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# taz.de -- Masken und Ausgrenzung: Wir sind aber nicht so!
> Mund und Nase bedecken ist nicht gleich Mund und Nase bedecken. Aber ob
> Verschleierung oder Mundschutz, beides wird rasch zur „Kultur“ erklärt.
Bild: Soldaten der Ehrenkompanie des Österreichischen Bundesheeres am Freitag
Anfang des Jahres kündigte in Österreich die neue Integrationsministerin
[1][Susanne Raab] an, gleich in den ersten 100 Tagen eine
Dokumentationsstelle für politischen Islam und die Ausweitung des
Kopftuchverbots bis 14 Jahre auf den Weg bringen zu wollen. Sogar ein
Kopftuchverbot für Lehrerinnen stellte sie in den Raum. Doch dann kam
Corona und plötzlich hieß es statt Kopftuchverbot Mundschutzgebot. Wer etwa
im Supermarkt und in den öffentlichen Verkehrsmitteln Mund und Nase nicht
bedeckt, dem drohen hierzulande jetzt 25 Euro Strafe.
Hm, Mund und Nase bedecken, da war doch schon einmal was? Am 1. Oktober
2017 trat das [2][Vermummungsverbot in Österreich] in Kraft – ein Verstoß
gegen das Gesichtsverschleierungsgesetz, das auf verschleierte streng
muslimische Frauen abzielte, wurde mit einer Strafe von 150 Euro geahndet.
Vom Vermummungsverbot zum Vermummungsgebot – so schnell kann es gehen, ganz
ohne Islamisierung.
[3][Ende März appellierte Bundeskanzler Sebastian Kurz an die Bevölkerung],
auf Mundschutz zu setzen, machte aber deutlich: „Das ist nicht Teil unserer
Kultur.“ Es geht also nicht ganz ohne Ab- beziehungsweise Ausgrenzung: Ja,
viele Asiaten tragen es schon länger aus hygienischen, einige Musliminnen
aus religiösen Gründen, wir aber sind nicht so wie sie – so der Tenor.
Da macht man so lange Stimmung für ein Verschleierungsverbot, richtet einen
großen Teil seiner politischen Agenda darauf aus, als wäre der Anblick
einer voll verschleierten Frau, von denen es hierzulande nur eine kleine
Anzahl gibt, lebensbedrohlich, und jetzt rettet man in diesem „Aufzug“ auf
einmal Leben? Und während man sich alljährlich über respektlose Musliminnen
und Muslime aufregt, die anderen nicht die Hände schütteln, verzichtet seit
März praktisch die ganze Welt auf den Händedruck und das Abendland steht
trotzdem noch, vielleicht gerade deswegen.
## Hauptsache, bedeckt
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich kann nicht nachvollziehen, wieso sich
Frauen komplett verschleiern, aber wir sehen doch gerade jetzt, dass es die
„westlichen Werte“ nicht gefährdet, wenn man Mund und Nase nicht mehr
sieht. Eine Vollverschleierung schadet den betroffenen Frauen und ihrer
Freiheit, die aber durch ein Verschleierungs- oder Kopftuchverbot noch mehr
eingeschränkt wird. Ein Verbot drängt die betroffenen Frauen lediglich aus
dem öffentlichen Raum. Ein Verbot „dient“ nur uns unverschleierten
Menschen, die wir andere als uns nicht sehen wollen.
Eigentlich absurd, dass die Coronakrise, die die Welt lahmlegt, für
verschleierte Frauen eine sichere Zeit ist, weil sie draußen nicht von
Fremden bespuckt oder bedroht werden. Ihre Bekleidung wird als
Mund-Nasen-Schutz hingenommen. Weltweit schneidern Menschen gerade die
kreativsten Masken, der Optik sind dabei keine Grenzen gesetzt. Solange sie
Mund und Nase bedeckt, wird plötzlich auch die Burka akzeptiert.
11 May 2020
## LINKS
[1] /Regierungsknatsch-in-Oesterreich/!5653675
[2] /Vermummungsverbot-in-Oesterreich/!5448303
[3] /Kurz-verschaerft-Massnahmen/!5675569
## AUTOREN
Melisa Erkurt
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