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# taz.de -- Bundestrainer über E-Sport: „Bei schlechtem Wetter radeln mehr“
> Tim Böhme ist digitaler Bundestrainer im Radsport. Er spricht über
> E-Cycling, die anstehende WM und Chancen seines Konzepts für andere
> Sportarten.
Bild: „Aufbau einer neuen Radsportdisziplin“: Cycling Ireland Zwift League …
taz: Herr Böhme, Indoor-Radsport gibt auch Trainern ganz neue
Arbeitsperspektiven. Sie beispielsweise können jetzt von Marokko aus die
Starter*innen bei der WM im Dezember betreuen.
Tim Böhme: Ja, wir leben jetzt seit dreieinhalb Jahren hier, weil meine
Frau für die Entwicklungsbank KfW tätig ist. E-Sports findet im digitalen
Raum statt. Da muss man sich nirgends treffen, um gemeinsam zu fahren. Da
ist es egal, von welchem Ort in der Welt ich mich als der digitale
Bundestrainer einwähle. Die Hauptsache ist, ich habe eine stabile
Internetverbindung.
Nun ist der BDR nicht unbedingt als sehr innovativer Verband bekannt. Wie
kam es zum Aufbau der E-Sports-Sparte?
Alles begann mit einem Projekt des Bundesinstituts für Sportwissenschaft.
Da konnten sich traditionelle Verbände um Förderprogramme bewerben. Dafür
haben wir das Konzept der German Cycling Academy entwickelt. Da ging es um
die Aktivierung des Breitensports und den Aufbau einer neuen
Radsportdisziplin sowie um Talentscouting. Unsere Saison ging von November
2019 bis Februar 2020. Wir haben sie mit einem großen
Talentscouting-Finale im Rahmen der Bahn-WM in Berlin abgeschlossen.
Unmittelbar danach kam Corona, damit der Lockdown und der große Schub für
den virtuellen Radsport auf der smarten Rolle zu Hause, oder?
Wir waren gerade dabei, unseren Abschlussbericht für das Projekt zu
schreiben, als die Rennen draußen abgesagt wurden. Wir haben dann von der
[1][German Cycling Academy] aus eine digitale Bundesliga organisiert und
bieten auch eine Alternative für das Vereinstraining.
Was genau macht die German Cycling Academy?
Wir haben drei Programmpunkte: einen Trainingsworkout, der immer dienstags
stattfindet, mittwochs ein Rennen, bei dem wir den schnellsten Indoorracer
suchen, der sich für die WM im nächsten Jahr qualifiziert, und einen
Breitensport-Trainings-Event am Sonntag. Damit verlängern wir die
Radsportsaison in den digitalen Raum.
Diese Events sind für alle Interessierten offen, ob Neuling,
ambitionierter Amateursportler oder Profi?
Ja, sie sind für alle offen. Am Cup können alle teilnehmen. Ab Januar gibt
es Ligarennen, die nur für Lizenzfahrer sind. Aber da kann man sich auch
eine Tageslizenz lösen.
Das heißt, man loggt sich auf der Plattform [2][Zwift], auf der die German
Cycling läuft, ein und gelangt dann zu Ihnen?
Ja, wir sind im offiziellen Trainings- und Wettkampfkalender von Zwift
gelistet. Man findet den Link aber auch bei uns.
Wie viele Teilnehmer gab es bisher?
Das hängt etwas von der Veranstaltung selbst, der Tageszeit und auch dem
Wetter draußen ab.
Schlechtes Wetter bedeutet also mehr Leute auf der virtuellen Plattform?
Da besteht ein Zusammenhang, ja. Auch abends gibt es mehr Leute. Wir haben
aber einen harten Kern von 150 bis 300 Leuten, die regelmäßig dabei sind.
Das sind etwa zwei Drittel Deutsche, aber es können auch Angehörige anderer
Nationen mitmachen. Es kommen auch viele, die mal sehen wollen, wie die
deutsche Nationalmannschaft trainiert.
Da haben Sie keine Angst vor einem Wissensabfluss? Im Profiradsport draußen
werden Trainingspläne ja oft wie Geheimwissen behandelt.
Das ist eher auf Austauschbasis. Wir sind alles Radfahrer, und wir schauen
ja auch bei anderen Nationen.
Was erwarten Sie von Ihren Fahrer*innen bei der WM?
Es ist schwer zu sagen. Vom Titel bis hin zu nicht mal einem Platz unter
den Top 10 ist alles möglich. Es ist ein 50 Kilometer langer Kurs mit einer
Bergankunft und etwa 500 Höhenmetern. Das ist kein besonders schwerer Kurs.
Man weiß nicht, ob eher ein Sprinter oder eher ein Bergfahrer gewinnen
wird.
Nominiert sind bei Männern und Frauen Straßenprofis und
Nachwuchsfahrer*innen, alle aber von der Straße, sowie mit Jason Osborne
ein Ruderer, der zum Ausgleich aber viel auf der virtuellen Rolle fährt.
Warum kamen keine rein virtuellen Fahrer*innen in den Kader?
Dafür haben wir etwas Kritik in der Szene einstecken müssen. Wir hätten
auch selbst gern rein virtuelle Racer mitgenommen. Aber die Teilnehmer
mussten im Antidopingtestpool sein. Und das trifft eben nur auf Profis und
Elitefahrer zu. Osborne war über das Rudern im Testpool. Perspektivisch
wollen wir aber einen Nationalkader für die virtuellen Rennen aufbauen, und
dazu gehört dann auch die Aufnahme in den Antidopingtestpool.
Wie läuft die WM genau ab?
Jeder sitzt zu Hause auf seinem Rad. Das ist neutralisiert, hat also keine
Vorteile gegenüber anderen. Auch der smarte Trainer ist für alle der
gleiche. Es gibt zwei Effekte, eine Feder, die das Rad leichter macht und
einen Aerohelm, der für bessere Aerodynamik sorgt. Diese Effekte kann man
aber nur für 30 Sekunden einsetzen. Windschatten macht sich vor allem in
der Gruppe bemerkbar. Wer einmal aus einer Gruppe herausfliegt, hat es sehr
schwer, wieder zurückzukommen.
Sind virtuelle Rennen auch Alternativen zu anderen großen olympischen
Sportarten wie etwa Leichtathletik oder Schwimmen?
Das glaube ich nicht. Aber Rudern, Ski alpin, Motorsport und Golf könnten
demnächst virtuell mehr auf sich aufmerksam machen.
23 Nov 2020
## LINKS
[1] https://www.germancyclingacademy.de/
[2] https://www.zwift.com/eu-de
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Schwerpunkt Sport trotz Corona
Radsport
WM
Schwerpunkt Coronavirus
Wasserball
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