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# taz.de -- Pressefreiheit in Spanien: Die Lotterie
> Seit Anfang April wird in Spanien das Recht, bei einer Pressekonferenz
> eine Frage zu stellen, verlost. Kleinere Publikationen freuen sich
> darüber.
Bild: Pressekonferenzen, wie hier mit Sánchez, finden seit der Coronakrise nur…
Madrid taz | Die Journalisten in Spanien verfolgen jeden Morgen mit
Interesse eine ganz besondere „Lotterie“. Das Sekretariat für Kommunikation
[1][der sozialistisch-linksalternativen Koalitionsregierung] unter
Ministerpräsident Pedro Sánchez verlost seit Anfang April das Recht, auf
den Pressekonferenzen Fragen zu stellen. Dazu wurden in einem WhatsApp-Chat
mehrere Listen erstellt.
Neben den Medien, die von jeher für die Pressekonferenzen nach den
Kabinettssitzungen akkreditiert sind, gibt es eine weitere für andere
spanische und internationale Medien. In beiden Gruppen werden jeweils fünf
Wortmeldungen ausgelost. Wer Glück hat, wird per Video zur Pressekonferenz
zugeschaltet. Das Verfahren ist das Ergebnis einer längeren
Auseinandersetzung um Transparenz und [2][Information in Zeiten der
Coronakrise.]
Über 400 Journalisten hatten nach den ersten Tagen des
Corona-Ausnahmezustands ein Manifest mit dem Titel „Die Freiheit, zu
fragen“ unterzeichnet. Sie kritisierten darin den Ablauf der
Pressekonferenzen, die nur noch online stattfinden können. Der
Staatssekretär für Kommunikation, Miguel Angel Oliver, hatte eine Gruppe
auf dem Nachrichtendienst WhatsApp mit mittlerweile rund 160 lokalen,
regionalen, nationalen sowie internationale Medien ins Leben gerufen. Alle
schickten ihre Fragen vor dem Auftritt der Regierungsmitglieder. Oliver
wählte aus, las vor; der jeweilige Politiker antwortete.
„Dass ein Mitglied der Regierung die Fragen an die Regierung auswählt, ist
völlig inakzeptabel“, sagt Juan Fernández Miranda, Chef der
Inlandsredaktion der ältesten spanischen Tageszeitung ABC und einer der
Initiatoren des Manifests. Das sei eine „neue Form der Zensur“ gewesen.
„[3][In Krisenzeiten ist das Recht auf Information] wichtiger denn je“,
sagt Fernández Miranda. Neben Hunderten Kollegen wurde das Protestschreiben
auch vom eher konservativen Madrider Presseverband (APM) und dem
überregionalen Zusammenschluss der Presseverbände FAPE unterstützt. Die
konservative Opposition stellte sich hinter die Journalisten, verschwieg
dabei allerdings, dass dort, wo sie auf regionaler Ebene regiert, wie etwa
in Madrid, so gut wie gar keine Pressekonferenzen mehr stattfinden.
„Die Regierung hat reagiert und das Verfahren angepasst“, erklärt Fernánd…
Miranda. Doch wirklich zufrieden ist er immer noch nicht. „Die
Pressekonferenz wurde für so viele Medien geöffnet, dass die Journalisten,
die von jeher die Regierungsarbeit beobachten und deshalb viel eher in der
Lage sind, unbequeme Fragen zu stellen, nur wenig zu Wort kommen“, sagt er.
## Konkurrenzdenken
Irene Castro von der wichtigsten Onlinezeitung Spaniens, eldiario.es, ist
nicht ganz so kritisch: „Auch wenn das System sicher nicht perfekt ist,
können wir jetzt live fragen“, sagt sie. Doch auch sie stört, dass „die 69
Medien, die bereits vor der Krise die Regierung beobachteten, die gleiche
Möglichkeit haben wie kleine Publikationen, die kaum Verbreitung finden“.
Für die Journalistin der Nachrichtenseite, die hauptsächlich von
Unterstützern und Abonnenten von Premiuminhalten lebt, ist das „bis zu
einem gewissen Grad eine Dysfunktion“.
Das Webmagazin La Mar de Onuba, das sich vor allem um Arbeitsbedingungen
der Migranten in der südspanischen Landwirtschaft und um Menschenrechte
kümmert, ist eine dieser kleinen Publikationen. „Ich verstehe schon, dass
die Großen unzufrieden sind“, sagt dessen Chef Pedro Echevarría. Doch die
kleinen Medien seien „eindeutig eine „Bereicherung“. Echevarría kam bish…
zweimal zu Wort. Er fragte zur Lage der Immigranten, die ungeschützt auf
den Feldern arbeiten, viele von ihnen ohne Aufenthalts- und
Arbeitsgenehmigung.
„Wir stellen Fragen, die sonst keiner stellt“, verteidigt auch Magda
Bandera von der Monatszeitschrift La Marea die Teilnahme der Kleinen. Im
Falle von La Marea, einem Genossenschaftsprojekt, war es eine Frage zur den
Übergriffen der Polizei bei den Kontrollen der Ausgangssperre. „Die
Mainstreammedien wollen nicht verstehen, dass gerade in einer Krise solche
Fragen wichtig sind“, sagt Bandera und wirft den großen Zeitungen und
Radiosendern vor, allzu oft eine politische Agenda zu verfolgen, statt die
Bürger informieren zu wollen.
„Und dann kommt noch hinzu, dass wir in gewissem Maße eine Konkurrenz
darstellen“, sagt Bandera. „Die Krise hat die großen Zeitungen in einem
Wandel ihres Geschäftsmodells getroffen. Sie haben immer weniger Werbung
und versuchen, eine Art Gemeinschaft aufzubauen, per Online-Abos,
Bezahlinhalten et cetera Da sind wir den Großen ein ganzes Stück voraus.“
27 Apr 2020
## LINKS
[1] /Pressefreiheit-in-Spanien/!5666102
[2] /Spaniens-Gesellschaft-in-der-Coronakrise/!5675239
[3] /Pressearbeit-in-Corona-Krise/!5678467
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Spanien
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Bedingungsloses Grundeinkommen
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