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# taz.de -- Berlin führt Maskenpflicht ein: Ein Wir-Symbol mit Tücken
> Senat führt Maskenpflicht ein: Ab Montag muss man eine tragen – aber erst
> mal nur in Bahn, Tram und Bus. Nicht beim Einkaufen. Ein Wochenkommentar.
Bild: Schon jetzt oft in der U-Bahn zu sehen: dieser Mundschutz ist nicht selbs…
Berlin taz | So wird das nichts mit der Maske als It-Piece dieses Sommers,
wie manche es schon prophezeit hatten. Eine Maskenpflicht hat der Senat am
Dienstag zwar verkündet: Aber nur für Fahrten in Bussen und Bahnen.
Wie bitte? Was soll das denn bringen? Wenn die Masken überhaupt nützen, was
offenbar nur der Fall ist, wenn sie von Corona-Infizierten getragen werden,
die andere mit dem Speichelschutz vor Ansteckung bewahren können. Und auch
das nur ein bisschen, ganz abhängig von der Qualität der Maske, die laut
Senat aber auch durch ein vor den Mund gezogenes Tuch ersetzt werden kann.
So viel Halbherzigkeit hätte man von Rot-Rot-Grün nicht erwartet, nachdem
doch andere Maßnahmen wie Kontaktsperren und Aufenthaltsbestimmungen
erheblich brachialer angesetzt wurden. Soll man sich darüber aber jetzt
freuen? Nein.
2 Euro kostet ein papierener Einmalmundschutz in der Discountapotheke. Der
Preis für eine BVG-Fahrt erhöht sich damit mal eben um knapp 70 Prozent. 4
Euro mehr am Tag für die, die mit Öffentlichen zur Arbeit und zurück fahren
– 80 Euro im Monat bei einem Fulltimejob (ja, die gibt es noch).
## Warum in den Öffis?
Das mag die brachliegende Wirtschaft ankurbeln – doch es ist kaum zu
erwarten (weil für viele gar nicht zu bezahlen), dass die Masken
tatsächlich von allen nur einmal benutzt werden. Und dann bringen sie
ebenso wenig wie die Selbstgenähten, die wohl auch kaum von jedermann nach
einmaligem Tragen mit Gummihandschuhen ausgezogen und bei 90 Grad gewaschen
werden. Der Schutz wird so zur Bazillen- und eventuell Virenschleuder.
Außerdem: Warum in den Öffis? In der U-Bahn hat man dieser Tage einen Wagen
gern mal für sich allein. Gern im Doppelsinn: Zunehmend haben Frauen Angst
im ÖPNV gerade nachts und abends. Zu wenig Leute unterwegs, mehr blöde
Anmache und keiner, der helfen könnte, wie eine Reporterin der
RBB-„Abendschau“ kürzlich klagte. Ist der Belästiger künftig maskiert,
wird’s noch bedrohlicher.
Im Supermarkt dagegen, wo der eine nicht warten mag, bis der andere die
schönsten Tomaten aus dem Körbchen gesucht hat und ihm deshalb dabei
beherzt über die Schulter greift, darf weiter ungeschützt ausgeatmet werden
– auf Kunden wie auf Tomaten. Glaubt der Senat gar selbst nicht an die
Schutzwirkung? Oder ist die halbherzige Maskenpflicht nur ein erster
Schritt?
Denn eigentlich ist die Maske ja doch schon ein It-Piece geworden: ein
sichtbares Symbol der Coronakrise, das ein derzeit plötzlich gern
beschworenes „wir“ bestärkt: Wir tragen Maske, wir sind solidarisch, wir
halten zusammen.
Doch darin steckt auch das Gegenteil: Ausgrenzung. Trägt einer keine Maske,
ist er unsolidarisch, asozial, ein Gefährder und möge sich schämen. Der aus
der Kindererziehung oder der Einschüchterung sexuell angegriffener Mädchen
und Frauen in den vergangenen Jahrzehnten erfreulicherweise nahezu
eliminierte Begriff der Scham hat – nicht erst seit Corona – wieder
Konjunktur.
Scham aber entwickelt keine Gemeinschaft, sie erzwingt sie. Man will nicht
dazugehören: Man muss. Das ist keine rechtliche Freiheitsbeschränkung,
sondern eine psychologische.
25 Apr 2020
## AUTOREN
Alke Wierth
## TAGS
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