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# taz.de -- China produziert wieder: Dem Rest der Welt Wochen voraus
> Der Normalzustand rückt näher: Deutsche Unternehmen profitieren von ihrer
> Präsenz in China und der graduellen Öffnung der Wirtschaft.
Bild: Bei Dongfeng Honda in Wuhan wird nach dem Lockdown schon wieder produziert
Peking taz | Vom Ausbruch des [1][Coronavirus] in China war das
mittelständische Unternehmen EBM-Papst unmittelbar betroffen. Der
baden-württembergische Hersteller für Ventilatoren und Elektromotoren
unterhält schließlich drei Werke in der Volksrepublik. „Professionelle
Klimaanlagen konnten wir im Februar zum Teil hier nicht ausliefern, da ist
unser Werk in Deutschland eingesprungen“, sagt Thomas Nürnberger, der die
China-Geschäfte von [2][EBM-Papst] leitet. Mittlerweile habe sich das Blatt
jedoch gewendet: „Jetzt sind die Fabriken in Deutschland durch gefährdete
Zulieferketten beeinträchtigt, und wir verschieben zunehmend Aufträge nach
China, um eine kontinuierliche Fertigung zu gewährleisten.“ Man gehe davon
aus, die nächsten Monate nirgendwo anders zuverlässiger produzieren zu
können als in China.
Denn bei der Bekämpfung des Virus ist Peking dem Rest der Welt um einige
Wochen voraus: Vor über einem Monat ist die Wachstumskurve an
Neuinfektionen bereits drastisch abgeflacht, seither gilt die Gefahr durch
Covid-19 als vorübergehend unterdrückt. Derzeit gibt es laut den
offiziellen Statistiken nur mehr knapp 1.200 aktive Fälle. Von den
insgesamt über 82.000 Infizierten Chinas ist der absolute Großteil geheilt.
Inzwischen hat Präsident Xi Jinping den Fokus auf die graduelle Öffnung der
Wirtschaft gelegt, die nun zaghaft erprobt wird. Es ist ein Balanceakt
zwischen der Gesundheit der Bevölkerung und der ökonomischen Leistung, bei
der die Kommunistische Partei bislang konservativ vorgegangen ist. Die
Angst vor einem Neuausbruch des Virus sitzt tief in den Köpfen der Kader,
nicht zuletzt, weil eine zweite Infektionswelle im bevölkerungsreichsten
Land der Welt mit einem nach europäischen Maßstäben nur rudimentär
entwickeltem Gesundheitssystem verheerende Folgen haben könnte.
Dennoch möchte die Zentralregierung dieses Spannungsfeld nicht als
Widerspruch wissen: Denn die Folgekosten von Massenarbeitslosigkeit und
bankrotten Unternehmen könnten ähnlich bedrohlich wie die Viruspandemie
sein. Nach einem historischen Einbruch im Januar und Februar, bei dem viele
Konjunkturdaten um über 20 Prozent einsackten, wächst die Wirtschaft nun
wieder. Laut den Prognosen des Internationalen Währungsfonds wird China
dieses Jahr ein Wachstum von lediglich 1,2 Prozent erreichen, ursprüngliche
Zielsetzung waren 6 Prozent. 2021 werde es dann zu einem V-förmigen Anstieg
auf 9,2 Prozent Wachstum kommen.
## Fast wieder im Normalzustand
Die [3][langsame Rückkehr in Richtung Normalitä]t macht sich beispielsweise
bei deutschen Autoherstellern bemerkbar, die stark vom chinesischen Markt
abhängig sind. Nach einem katastrophalen Jahresbeginn lässt sich
mittlerweile ein „Rebound“-Effekt beobachten: Daimlers Finanzchef Harald
Wilhelm sagte unlängst, der chinesische Markt sorge dafür, dass das
Unternehmen trotz der schwachen Lage in Europa einen Gewinn im ersten
Jahresquartal erzielen könne. Man befinde sich in China seit März schon
fast wieder im Normalzustand. Stephan Wöllenstein, China-Chef für
Volkswagen, sagte in einem Interview mit dem Wall Street Journal, dass man
bis Juni die Produktion wieder auf Vorjahresniveau bringen werde.
„Viele Produktionsstätten in Europa sind geschlossen, während sie in China
wieder in Betrieb sind“, sagt Jört Wuttke, Präsident der europäischen
Handelskammer in Peking. Von daher sei es für heimische Firmen derzeit
mittlerweile ein Vorteil, wenn sie in der zweitgrößten Volkswirtschaft der
Welt ein Standbein haben.
„Wenn man das Haus verlässt, dann hat man das Gefühl, dass Schanghai
bereits wieder normal läuft: Shoppingmalls sind offen, der Verkehr auf den
Straßen ist voll“, sagt der Italiener Carlo D’Andrea, der die europäische
Handelskammer in Schanghai leitet. „Unser Hauptproblem derzeit ist jedoch,
dass viele europäische Angestellte, darunter wichtige Entscheidungsträger,
nicht ins Land kommen. Das beeinflusst natürlich auch die Performance der
Unternehmen“, so D’Andrea. Tatsächlich sind die Grenzen auf unbestimmte
Zeit für ausländische Staatsbürger zu. Bis auf Diplomaten und einige
essenzielle Wirtschaftsdelegationen kommt derzeit niemand ins Land. Zudem
macht sich innerhalb Chinas steigende Diskriminierung gegen Ausländer
bemerkbar.
## Erste Dienstreise nach Corona-Ausbruch
Thomas Nürnberger von EBM-Papst unternahm am Mittwoch seine erste
Dienstreise seit Ausbruch der Pandemie. Der Trip von Schanghai nach Xian
mutet wie ein Spionage-Thriller an: Dutzende Male musste der Manager
zwischen Flughafen-Gate und Hotel-Lobby seine Körpertemperatur messen
lassen, QR-Codes auf seinem Smartphone scannen, Formulare ausfüllen und
Männern in Ganzkörperanzügen Fragen beantworten. „Jeder, der mich am
Flughafen gesehen hat – einen Ausländer –, hat sofort seine Schutzbrille
aufgesetzt. Man hat sich als Aussätziger gefühlt, wenn auch das gesamte
Personal professionell seine Arbeit gemacht hat“, sagt er.
„Zumindest mein Arbeitsteam in Xian hat mich mit offenen Armen empfangen“,
sagt Nürnberger. Und fügt an: „Natürlich nicht im wörtlichen Sinn, wir
halten weiterhin anderthalb Meter Abstand.“
15 Apr 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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