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# taz.de -- Radsport in der Corona-Pause: Virtuell bergauf – analog bergab
> Virtuelle Rennen bescheren dem Frauenradsport ein nie gekanntes Maß an
> Aufmerksamkeit. Derweil steuern etliche Straßenteams auf eine Pleite zu.
Bild: Anstieg zu einer ausgebremsten Saison: Team Bigla-Katusha trainiert im Fe…
Die Covid-19-Pandemie hat auch emanzipatorische Potenziale.
Gesamtgesellschaftlich stellt zwar das Homeoffice-Regime einen Rückschritt
dar. Denn es bringt Frauen zurück an den Herd, wie es in vergleichbarem
Ausmaß wohl nur nach Ende des Zweiten. Weltkriegs geschah, als die von den
Schlachtfeldern heimgekehrten Männer die Arbeitsplätze in den Fabriken
übernahmen, die zuvor ihre Ehefrauen, Schwestern, Töchter und Mütter
besetzt hatten. Im Profiradsport zumindest sind aber auch positive Signale
zu entdecken. In zahlreichen [1][virtuellen Rennen] gehen Männer und Frauen
gemeinsam an den Start, etwa beim virtuellen Giro d’Italia.
Der geht über sieben Etappen bis zum 9. Mai. Bei den [2][kommentierten
Liveübertragungen] werden Stars des Frauenradsports wie Ex-Weltmeisterin
Lizzie Deignan genauso gefeaturt wie Ex-Toursieger Vincenzo Nibali. Auch
ins Wohnzimmer der kolumbianischen Radsportlerin Liliana Moreno wurde
geschaltet, als sie den virtuellen Anstieg zur legendären Wallfahrtskirche
nach Madonna di Campiglio hinauffuhr. Auch bei der „Tour for All“, einer 5
Etappenfahrt vom 4. bis 8. Mai auf der Plattform Zwift, die bei Eurosport
übertragen wird, starten weibliche und männliche Profis gemeinsam.
„Diese größere Sichtbarkeit tut dem Frauenradsport gut“, meint Ronny Lauk…
Chef des deutschen Profiteams Canyon SRAM und seit mittlerweile einer
Dekade im Frauenradsport als Manager aktiv. „Jeder hat zu Hause ein Fahrrad
und eine Rolle. Das macht es einfacher und auch vergleichbarer. Alle können
zur gleichen Zeit auf die Strecke gehen und gegeneinander fahren.“
Lauke und sein Team gehören zu den Pionieren des Sports an der Rolle. 2016
bereits entwickelten sie die Zwift Academy, einen offenen Wettbewerb auf
der virtuellen Plattform, in den auch Trainingssessions integriert sind.
2017 sprangen die Männer auf. Wer gewann, erhielt einen Profivertrag, die
Frauen bei Laukes Team, die Männer bei Dimension Data.
## Von der Rolle auf die Straße
Während die männlichen Watt-Giganten über Einsätze bei zweit- und
drittklassigen Rennen nicht hinauskamen, setzte Lauke seine
Indoor-Champions auch bei den hochkarätigen Rennen ein. Ella Harris,
Siegerin der Zwift Academy 2019, holte in dieser Saison sogar schon ihren
ersten Profisieg auf der Straße. „Wir haben schon lange an diese Art von
Radsport geglaubt, dass das eine Marktlücke ist und sich entwickeln kann“,
bilanziert Lauke. Er hofft zugleich, dass die virtuelle Gleichberechtigung
auch Auswirkungen auf den Rennkalender auf der Straße hat.
Seine Wünsche werden zumindest zum Teil von den Rennveranstaltern erfüllt.
Der Ausrichter der Klassikerrennen in Flandern gab bekannt, dass er selbst
in dieser durch Corona geschädigten Saison alle seine Rennen auch für die
Frauen ausrichten will: Flandernrundfahrt, Gent-Wevelgem und Omloop Het
Nieuwsblad. Neuer Termin: irgendwann im Oktober.
Lauke bescheinigt auch dem Weltradsportverband UCI und hier besonders der
Generalsekretärin Amina Lanaya tatkräftige Hilfe beim Retten des
Wettkampfkalenders der Frauen. „Ich kann nicht in die Kerbe hauen und
sagen, die UCI tue nichts für die Frauen“, sagte er der taz. Die
Fahrerinnengewerkschaft TCA hatte vor zwei Wochen die UCI dafür
kritisiert, dass diese sich nur auf den Männerkalender konzentrieren würde.
## Düstere Aussichten
Wirtschaftlich indes schaut es düster aus bei vielen Rennställen. CCC,
Hauptsponsor eines Männer- und eines Frauenteams, reduzierte die Zahlungen
drastisch. Bigla und Katusha, Sponsoren des gleichnamigen Frauenrennstalls,
stellten die Zahlungen komplett ein. Das Management startete eine
Crowdfunding-Kampagne. Ziel: 170.000 Schweizer Franken. Nach drei Tagen
kamen magere 4.500 Franken zusammen.
Das Lizenzierungsverfahren der UCI sieht Bankbürgschaften für drei
Monatsgehälter vor; aus diesen Bürgschaften können alle Angestellten
bezahlt werden. Danach wird es eng. Lauke, der auch Sprecher der
Rennstallvereinigung Unio ist, der 22 Rennställe des Frauenradsports
angehören, sagt: „Wir haben eine Umfrage unter den Rennställen gemacht. Die
Hälfte von ihnen befürchtet, dass sie nach Aufhebung der
Reisebeschränkungen nicht mehr das Geld haben für die Reisekosten zu den
Rennen.“ Das Fahrerinnenfeld wäre reduziert, weil das Budget nicht mehr für
Flugtickets und Spritkosten ausreicht.
Herbe Aussichten für den Offlinesport.
1 May 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Tom Mustroph
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