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# taz.de -- „Tatort“ aus Köln: Über waidwunde Typen
> Der Kommissar leidet an einer Fata Morgana. Die Küchentischpsychologie
> wird dem Thema psychische Krankheit nicht gerecht.
Bild: Auf dem Schießstand bricht Kommissar Ballauf zusammen, weil er ein Traum…
Ein Ermittler, der sich schnell ins Bad rettet, um sich zu übergeben, als
er die aktuelle Leiche samt Schusswunden sieht. Dann vor Erschöpfung im
Schlafzimmer des Opfers einpennt. Und das nach 23 Jahren TV-Dienst. Ja, in
der Tat: Mit Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) stimmt etwas nicht.
Das liegt an einer alten [1][Kölner „Tatort“]-Folge von Pfingsten 2019
(„Kaputt“ steht bis 27. 6. in der ARD-Mediathek). Ballauf hatte damals eine
Streifenpolizistin erschossen, die ihm jetzt als Fata Morgana erscheint. Im
Schwimmbad in der Umkleide. Auf dem Schießstand. Bis er zusammenbricht.
(Randnotiz: Anna Brüggemann ist sogar als stummer Geist eine Erscheinung.)
Mal so in Nicht-TV-Realität gerechnet: Jetzt, knapp ein Jahr später, wird’s
so langsam mal Zeit, sich drum zu kümmern. Vorbildfunktion, Ballauf,
Vorbildfunktion!
Damit hat der aktuelle Tatort „Gefangen“ aus Köln sein Thema – und seinen
Klumpfuß. Der schwer leidende Ballauf zieht die Aufmerksamkeit auf sich wie
Motten das Licht, Freddy Schenk (Dietmar Bär) rumpelt dazwischen, wiegelt
ab, sein Partner solle sich mal bitteschön nicht so anstellen.
## Eine betuliche Geschichte
Dass diese Konstellation die Folge schwergängig macht, liegt auch am Fall
selbst: Eine junge Frau (wirklich beeindruckend lässig: Frida-Lovisa
Hamann) ist in einer psychiatrischen Klinik, geschlossene Abteilung, ihr
Baby ist bei ihrer Schwester samt Schwager untergekommen. Dann wird der
Chefarzt erschossen. Kurz vorher hat er ebenjenen Schwager angerufen. Und
weil Ballauf emotional so angeschlagen ist und Küchentischpsychologie so
doll als Storygrundlage taugt, sympathisiert er – logo – mit der Frau, die
so jung und blond ist wie die, die er erschossen hat.
Ja, natürlich kann man sagen, das Drehbuch von Christoph Wortberg (für
„Lindenstraßen“-Trauernde: „Frank Dressler“) ist [2][relevant wegen des
Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes]. Oder weil hier wieder –
Mini-Spoiler – Männer entscheiden, dass eine Frau „krank“ ist und
weggesperrt gehört. Und sicher, man kann sich freuen, dass die
Erzählstrategie hier mal wieder ein für Sonntagabendkrimis rares
Verwirrspiel aufmacht. Oder darüber, dass Regisseurin Isa Prahl so gelassen
ist, möglichst viel im Dämmer zu inszenieren (wie in ihrem Kinofilm „1000
Arten, Regen zu beschreiben“).
Aber: puh. Denn was bleibt, ist nur eine betuliche Geschichte über einen
waidwunden Typen. Kauft man hier weder Behrendt noch Ballauf ab. Und dafür
lohnt’s sich dann echt nicht.
17 May 2020
## LINKS
[1] /Koeln-Tatort-Kein-Mitleid-keine-Gnade/!5651749
[2] /Neues-Psychiatriegesetz-in-Bayern/!5496005
## AUTOREN
Anne Haeming
## TAGS
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Psychiatrie
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