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# taz.de -- Petition für Straßenkinder: Sie werden nicht gesehen
> Wer kein Zuhause hat, kann beim Lockdown nicht zu Hause bleiben. Eine
> Petition fordert, Hotels für Straßenkinder zu öffnen.
Bild: Spenden für Menschen ohne Obdach. Kinder und Jugendliche unter ihnen hab…
In Michael Endes Buch ist Momo ein Mädchen, das andere Kinder um sich
schart und den Menschen zuhört. Umgekehrt hören ihr die Erwachsenen nicht
zu, wenn sie erzählt, dass graue Männer ihnen die Zeit stehlen. Diese
Geschichte kennen viele. Die Message: Was Kinder sagen, interessiert
Erwachsene nicht.
Das gilt bis heute, besonders auch für Kinder, die auf der Straße leben.
„Die Gesellschaft sieht sie nicht, will sie nicht sehen“, sagt Florian B.
Er war als Jugendlicher zwei Jahre obdachlos. Heute arbeitet er bei der
Initiative [1][„Momo, the voice of disconnected youth“]. Diese Initiative
ist aus den Bundeskonferenzen der Straßenkinder heraus entstanden; der
[2][Jugendhilfeträger Karuna] koordiniert sie. Straßenkinder sollen so
Einfluss auf Jugendhilfeträger, Politik und öffentliche Meinung nehmen
können. Denn was in der Jugendhilfe falsch läuft, wissen sie oft am besten.
Die Coronakrise trifft die obdachlosen Jugendlichen besonders. Denn viele
Versorgungsstrukturen, wie sie die sozialen Einrichtungen für Obdachlose
bieten, fallen praktisch weg. Gleichzeitig funktionieren auch
Überlebensstrategien von Straßenkindern wie Schnorren oder Flaschensammeln
in menschenleeren Straßen nicht.
Hinzu kommt, dass viele Straßenkinder in der Illegalität leben und sich zum
Schutz in Gruppen zusammenschließen. Seit den Kontaktsperren ist das ein
Problem, zu Hause bleiben ist die Devise. Aber was, wenn man keines hat?
Jugendhilfeeinrichtungen versuchen zwar in die Bresche zu springen, aber
auch die, die geöffnet haben, stehen vor Problemen. In Hamburg wurde gerade
eine Notunterkunft nach einem Coronafall unter Quarantäne gestellt.
## Neue Gesichter auf der Straße
Der Berliner Senat hat Hotels angemietet, um Opfer häuslicher Gewalt
unterzubringen. Das fordert Momo jetzt bundesweit auch für die
Unterbringung von Straßenkindern. Die von der Initiative verfasste Petition
[3][„Straßenkinder vor Corona und sexuellem Missbrauch schützen“] richtet
sich an Jugendfamilienministerin Giffey und andere Verantwortliche. Nach
drei Wochen hat die Forderung mehr als 7.000 Unterschriften; eine
politische Reaktion gab es bisher nicht.
Unter der Petition veröffentlicht Momo Botschaften von Straßenkindern. „Die
Obdachlosenheime sind überfüllt“, sagt ein Jugendlicher. Besser wäre laut
André Neupert, dem Projektleiter des Berliner Momo-Büros, allerdings
sowieso, wenn Straßenkinder getrennt von Erwachsenen untergebracht würden,
da sie oft unter Traumata litten. Sie verließen ihr Zuhause, weil sie dort
Vernachlässigung, sexuellen Missbrauch oder Gewalt erlebt hätten. Jetzt
aber gingen viele Jugendliche Zwangsbeziehungen ein, „nur um ein Dach über
dem Kopf zu haben“, heißt es in der Petition.
Die Bundesfamilienministerin berichtete Anfang April von einem Anstieg der
Anzeigen in Berlin wegen häuslicher Gewalt um 10 Prozent. Neupert sieht die
Auswirkungen schon: „Es gibt jetzt neue Gesichter auf der Straße“, sagt er.
Die nächste Bundeskonferenz der Straßenkinder soll am 19. Mai stattfinden –
digital. Auch Bundesfamilienministerin Giffey wird dabei sein. Die Momos
wollen dann einen direkten Appell an sie richten, Notunterbringungen, aber
auch langfristige Lösungen zu finden. „Es gibt so ein bisschen Bewegung in
unsere Richtung“, sagt Florian, „weil wir lautstark auf uns aufmerksam
machen.“
3 May 2020
## LINKS
[1] https://www.momo-voice.de/
[2] https://cms.karuna-ev.de/
[3] https://www.change.org/p/bundesfamilienministerin-dr-franziska-giffey-stra%…
## AUTOREN
Elin Disse
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Obdachlosigkeit
Kinderrechte
Polizei Bremen
Elke Breitenbach
Hinz&Kunzt
Obdachlosigkeit in Hamburg
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