neuen Technologie kommt die
Angst davor. Seit gut zwanzig Jahren reiht sich das Internet in die Reihe
der Technologiepaniken ein. Vor allem [1][soziale Medien] sollen bei
Jugendlichen psychische Probleme verursachen.
Na eben, argumentieren die einen: Diese Angst vor Neuem gab es schon immer,
also keine Sorge, [2][dass das Smartphone] Kinderhirne ruiniert. Das
Internet ist eine Gefahr neuen Ausmaßes, die wir noch nicht ausreichend
verstehen, sagen die anderen. Beide haben recht, argumentiert Amy Orben von
der Universität Cambridge [3][in einem kürzlich veröffentlichten Paper],
das allerdings noch keiner Peer Review, also der Kontrolle durch andere
Forscherinnen und Forschern, unterzogen wurde.
Immer, wenn eine neue Technologie breit verfügbar wird, kommt Panik auf.
Vor allem Frauen und [4][Kinder würden von der exzessiven Nutzung Schaden
erleiden], wird befürchtet. Also macht sich die Forschung daran, die
Auswirkungen zu untersuchen. Doch Technologien entwickeln sich schnell, die
Zeit reicht nicht, um verlässliche Studien zu machen. Anstatt abzuwarten
verlangen Politik und Öffentlichkeit mit jeder neuen Technologie nach neuen
Antworten – und die Forschung, allen voran die Psychologie, schwenkt um.
## Komplexe Forschungsfragen
Orben vergleicht die Arbeit der Forscherinnen und Forscher mit dem Leid des
König Sisyphus aus der griechischen Mythologie: Er war dazu verdammt, einen
Stein einen Berg hinaufzuschleppen. War er beinahe oben angekommen, rollte
der Stein wieder hinunter.
Warum gibt es in der Forschung kaum Fortschritt? Weil die einzelnen
Technologien zu breit untersucht werden, argumentiert Orben. Anstatt sich
beispielsweise anzusehen, welchen Einfluss Smartphone-Nutzung auf Gewalt
bei Kindern hat, wäre es klüger zu untersuchen, welche Funktionen die
einzelnen Technologien haben. Mit Radio hören, Comics lesen und durch
Instagram scrollen kann man sich zum Beispiel wunderbar ablenken. Das haben
die Technologien gemeinsam.
Doch anstatt aufeinander aufzubauen, fängt die Forschung jedes Mal bei null
an. Die Erkenntnis hinkt der Wirklichkeit hinterher. Dazu kommt: Je breiter
sich eine Technologie durchsetzt, desto komplexer werden die
Forschungsfragen. Wer kann heute noch auseinanderdividieren, wo das
Smartphone die Entwicklung von Kindern beeinflusst und wo nicht? Und selbst
wenn man nun herausfinden würde, dass Smartphones Kinderhirne ruinieren:
[5][Verbieten kann man es längst nicht mehr.]
Um die nächste Technologiepanik – sie kommt bestimmt! – zu vermeiden,
braucht die Wissenschaft bessere Ergebnisse. Das geht nur, wenn sie aus der
Vergangenheit lernt. Vielleicht gelingt ja Sisyphus’ Erlösung.
13 May 2020
## LINKS
[1] https://www.theatlantic.com/magazine/archive/2017/09/has-the-smartphone-des…
[2] /Mein-Smartphone-und-ich/!5673749
[3] https://psyarxiv.com/dqmju
[4] /Medienkonsum-bei-Kindern/!5637563
[5] /Kolumne-Heult-doch/!5531123
## AUTOREN
Anna Goldenberg
## TAGS
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