# taz.de -- Basketballerin über Rassismus: „Ich spiele locker“ | |
> Satou Sabally will in der besten Basketball-Liga der Welt Karriere | |
> machen. Sie spricht über ihren Aufstieg und Alltagsrassismus in | |
> Deutschland. | |
Bild: „Man wird als Schwarze nie als Volldeutscher angesehen“: Satou Sabally | |
Bei [1][Satou Sabally] ist gerade viel los. Die Deutsche wechselt vom | |
College der University of Oregon in die WNBA, die Women’s National | |
Basketball Association. Vor zwei Wochen wurde sie von den Dallas Wings | |
verpflichtet. Im Draft, der Lotterie der besten Nachwuchsspielerinnen, | |
wurde sie auf Position zwei ausgewählt. In dieser Woche feierte sie ihren | |
22. Geburtstag, und derzeit plant sie in ihrer neuen texanischen Heimat den | |
Umzug. | |
taz am wochenende: Frau Sabally, Sie haben sich nach drei Jahren am College | |
in Eugene entschlossen, in die WNBA zu gehen. Hätten Sie noch ein Jahr | |
gewartet, hätten Sie 2.000 Dollar im Jahr mehr verdienen können, statt | |
68.000 immerhin 70.000 Dollar? | |
Satou Sabally: Nein, weil ich schon den Rookie-Vertrag abgeschlossen habe, | |
bekomme ich 70.000 Dollar schon in der nächsten Saison. | |
Der neue und besser dotierte [2][Spielervertrag] wurde in einem | |
Arbeitskampf erstritten. Wie intensiv haben Sie die Verhandlungen zwischen | |
der Spielerinnengewerkschaft WNBPA und der Liga verfolgt? | |
Sehr interessiert, weil davon abhing, ob ich jetzt schon in die WNBA gehe. | |
Es war super, als die neue Vereinbarung mit all den Verbesserungen | |
öffentlich wurde. | |
Warum war das so wichtig für Sie? | |
Weil die Spielerinnen endlich mehr Gehalt und damit Wertschätzung bekommen, | |
auch die Neueinsteigerinnen. Man genießt mehr Vorzüge beim Reisen, große | |
Spielerinnen müssen sich nicht mehr in zu enge Flugzeugsitze zwängen, die | |
Kontrollen am Flughafen werden schneller abgewickelt. Das Reisen wird | |
bequemer und einfacher. Das Gehalt war der ausschlaggebende Faktor: Ich | |
wollte in meinem ersten Jahr nicht nur 50.000 Dollar verdienen. | |
Im neuen Vertrag steht zum Beispiel auch, dass Spielerinnen mit Kind 750 | |
Dollar monatlich für die Kinderbetreuung zustehen und nach acht Jahren | |
Spielzeit in der Liga sogar 20.000 Dollar, wenn eine Athletin etwa ihre | |
Eizellen einfrieren möchte. Da wurde also ein umfassendes Paket geschnürt | |
von der Chefin der Spielergewerkschaft, Nneka Ogwumike. 2018 hat die | |
Spielerin der Los Angeles Sparks einen viel beachteten Essay geschrieben. | |
Ein Satz lautet: „Ich möchte, dass junge Spielerinnen davon träumen, in | |
einer lebendigen und blühenden WNBA zu spielen. Ich möchte, dass sie davon | |
träumen, das ganze Paket zu bekommen.“ Haben Sie das Gefühl, es bekommen zu | |
haben? | |
Es ist nah dran. Ich bin ein positiver Mensch und sehe eher die positiven | |
Sachen. Aber ich denke nicht, dass wir uns damit zufriedengeben sollten. Es | |
ist ja immer noch so, dass viele Spielerinnen über den Winter acht Monate | |
nach Europa oder Asien gehen und sich dort ein Zubrot verdienen müssen. Und | |
man darf nicht vergessen: Ich werde in Europa mehr verdienen als in der | |
WNBA. Es ist wirklich schwer, zwei Saisons zu spielen. Erst dann, wenn wir | |
nicht mehr nach Europa gehen müssen und trotzdem finanziell abgesichert | |
sind, können wir von einer blühenden WNBA sprechen. | |
Wenn Sie an die WNBA-Saison also noch eine zweite in Europa dranhängen, | |
wird man Sie dann vielleicht bei einem deutschen Klub sehen? | |
Ich finde es cool, in Europa zu spielen, aber für ein deutsches Team eher | |
nicht. Die Liga ist nicht so stark, die Gehälter sind nicht so hoch. Die | |
deutsche Liga braucht noch ’ne Weile, bis sie ein bestimmtes Niveau | |
erreicht hat. Türkei, Russland, China, das sind die interessanteren Länder. | |
Es ist Bewegung in der WNBA, aber was müsste sich Ihrer Meinung nach noch | |
tun, um Frauen-Basketball zu pushen? | |
Man müsste Spielerinnen mehr umwerben. Ich finde es wichtig, dass weibliche | |
Athleten gesehen werden, dass sie im Fokus stehen. Da fehlen oftmals der | |
Respekt und auch das Interesse der Medien. Wenn ich in der Zeitung auf die | |
Sportseiten gucke, sehe ich immer nur Männersport, nie wird über eine Frau | |
geredet. Dadurch weiß man auch nicht, wer die bestimmenden Figuren sind. | |
Das ändert sich gerade durch Social Media. Meine Mitspielerin Sabrina | |
(Sabrina Ionescu, gedraftet von New York Liberty; d. Red.) hat [3][alle | |
Kanäle] bespielt und Social-Media-mäßig, ich sage mal, alles ausgebombt. So | |
etwas erzeugt Aufmerksamkeit, so kommen mehr Zuschauer und machen dann auch | |
höhere Gehälter möglich. | |
Sie sind in Deutschland ziemlich präsent. Das liegt daran, dass Sie auf | |
Position zwei im Draft ausgewählt worden sind. Das gab es bisher noch nicht | |
im deutschen Frauen-Basketball. Spüren Sie eine Last, die nun auf Ihren | |
Schultern liegt? | |
Die Augen sind auf mich gerichtet, klar, aber ich bin keine Person, die | |
sich besonders viel Druck macht. Ich nehme die Herausforderung an, spiele | |
locker Basketball. Ich mein’: Ich mache gerade mein Hobby zum Beruf. Das | |
ist doch ein Traum! Auch Deutschland zu repräsentieren finde ich super. Ich | |
hoffe darauf, dass ich Basketball einen Schub geben kann, dass mehr Leute | |
zuschauen und der Sport in Deutschland einen höheren Stellenwert bekommt. | |
Selbst die beste Liga der Welt, die WNBA, hat Probleme mit dem | |
Zuschauerzuspruch. In den vergangenen Jahren war der Schnitt eher | |
rückläufig. Wie erklären Sie sich das? | |
Das ist sehr komisch. Aber ich denke, es wird jetzt wieder aufwärts gehen. | |
Durch Social Media. Die haben, glaube ich, kapiert, dass man coole | |
Highlight-Hits haben muss, coole Videos und Zusammenschnitte. Man muss das | |
pushen. Das ist in Amerika sooo wichtig, bei den Frauen umso mehr, weil | |
dieses „Sex sells“ noch in den Köpfen ist. Wenn man nicht ständig über | |
unseren Sport redet, weiß keiner davon und keiner interessiert sich dafür. | |
Im College hatten wir 13.000 Zuschauer, ausverkaufte Arenen. Es geht also. | |
Warum haben Sie im College die Nummer 0 getragen? | |
In Deutschland hatte ich immer die 8 oder 18. Und in Amerika auf dem | |
College darf die zweite Ziffer nicht größer als 5 sein. Eine 6, 7 oder 19 | |
gehen also nicht. Dann habe ich halt gesagt: Okay, ich habe keine Nummer. | |
Ab da war ich die Null. | |
Sie haben sich also nicht an NBA-Spielern wie Damian Lillard, Russell | |
Westbrook oder Gilbert Arenas orientiert, [4][großen Nullen]? | |
Westbrook finde ich super, aber nein, darum ging es nicht. Ich fand mich eh | |
immer underrated, wie ein Underdog. Ich war wie eine Null, als ich nach | |
Amerika gekommen bin, ich tauchte in keiner Rating-Liste auf. Und dann habe | |
ich die Null etwas größer gemacht. | |
Sie haben sich sozusagen von 0 auf 100 hochgespielt. Werden Sie die Zahl in | |
Dallas behalten? | |
Ja, weil man mich als Null kennt. | |
Basketball spielen haben Sie in Berlin gelernt. Wie kam es dazu? | |
Das war ein Zufall. Meine zukünftige Trainerin sprach meine Mutter auf | |
einem Spielplatz an, weil ich so groß war. Und dann bin ich zu einem DBB | |
Girl’s Basketball Day (Sichtungstag des Deutschen Basketball-Bundes; d. | |
Red.) gegangen. | |
Da ging’s also los. | |
Ich habe am Anfang nur mit Jungs gespielt. Das hat mir sehr viel gebracht. | |
Und erst mit 13 oder 14 habe ich nur mit den Mädels gespielt. Mit 15 war | |
ich in der Bundesliga. | |
Sie wechselten in der Bundesliga nach Freiburg und gingen mit 17 nach | |
Eugene zum College-Team der Ducks. Wie ergab sich das? | |
Scouts haben mich in Europa gesehen, als ich für die deutsche | |
Nachwuchs-Nationalmannschaft gespielt habe. Die nehmen dann Kontakt auf und | |
bieten einem ein Stipendium an. | |
Trügt der Eindruck oder tun Sie sich mit solchen Schritten in die Fremde | |
relativ leicht? Liegt das womöglich an Ihrer, nun ja, kosmopolitischen | |
Identität? Sie sind in New York als Tochter einer Deutschen und eines | |
Gambiers geboren, besitzen den US-Pass und den deutschen. | |
Ich sehe mich schon ein bisschen in der Rolle einer sportlichen | |
Weltbürgerin. Wenn ich in Amerika bin, vermisse ich Deutschland und Gambia. | |
Wenn ich in Deutschland bin, die USA und Afrika. Ich habe immer doppelt | |
Heimweh. Meine Mutter ist schon viel in der Welt herumgereist. Und ich bin | |
auch sehr weltoffen, ich kann mich überall gut einfügen. Ich mag es | |
einfach, immer mal woanders zu sein, in andere Länder und Kulturen | |
einzutauchen. Und meine Pässe sind auch sehr nützlich: Ich brauche | |
nirgendwo ein Visum. (lacht) | |
Sie haben in anderen Interviews angedeutet, dass es für Sie nicht immer | |
leicht war, als Schwarze in Deutschland aufzuwachsen. Haben Sie Rassismus | |
erlebt? | |
Ich hatte eine gute Kindheit, aber klar, Rassismus gibt es. Vorurteile | |
finde ich am schlimmsten. Ich finde es auch nicht schön, wenn jemand meine | |
Haare anfassen möchte. Man wird als Schwarzer nie als Volldeutscher | |
angesehen, das ist einfach so. Es wird immer gefragt: „Woher kommst du | |
wirklich?“ Hej, ich bin in Berlin aufgewachsen. Rassismus ist und bleibt | |
ein Thema. Wie mit der Flüchtlingskrise in Europa umgegangen wurde, war | |
meiner Meinung nach rassistisch. Ein anderes Beispiel ist Trumps Umgang mit | |
den Mexikanern. Dass die AfD in Deutschland einen Aufschwung erfahren hat, | |
zeigt, dass rechtes Gedankengut immer noch in der DNA der Deutschen | |
vorhanden ist. Wer die AfD wählt, sollte sich fragen, was die wirklich von | |
der Menschenwürde halten. | |
Wenn Sie, wie Sie sagen, mit der Frage konfrontiert werden „Woher kommen | |
Sie denn wirklich her?“; nervt Sie das nur, oder erkennen Sie darin auch | |
ein berechtigtes Interesse Ihres Gegenübers, mehr über Sie zu erfahren? | |
Beides. Ich versuche immer, verständnisvoll zu sein. Besser wäre aber die | |
Frage: Woher kommen deine Eltern? Mit der anderen Frage fühle ich mich aus | |
dem Kreis der Deutschen ausgeschlossen. Implizit hört sich das für mich | |
dann so an: „Du kannst ja gar nicht aus Deutschland kommen, weil du anders | |
aussiehst.“ Ich will mich aber dazugehörig fühlen. Im Sport und im Leben. | |
1 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=H56CF4_vWH8 | |
[2] https://wnbpa.com/wp-content/uploads/2020/01/WNBA-WNBPA-CBA-2020-2027.pdf | |
[3] https://www.instagram.com/sabrina_i/?hl=de | |
[4] https://www.basketball-reference.com/friv/numbers.cgi?number=0 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
## TAGS | |
WNBA | |
Basketball | |
Equal Pay | |
Alba Berlin | |
American Pie | |
American Pie | |
American Pie | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 | |
Black Lives Matter | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Basketball | |
WNBA | |
Basketball | |
Basketball | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Alba Berlin wird weiblich: Flügge werden und fliegen | |
Das Frauenteam von Alba Berlin spielt zum ersten Mal in der höchsten | |
deutschen Basketball-Liga. Dahinter steht mehr als ein schnöder Aufstieg. | |
Deutsche Basketballerin in den USA: Schwester als Gegnerin | |
Basketballerin Nyara Sabally folgt ihrer Schwester in die | |
US-Frauen-Profiliga WNBA. New York Liberty wählt die Deutsche beim Draft | |
als Fünfte aus. | |
Basketballerin Sabally vor den Playoffs: Hoffen auf die Stütze | |
Die Dallas Wings weisen ihre Außenseiterrolle für die Play-offs nach. Die | |
deutsche Basketballerin Satou Sabally ist dennoch zuversichtlich. | |
Saisonsauftakt bei US-Basketballerinnen: Authentisches Engagement | |
Die Basketballerinnen der Profiliga WNBA ziehen immer mehr Aufmerksamkeit | |
auf sich. Dass die sich politisch positionieren, zahlt sich aus. | |
Streetball-Qualifikation für Olympia: Hippe Inszenierung | |
Die deutschen 3x3-Basketballerinnen können sich für die olympische Premiere | |
qualifizieren. Hoffen lässt in Graz die Teilnahme von Satou Sabally. | |
Radikaler Protest der NBA-Basketballer: Auf dem Feld der Konfrontation | |
Der Streik der Basketballprofis in den USA gegen Rassismus entspringt einem | |
wachsenden Machtbewusstsein. Zudem sind viele Akteure selbst betroffen. | |
US-Basketballerin kämpft gegen Rassismus: Gerechtigkeit statt Karriere | |
Gesten gegen Diskriminierung sind der US-Ausnahmespielerin Maya Moore zu | |
wenig. Die Basketballerin pausiert und hilft einem Rassismusopfer vor | |
Gericht. | |
Wiederaufnahme der Basketball-Bundesliga: Rettungsversuch mit offenem Ausgang | |
Am Samstag beginnt das Finalturnier um die deutsche | |
Basketballmeisterschaft. Davon verspricht sich die Liga vor allem eine | |
große Medienpräsenz. | |
Deutsche Spielerinnen im US-Basketball: Amerika, wir kommen! | |
Gleich drei deutsche Basketballerinnen drängen in die US-Liga WNBA. Vor | |
allem Satou Sabally werden gute Chancen eingeräumt. | |
Kolumne American Pie: Profi, suche Nebenjob | |
Weil in der besten Frauen-Basketball-Liga die Gehälter ein Witz sind, | |
spielt die Beste, Breanna Stewart, auch in Russland. Nun ist sie verletzt. | |
Kolumne American Pie: Beinfreiheit für Lulatschinnen | |
In der Frauen-Basketballliga WNBA steht ein harter Arbeitskampf vor der | |
Tür. Es geht um bessere Bezahlung, aber nicht nur. |