# taz.de -- Geschlechter in einem Tennis-Verband: Alles Roger! | |
> Tennisikone Roger Federer bringt unerwartet eine alte Idee wieder ins | |
> Spiel: einen gemeinsamen Verband für Männer und Frauen. Wäre das wirklich | |
> gut? | |
Bild: Roger Federer hat schon mal aufgelegt, seine Mixed-Partnerin Belinda Benc… | |
Roger Federer leitete das Gedankenspiel auf Twitter mit einer eher | |
rhetorisch zu verstehenden Frage ein: „Bin ich der Einzige, der findet, | |
dass es jetzt an der Zeit ist für Frauen- und Männer-Tennis, sich zu | |
vereinigen und zusammenzukommen?“ Der Schweizer führte aus, dass es ihm | |
nicht um eine Vereinigung auf dem Platz gehe, sondern um eine | |
Zusammenführung der beiden Organisationen WTA, die seit 1973 im Tennis die | |
weiblichen Profi-Spielerinnen repräsentiert, und ATP, das 1972 gegründete | |
Gegenstück der Männer. | |
„Es sind aktuell schwere Zeiten für alle Sportarten, und wir können aus der | |
Sache als zwei geschwächte Körper oder als ein gestärkter Körper | |
herauskommen“, so Federer. Bislang organisieren ATP und WTA separate | |
Touren, nehmen aber auch an einigen gemeinsam vermarkteten Turnieren wie | |
etwa den Grand-Slam-Turnieren teil. | |
Der Gedanke einer Zusammenführung stammt freilich nicht ursprünglich aus | |
Federers Tastatur. Er steht seit Jahrzehnten immer mal wieder im Raum, | |
bisher hatten aber vor allem die Männer kein Interesse. WTA-Mitbegründerin | |
und [1][Emanzipationskämpferin Billie Jean King] schrieb nun: „Eine Stimme, | |
Frauen und Männer zusammen, das ist schon lange meine Vision. Die WTA | |
allein war immer mein Plan B.“ | |
Noch 2018 sagte King laut einem Sport1-Bericht, die ATP wolle „uns immer | |
noch nicht, aber vielleicht eines Tages – ich weiß nicht, ob es vor oder | |
nach meinem Tod passiert.“ Denkbar, dass nun auch der ökonomische Druck | |
durch die Pandemie in den vergangenen Wochen eine Zusammenführung | |
finanziell attraktiver gemacht hat. Allerdings hatten sich die beiden | |
Organisationen schon länger schrittweise angenähert, die Zahl gemeinsamer | |
Veranstaltungen stieg. | |
## Sehr unterschiedliche Reaktionen | |
Vor allem bei vielen Spielerinnen rief Federers Post rege Zustimmung und | |
eine gewisse Erleichterung hervor. Unterstützung gab es etwa von Simona | |
Halep, Petra Kvitová, Belinda Bencic und Garbiñe Muguruza, vor allem aber | |
von King, die in einem Interview sagte: „Das wäre so eine große Sache für | |
unseren Sport. Ich bin so glücklich, dass Roger etwas gesagt hat.“ Das | |
Meinungsspektrum der männlichen Athleten zu Federers Vorstoß war in den | |
letzten Tagen recht breit. | |
Der bislang nicht als Befürworter aufgefallene Rafael Nadal schrieb, er sei | |
„vollkommen einer Meinung“ mit Federer, ATP-Boss Andrea Gaudenzi sprach | |
sich zumindest für engere Kooperation und mehr gemeinsame Events aus. | |
Kritisch äußerten sich unter anderem der Australier Nick Kyrgios und | |
[2][DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff]. Ex-Spielerin und | |
Eurosport-Moderatorin Barbara Schett verkündete bezeichnenderweise: „Die | |
Idee muss von Roger Federer kommen. Hätte es eine Frau vorgeschlagen, wären | |
die kritischen Stimmen bestimmt lauter.“ | |
Eine Vereinigung von WTA und ATP wäre ein historisch beinahe schon | |
erwartbarer Fall. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts, aber vermehrt ab den | |
siebziger Jahren gründeten Frauen von England über Chile bis Kenia eigene | |
Sportverbände nach dem Prinzip der WTA, um gegen Diskriminierung, ungleiche | |
Bezahlung oder gleich den völligen Ausschluss durch männerdominierte | |
Verbände anzukämpfen. | |
Die meisten von ihnen aber schlossen sich irgendwann (manchmal auch | |
erzwungenermaßen) mit dem Männerverband zusammen. Eine solche Vereinigung | |
ist für Frauen ambivalent; sie bietet den Vorteil zumeist größerer | |
Ressourcen und professionellerer Strukturen, aber führte in vielen Fällen | |
dazu, dass die ehemals selbstbewussten Verbände nur noch Anhängsel einer | |
weiterhin männerdominierten Organisation waren, die die Frauenabteilung | |
verkommen ließ. | |
Die WTA hat einen prinzipiell stärkeren Stand, Verteilungskonflikte aber | |
drohen auch hier. Im Jahr 2019 nahm die ATP fast 150 Millionen Dollar ein, | |
die WTA angeblich nur rund halb so viel. Und nach einer Recherche der New | |
York Times verdienen die Top 100 auf der WTA-Tour rund 80 Prozent von dem, | |
was die Top-100-Männer auf der ATP-Tour erhalten können. | |
„Spieler werden sich fragen, verliere ich jetzt Geld an die Frauen?“, | |
mutmaßt DTB-Mann Dirk Hordorff und entwirft damit ein Szenario der | |
höchstmöglichen Erniedrigung im Falle einer Vereinigung. Sie könnte aber | |
ebenso einen historischen Schritt zu einer Egalisierung der | |
Geschlechterverhältnisse und eines umfassenderen Equal Pay bringen. Ob und | |
wie das passiert, bleibt offen. Einer der zentralen Anreize könnte für | |
beide darin bestehen, mit gemeinsamer Vermarktung und gemeinsamen | |
Plattformen nach der Krise mehr Geld zu verdienen. | |
27 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Equal-Pay-im-Sport/!5451137 | |
[2] https://www.eurosport.de/tennis/roger-federer-plan-stosst-bei-dtb-vizeprasi… | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
## TAGS | |
Tennis | |
Roger Federer | |
Frauen | |
Australian Open | |
Kolumne Press-Schlag | |
Schwerpunkt Sport trotz Corona | |
Tennis | |
Kolumne Frühsport | |
Tennis | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zukunft des Tennis-Business: Die Mischung soll’s machen | |
Das Mixed im Tennis soll aufgewertet werden. Bei den US Open wird es neue | |
Regeln geben – und mehr Preisgeld. | |
Equal Pay der US-Fußballerinnen: Zeit für neue Ikonen | |
Die US-Spielerinnen haben gleiche Bezahlung erreicht. Gut so. Der extreme | |
mediale Erfolg ihres Kampfes ist aber auch imperial begründet. | |
Tennis nach Corona: Folgenschwere Tour | |
Nach der Covid-19-Diagnose bei Novak Djokovic steigen Bedenken gegen eine | |
Austragung der US Open. Seine Turnierserie endete im Desaster. | |
Rasentennis-Turnier in Berlin verschoben: Harter Rückschlag | |
Die Premiere des Tennisturniers auf Rasen in Berlin kann allenfalls | |
verspätet stattfinden. Sicher scheint nur, dass künftig weniger Geld da | |
ist. | |
Klebriger Sportjournalismus: Sehnsucht nach Nähe | |
Am Sonntag feiert Tennisspielerin Andrea Petkovic ihr Debüt als | |
ZDF-Sportmoderatorin. Es folgt der Überzeugung, Journalismus bräuchte keine | |
Distanz. | |
Afroamerikanische US-Open-Siegerin: Königin in Weiß | |
Althea Gibson war die erste afroamerikanische US-Open-Siegerin. Eine | |
Skulptur in Flushing Meadows erinnert nun an sie. |