# taz.de -- Streit um Thüringer Wölfin: Zwischen Tod und Leben | |
> Die Thüringer Behörden wollen die Wölfin von Ohrdruf abschießen lassen, | |
> Umweltschützer gehen dagegen vor. Nachwuchs könnte die Wölfin retten. | |
Bild: Ein Wolf lebt gefährlich | |
Die Wölfin von Ohrdruf hat es zu einiger Bekanntheit gebracht. Andere Wölfe | |
haben Thüringen bereits durchquert, sie aber blieb. Seit mindestens 2014 | |
lebt sie auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Ohrdruf südlich von | |
Gotha. In Ermangelung eines Artgenossen paarte sie sich 2017 mit einem Hund | |
– und brachte Wolfshybride zur Welt, was sehr selten passiert. Und weil | |
zwei Jahre später immer noch kein echter anderer Wolf zugegen war, paarte | |
sie sich mit ihrem eigenen Sohn. All das sorgte für Schlagzeilen. | |
Damit sich die Haushundgene nicht weiter unter den Wölfen verbreiten, | |
erschoss man die Hybride, soweit man sie erwischte. Die Überlebensfähigkeit | |
der Wölfe würde sonst eingeschränkt, erklärt das Thüringer Ministerium für | |
Umwelt, Energie und Naturschutz. | |
Und auch die Wölfin selbst sollte schließlich getötet werden – weil sie | |
immer wieder Schafe und Ziegen riss. Die Begründung des von den Grünen | |
geführten Ministeriums: Die Wölfin habe „wiederholt den bundesweit | |
empfohlenen optimalen Herdenschutzzaun überwunden“. Die wirtschaftlichen | |
Schäden seien erheblich und drohten weiter anzuwachsen. | |
Im Dezember erteilte das dafür zuständige Amt die Genehmigung zur „letalen | |
Entnahme“, wie es offiziell heißt. Dagegen regte sich Protest: Mehr als | |
10.000 unterstützen bereits die [1][Petition „Gegen den Abschuss der 1. | |
Wölfin Thüringens“], nun muss sich der Landtag damit befassen. Initiatorin | |
Sabine Storch will eine öffentliche Anhörung erreichen. „Es ist ein | |
Paradox, wenn die grüne Umweltministerin ein Programm für mehr Waldwildnis | |
auflegt und gleichzeitig einen Wolf abschießen lassen möchte.“ | |
Auch Nabu und BUND wollen die [2][Tötung der Wölfin nicht hinnehmen]. Im | |
Schutzgebiet Ohrdruf müssten Weidetierhaltung und streng geschützte Arten | |
wie der Wolf zusammengehen, die Schafsherden sollten etwa durch Hunde | |
besser geschützt werden. „Wenn von einer Problemwölfin die Rede ist, dann | |
sagen wir: Es gibt auch Problemschäfer, die nicht wollen, dass Wölfe | |
überhaupt zurückkommen“, sagt Silvester Tamás vom Nabu Thüringen. | |
Zwar räumte auch Burkhard Vogel vom BUND ein: Wenn die Wölfin den | |
Elektrozaun „tatsächlich mehrfach überwunden hat, ist deren Abschuss | |
gerechtfertigt“. Allerdings halte sich seit einiger Zeit auch ein anderer | |
Wolf in der Gegend auf, der das nicht erlernt habe. Den könnten die Jäger | |
aus Versehen erschießen. | |
Die Umweltverbände klagten gegen die Tötungsgenehmigung – und [3][bekamen | |
im Februar vorerst recht]. Der Freistaat legte Beschwerde ein, nun muss das | |
Oberverwaltungsgericht Weimar über die Wolfsfähe GW267f entscheiden. So | |
lange darf erst mal nicht geschossen werden. | |
Gut möglich, dass die Wölfin ihren Widersachern bereits ein Schnippchen | |
geschlagen hat: Offenbar ist sie wieder trächtig oder hat sogar bereits | |
Junge in die Welt gesetzt. Die Aufnahme eines Jägers von Ende April zeige | |
sie „mit sehr gutem Leibesumfang“, wie Tamás vom Nabu berichtet. Damit wä… | |
die Wölfin – zumindest bis zum Herbst – gerettet. Der Vater könnte der Wo… | |
sein, der seit einiger Zeit in der Gegend unterwegs ist. Der Nachwuchs der | |
Wölfin stünde dann erstmals nicht auf der Abschussliste. | |
19 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.openpetition.de/petition/online/gegen-den-abschuss-der-1-woelfi… | |
[2] https://thueringen.nabu.de/news/2020/27507.html | |
[3] http://www.vgge.thueringen.de/webthfj/webthfj.nsf/7C7103088943E827C12585140… | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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