# taz.de -- Unmut gegen Coronamaßnahmen: Schaum vor der Maske | |
> Die Coronabeschränkungen sind nicht immer durchdacht. Aber eine Diktatur | |
> ist nicht in Sicht – nur die Vernebelung des „gesunden | |
> Menschenverstands“. | |
Bild: Auch in Zukunft wird man wohl noch Masken tragen müssen | |
Der gesunde Menschenverstand (GMV) ist ein Werkzeug, das vergleichsweise | |
gerecht unter den Menschen verteilt ist. Blöderweise ist der GMV aber ein | |
Werkzeug, das sich für Ausnahmesituationen wie die Covid-Pandemie nur | |
begrenzt eignet. Obwohl niemand wirklich wissen konnte, ob es irgendwas | |
bringt, wurde verboten, Freunde, Familie oder Unbekannte zu treffen, in die | |
Schule, in den Park oder auf ein Bier vor die Türe zu gehen, einfach zu | |
machen, worauf man Lust hat. | |
Nur angesichts der Zahlen und Bilder aus China und Italien sprach einem der | |
GMV ins Gewissen: „Na gut, so was muss ja nicht unbedingt sein. Dann bleib | |
halt zu Haus.“ Nicht unwahrscheinlich, dass der Beweis nie erbracht werden | |
wird, ob das Stillstellen der gesamten Welt wirklich nötig gewesen ist. Es | |
gibt nur viele Indizien, die dafür sprechen. | |
Dass man in einer superfragilen Situation wie dieser kurz mal Atemnot | |
kriegte oder einem die Tränen kamen, ist völlig normal. Dass Leute, die die | |
DDR oder Schlimmeres erlebt haben, angesichts von Kampfbegriffen wie | |
„Durchseuchung“, „Ausgangssperre“ oder „unsichtbarer Feind“, angesi… | |
Einschränkungen von Grundrechten und Toilettenpapier- und Hefemangel sich | |
an gruselige Zeiten erinnert fühlten: normal. Dass man sich im Westen an | |
Hollywoodfilme wie „Das siebente Siegel“, „Outbreak“ oder „Contagion�… | |
erinnert fühlte: normal. Dass der GMV jetzt sagt: „Hätte das wirklich sein | |
müssen? Wegen ein paar tausend Toten Millionen Menschen [1][in die Pleite] | |
zu schicken?“: normal. | |
Aber fragen Sie Ihren GMV mal, was denn die Alternative gewesen wäre. | |
Sicher, die überstürzt aufgestellten Ausnahmeregelungen waren so | |
grobschlächtig, dass die Polizei erst mal mit Interpretationsarbeiten | |
beschäftigt war, was den Eindruck verstärkte, hier wisse die eine Hand | |
nicht, wem sie die andere waschen soll. | |
Wäre aber etwas gewonnen gewesen, wenn die Regierung gesagt hätte: „Wir | |
wissen es im Moment leider auch nicht so ganz genau und brauchen noch ’ne | |
Weile, sorry! Wir melden uns, sobald wir mehr sagen können. Bitte haben Sie | |
Geduld und Verständnis dafür, dass in der Zwischenzeit erst mal ein paar | |
Leute über den Jordan gehen werden, bevor wir rausgefunden haben, was zu | |
tun ist.“ | |
Sehr wahrscheinlich hätte das diejenigen, die sich jetzt „für dumm | |
verkauft“, „verarscht“, „bevormundet“ und von [2][einer Diktatur] reg… | |
fühlen, noch viel weniger abgehalten von ihrer abgrundtiefen Verachtung der | |
freien Presse und einer offenen Gesellschaft. Das nämlich würde bedeuten, | |
sich für sein Weltbild aus allen zur Verfügung stehenden Farben aus dem | |
bunten Wasserfarbmalkasten zu bedienen und nicht nur auf die zwei Tuben mit | |
Schwarz und Weiß zu drücken. | |
Ich finde [3][Maske] auch Mist und zweifle an der Wirksamkeit des | |
Stofffetzens. Aber ich schnalle mir lieber etwas Textil vor den Mund, wenn | |
ich dafür selbst entscheiden darf, wen ich wo treffe. Außerdem beruhige ich | |
meinen GMV damit, dass der Mundbeutel mich und andere zumindest vor der | |
zurzeit weit verbreiteten feuchten Aussprache schützt. Die kommt von dem | |
ganzen Schaum vorm Mund, dessen Produktion auf Hochtouren läuft, weil sich | |
gerade alle so furchtbar über alles aufregen müssen. | |
Dabei wissen wir noch gar nicht wirklich, wer seinen Job, seinen Laden, | |
seinen Hausstand oder seinen Verstand verlieren wird. Was wir aber wissen, | |
ist, dass es weder in der Gegenwart noch in naheliegender Zukunft darum | |
gehen wird, eine Diktatur zu bekämpfen. Die gibt es in diesem Land nicht, | |
und außer Rechtsradikalen hat weit und breit niemand die Absicht, eine | |
solche zu errichten. | |
Worum es aber heute und morgen noch viel mehr als gestern gehen wird: die | |
Regaleinräumerin mit dem Profifußballer gleichzusetzen, Abwrackprämien | |
statt Kameraleute anzugreifen und so lange keine Ruhe zu geben, bis es | |
Kaufprämien für Fahrräder, kostenlosen Nahverkehr und Managergehälter für | |
Pflegepersonal gibt. Fragen Sie mal Ihren gesunden Menschenverstand, was | |
der davon hält. | |
9 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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