Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wahlkampf ohne Händeschütteln: Südkorea wählt trotz Virus
> Fiebermessen, Desinfektionsmittel und vorzeitige Stimmabgabe: Diese
> Maßnahmen sollen die Wahl in Südkorea virenfrei halten.
Bild: Präsident Moon bei der Frühwahl am vergangenen Freitag
PEKING taz | In Südkorea sind Wahlkämpfe normalerweise hochemotional: In
Parteifarben gekleidete Kandidaten fahren auf Lieferwagen durch die Straßen
und werfen sich händeschüttelnd in Menschenmengen. Doch jetzt buhlten
Kandidaten um die Gunst des Wahlvolks, indem sie öffentliche Plätze mit
Desinfektionsspray säuberten.
An diesem Mittwoch ist die erste landesweite Wahl im Zeiten von Covid-19.
44 Millionen Wahlberechtigte entscheiden über 300 Abgeordnetensitze. Die
Wahl ist ein wichtiger Indikator für die Beliebtheit des Präsidenten, der
in zwei Jahren wieder zur Wahl steht.
Doch wie lassen sich demokratische Wahlen in Zeiten des Virus sicher
durchführen? Rund 50 Länder haben bereits Wahlgänge verschoben, viele
weitere, darunter die USA, stehen noch vor einer Entscheidung.
Südkoreas Bevölkerung hat sich ihr Recht auf freie Wahlen hart erkämpft: In
den 80er Jahren hing in der Hauptstadt Seoul oft Tränengas in der Luft,
Proteste wurden immer wieder von der Polizei niedergeschlagen. Seit den
ersten freien Wahlen 1987 wurde kein einziger Urnengang verschoben. Auch
das Coronavirus wird daran nichts ändern.
Das Prozedere folgt jetzt strengen Regeln: Außerhalb der Wahlkabinen
stellen freiwillige Helfer sicher, dass die Menschen beim Schlangestehen
einen Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter einhalten.
Vor dem Eingang wird die Körpertemperatur gemessen: Wer Fieber hat, muss in
einer separaten desinfizierten Kabine wählen und danach gleich zum
Virustest. Wer keine Gesichtsmaske trägt, wird gleich abgewiesen.
Vor dem Ankreuzen des Stimmzettels bekommt jeder Plastikhandschuhe
ausgehändigt, Desinfektionsmittel stehen auf den Tischen bereit.
Diejenigen, die derzeit unter heimischer Quarantäne stehen, dürfen erst
nach sechs Uhr abends wählen, wenn die Wahllokale für die Gesamtbevölkerung
bereits geschlossen sind. Für den organisatorischen Mehraufwand hat die
Wahlkommission rund 20.000 Helfer mobilisiert.
Offizieller Wahltag ist zwar der 15. April, doch bereits zuvor konnte die
Stimme abgegeben werden. Entgegen ursprünglicher Befürchtungen haben davon
auch viele Gebrauch gemacht: 26,7 Prozent haben bereits gewählt, mehr als
doppelt so viele wie bei den Frühwahlen der letzten Parlamentswahl 2016.
Das Coronavirus bestimmte bereits den Wahlkampf: Noch vor einem Monat sah
es so aus, als ob die konservativen Oppositionsparteien von der Krise
profitieren könnten. Unerbittlich wiesen sie auf die [1][Fehler im
Krisenmanagement der Regierung] hin; etwa, warum sie keine Einreisesperre
für chinesische Staatsbürger eingeführt hat.
Doch schnell drehte sich der Wind: Die linksliberale Regierung von
Präsident Moon Jae-in heimste mit [2][weitflächigen Virustests] und
aggressivem Aufspüren von Infektionssträngen international viel Lob ein.
Laut jüngsten Vorhersagen steht die Beliebtheit des Präsidenten bei 54,4
Prozent, fast zehn Prozent mehr als noch Ende Februar.
Auch die Statistiken sprechen für ein erfolgreiches Krisenmanagement: Die
täglichen Neuinfektionen sind auf unter 50 gesunken. 10.500 Infizierte
haben die Behörden bestätigt, von ihnen sind drei Viertel geheilt.
Doch konnten viele Auslandskoreaner jetzt nicht wählen. In 51 Ländern
wurden 86 Wahllokale in Botschaften und Konsulaten wegen der
Ansteckungsgefahr geschlossen. „Unter dem Vorwand der Coronakrise wird
eines der wichtigsten demokratischen Grundrechte verletzt“, kritisiert
Nataly Jung-Hwa Han vom unabhängigen Korea Verband in Berlin. Sie fordert
deshalb die Einführung des Briefwahlrechts für im Ausland lebende
Koreanerinnen und Koreaner.
14 Apr 2020
## LINKS
[1] /Ausbreitung-von-Corona-in-Suedkorea/!5668179
[2] /Eine-Alternative-zur-Abriegelung/!5671472
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Südkorea
Schwerpunkt Coronavirus
Parlamentswahl
Moon Jae In
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Klimawandel
Filmfestival Cannes
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wahlen in Südkorea: Vorbild für die USA
Der Sieger bei den Parteiwahlen in Südkorea ist das Wahlvolk selbst. Trotz
Pandemie gingen rund 66 Prozent der WählerInnen zu den Urnen.
Südkoreas Parlamentswahl: Corona verhilft zu Erdrutschsieg
Südkoreas Regierungspartei war auf dem absteigenden Ast. Dann hat sie die
Corona-Pandemie erfolgreich bekämpft – und eine Trendwende erlebt.
Kampf gegen Corona: Was wir von Südkorea lernen können
In Seoul gab es weder einen Lockdown noch Ausgangssperren. Dennoch blieb
die 10-Millionen-Stadt von Covid-19 weitgehend verschont.
Klimaproteste in Südkorea: Aufmüpfig, aber sachte
In Ostasien spielte die Fridays-for-Future-Bewegung bislang keine
nennenswerte Rolle. In Südkorea ändert sich das gerade.
„Parasite“ bester Film bei Oscars 2020: Bong räumt bei Oscars ab
Als erster nicht englischsprachiger Film gewinnt das Drama „Parasite“ den
Oscar als „Bester Film“. Regisseur Bong Joon-ho bleibt bescheiden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.