# taz.de -- Auswege aus dem Corona-Shutdown: Kein Ende in Sicht | |
> Forscher fordern, dass hochautomatisierte Fabriken den Betrieb wieder | |
> aufnehmen sollen. Damit ist der Industrie aber noch lange nicht geholfen. | |
Bild: Fertigungsroboter in der Autoindustrie | |
BERLIN taz | Noch will niemand in der Bundesregierung über ein Ende des | |
Lockdowns reden – zumindest offiziell nicht. [1][Doch hinter den Kulissen | |
laufen die Debatten über eine schrittweise Rückkehr zur Normalität längst | |
auf Hochtouren.] | |
Vor allem die Wirtschaft steht unter Druck. Allein der Einzelhandel im | |
No-Food-Bereich verliert mit jedem Tag Schließung über eine Milliarde Euro, | |
in der Woche summiert sich der Verlust auf sieben Milliarden Euro. Sollte | |
sich der Shutdown über zwei Monate hinziehen, würden dies die meisten | |
Geschäfte nicht überstehen, warnte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des | |
Handelsverbands Deutschland (HDE). | |
Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel forderte am Dienstag im | |
[2][Deutschlandfunk], dass alle Geschäfte wieder öffnen dürfen. „Ich habe | |
nicht ganz so viel Verständnis dafür, dass man einen Supermarkt aufmachen | |
kann und eine Boutique nicht“, sagte der SPD-Politiker. | |
Die führenden Forschungsinstitute rechnen in diesem Jahr denn auch mit | |
einer schweren Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde | |
voraussichtlich um 4,2 Prozent einbrechen, heißt es vorab. Die | |
Gemeinschaftsdiagnose soll am Mittwoch offiziell vorgestellt werden. Nicht | |
zuletzt auch aus diesem Grund hat sich auch der Virologe Alexander Kekulé | |
aus Halle für eine baldige Lockerung ausgesprochen. [3][Es sei „keine | |
Option, Europa ein Jahr lang oder auch nur sechs Monate im Lockdown zu | |
halten“, sagte Kekulé der Zeit.] „In drei bis vier Wochen könnte man | |
beginnen zu öffnen. Bis dahin brauchen wir eine Strategie.“ | |
## Experten: Einzelne Regionen sollen vorangehen | |
Genau einen solchen Plan haben Forscher des Münchner Ifo Instituts um | |
Präsident Clemens Fuest zusammen mit Medizinern der Gesellschaft Deutscher | |
Naturforscher und Ärzte (GDNA) bereits ausgearbeitet. Sie schlagen vor, | |
dass zuerst Sektoren mit geringer Ansteckungsgefahr wie hochautomatisierte | |
Fabriken wieder den Betrieb aufnehmen. Aufgehoben sollen die Beschränkungen | |
vor allem in all jenen Branchen, die hohe wirtschaftliche Kosten | |
verursachen. Sektoren, wo Mitarbeiter auch gut zu Hause arbeiten könnten, | |
sollen hingegen weniger Priorität haben. | |
Zudem schlagen die Experten vor, dass Regionen mit niedrigen | |
Infektionsraten beim allmählichen Neubeginn vorangehen können. Das Gleiche | |
könne für Gegenden gelten, wo bereits viele Menschen eine Immunität gegen | |
das Virus gebildet hätten. Das Positionspapier wurde von insgesamt 14 | |
Wissenschaftlern deutscher Universitäten und Forschungsinstitute verfasst. | |
„Weil wir damit rechnen müssen, dass die Pandemie uns noch viele Monate | |
beschäftigt und letztlich nur unser Immunsystem uns schützen kann, brauchen | |
wir eine flexible, nach Risiken gestaffelte Strategie, fordert | |
GDNÄ-Präsident Martin Lohse. Ein genereller Shutdown sei „keine | |
langfristige Lösung“. | |
## Industrie hat noch andere Probleme | |
Für einen schrittweisen Neustart des öffentlichen Lebens bereits nach den | |
Osterferien spricht sich der Direktor des Instituts der Deutschen | |
Wirtschaft (IW), Michael Hüther, aus. Er rechnet damit, dass ab Anfang Mai | |
wieder ein geordnetes Leben beginnen könne. Insbesondere die Schulen | |
müssten wieder geöffnet werden, damit die Beschäftigten ihrer Arbeit | |
nachgehen könnten. | |
Doch ob der Industrie damit wirklich geholfen ist? Ihr Problem sind gar | |
nicht die Beschränkungen – es gibt sie für sie in Deutschland gar nicht. | |
„In der Industrie ist die Entscheidung über die Produktion grundsätzlich | |
den Unternehmen überlassen“, sagte ein Sprecher des | |
Bundeswirtschaftsministeriums. Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie sind | |
Sache der Länder. Unternehmen müssten lediglich die Sicherheitshinweise des | |
Robert-Kochs-Instituts beachten, etwa den Sicherheitsabstand. | |
## Nachfrage und Zulieferer fehlen | |
Schwer getroffen sind die Automobilindustrie, der Maschinenbau oder | |
Haushaltsgerätehersteller aber trotzdem. Ihre beiden größten Probleme: Die | |
Lieferketten sind unter- und ihre Absatzmärkte weggebrochen. Wann die | |
Unternehmen die Produktion wiederaufnehmen, hängt davon ab, wann die | |
Nachfrage und das Angebot an Zulieferungen wieder in Gang kommen. „Wann das | |
der Fall ist, wird individuell von Unternehmen abhängen“, heißt es aus dem | |
Bundeswirtschaftsunternehmen. „Das lässt sich nicht über einen Kamm | |
scheren.“ | |
Allerdings hängt die Herstellung bestimmter Produkte wie Waschmaschinen | |
oder Kühlschränke durchaus an politischen Entscheidungen für ein Ende des | |
Shut down ab. Denn solange die Läden geschlossen sind, finden etwa | |
Haushaltsgeräte kaum AbnehmerInnen. | |
Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) | |
unter 15.000 Unternehmen sehen über alle Branchen hinweg 43,5 Prozent aller | |
Unternehmen im „Stillstand der Geschäftstätigkeit komplett oder zu großen | |
Teilen“ ihr derzeit größtes Problem. Von den Industriebetrieben sind es mit | |
26 Prozent vergleichsweise wenig. „Wir können im Wochentakt messen, wie | |
sich die wirtschaftliche Lage vieler Betriebe verschlechtert“, sagte | |
DIHK-Präsident Eric Schweitzer. | |
Das Verständnis für den Shutdown sei in der Wirtschaft groß. „Um aber | |
rechtzeitig in einen anderen Modus umschalten zu können, brauchen die | |
Unternehmen möglichst bald klare Kriterien dafür, wie sie künftig – | |
jenseits der konkreten Terminfrage – ihre Geschäftstätigkeit an die höheren | |
Vorgaben des Gesundheitsschutzes anpassen können“, sagte Schweizer. „Es | |
darf kein Dauerzustand werden, dass sonntags verkündet wird, was ab Montag | |
gilt.“ | |
7 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Exit-aus-Corona-Lockdown/!5672804/ | |
[2] https://www.deutschlandfunk.de/corona-massnahmen-welche-gefahren-hat-es-wen… | |
[3] https://www.zeit.de/2020/15/coronavirus-deutschland-finanzkrise-alexander-k… | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
Anja Krüger | |
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