| # taz.de -- Nachruf auf Bill Withers: Pfeifen, wenn's am schönsten ist | |
| > Ein begnadeter Dramaturg seiner Songs: Der große US-Soulsänger und | |
| > Songwriter Bill Withers ist am Freitag gestorben. Er wurde 81 Jahre alt. | |
| Bild: Withers Stimme klang cool, er konnte sich zurücknehmen, er konnte einfac… | |
| Wieso kuckt der Typ so dämlich? Kennst Du ihn näher? Fragen über Fragen. | |
| Wo, wenn nicht in einem Popsong sind Fragen über Fragen erlaubt! Besonders, | |
| weil „Who is he (And what is he to you)?“ das Eifersuchtslied mit dem | |
| abgezocktesten Groove der Welt ist. Gesungen hat es der US-Sänger Bill | |
| Withers 1972 mit einer Verve, die die ganze Niedertracht von Eifersucht, | |
| den Tumult zwischen Misstrauen und Paranoia zwar nicht tilgt, aber doch ein | |
| stückweit auf Abstand hält. Und Abstand halten, ist – da wird jetzt nicht | |
| zu viel verraten – das Gebot der einfach nicht vergehen wollenden Stunde. | |
| Bill Withers wurde 1938 als eines von sechs Kindern einer Familie in dem | |
| Kaff Slab Fork im US-Bundestaat West Virginia geboren. Obwohl er im | |
| Kirchenchor gesungen hatte, war ihm Musik nicht gerade in die Wiege gelegt. | |
| Wie viele AfroamerikanerInnen konnte er der Armut entfliehen, indem er sich | |
| zur US-Army meldete. Als Mechaniker kam er bei die Navy unter und blieb | |
| neun Jahre. 1964 fand er eine Anstellung beim Flugzeugkonzern Boeing und | |
| zog an die Westküste. | |
| Um der Eintönigkeit am Fließband etwas entgegenzusetzen, begann er, Songs | |
| zu komponieren, relativ simple, aber umso eingängigere Nummern, gesungen | |
| mit seiner markanten Stimme, die längst nicht so cholerisch klang wie die | |
| von James Brown, weniger überschwänglich war wie die von Wilson Pickett. | |
| Withers Stimme klang cool, er konnte sich zurücknehmen, er konnte einfach | |
| pfeifen wie in dem Song „Kissing my Love“, einem uptempo Funk, dessen | |
| Gesang erst den Breakbeat der Drums mitnimmt, dann den Schwung des | |
| Wah-Wah-Pedals der Gitarre und nach dem Kuss einfach nur verzückt zu | |
| pfeifen anfängt. Withers war ein begnadeter Dramaturg seiner Songs. | |
| Er konnte sich allerdings auch allein mit einer Gitarre auf die Bühne | |
| stellen und Folksongs spielen, die dann aber nicht klangen wie Folksongs, | |
| sondern wie super präzise Soulsongs mit Funkschlagseite, gesungen von Bill | |
| Withers mit der markanten Stimme. | |
| ## Keine Skandale, keine Drogen, kein Twitterfeed, null | |
| 1971, als sein Debütalbum „Just as I am“ veröffentlicht wurde, glühte die | |
| Sturm-und-Drangzeit von Black Power bereits wieder ab. Das erwachende | |
| Selbstbewusstsein der Schwarzen war angesichts der Wirtschaftskrise daheim | |
| und dem Vietnamkrieg in der Ferne Ernüchterung gewichen. Withers zog sich | |
| im Blues ins Private zurück, blieb dabei aber selbstbewusst: „Ain’t no | |
| Sunshine“ wurde sein erster Welthit, ein tieftrauriger, noch entfernt an | |
| Blues erinnernder Song, der sich vom Beat punktgenau nach vorne tragen | |
| lässt und dabei ein simples Gefühl mit Leichtigkeit besingt: Sehnsucht nach | |
| Nähe. | |
| Hits gab es in Withers Karriere genauso wie Misses. Wenn die Hits | |
| purzelten, kam es dann aber dicke – wie in dem Ultra-Schmilzer „Just the | |
| two of us“ (1981), der die Schwelle zwischen Wohn- und Schlafzimmer in | |
| einer Art Sänfte aus reiner Seide überbrückt. Das Saxofonsolo und der | |
| geslappte Bass machen selbst einen zugeklappten Samsonite-Koffer auf. | |
| Es gibt noch so einiges, was man Bill Withers auf ewig anrechnen muss. | |
| Etwa, dass er sich mit Anstand aus seiner Starkarriere zurückgezogen hat, | |
| keine Skandale, keine Drogen, kein Twitterfeed, null, niente. Er hat | |
| einfach nur aufgehört als es am schönsten war. Mitten in all dem Wahnsinn | |
| in und um Corona ist er jetzt auch noch gestorben mit 81 Jahren an einem | |
| Herzinfarkt. Kinder, die Welt wird ärmer. | |
| 3 Apr 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Julian Weber | |
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