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# taz.de -- Corona und gescheiterter Protest: „Wollen, dass Debatte weitergeh…
> Zwei Aktivistinnen wollten sich dafür einsetzen, dass Menschen von den
> griechischen Inseln evakuiert werden. Die Aktion wurde umgehend
> aufgelöst.
Bild: Mit dem Pappflugzeug zu zweit vor dem Bundeskanzeramt: in Corona-Zeiten v…
taz: Frau Aubart, Frau Pankoke, was hatten Sie als Protest gegen [1][die
Situation in den Lagern] auf den griechischen Inseln geplant?
Helena Aubart: Wir haben bei uns im Garten ein vier Meter langes Flugzeug
aus einem Holz-Drahtkonstrukt vorbereitet. Das wollten wir heute morgen
(Donnerstag, 2. April) vor das Kanzler*innenamt stellen und mit Gipslaken
überziehen. Damit wollten wir visualisieren, was politische Organisationen
und Gruppen wie [2][Mission Lifeline] und Seebrücke seit langem fordern:
Die Lager auf Lesbos müssen sofort aufgelöst werden, denn die Bedingungen
dort sind schrecklich, und die Menschen müssen evakuiert werden. Nicht nur
wegen Corona.
Der Aktionstag war von 9 bis 18 Uhr geplant, die Polizei hat die Aktion
dann aber bereits am Dienstagmorgen abgebrochen. Was ist passiert?
Aubart: Wir waren gerade dabei, unser Holzkonstrukt auf der Wiese vor dem
Bundeskanzlerinnenamt aufzubauen. Ein Polizist kam und hat gefragt, was wir
machen, wir haben ihm gesagt, dass wir nur zu zweit sind und auch den
Abstand einhalten. Er meinte, wir müssten uns bei zuständigen
Polizeidirektion melden, denn wenn wir jetzt zu zweit unangekündigt mit dem
Bollerwagen unser Holzflugzeug auf die Wiese fahren, würde sofort die
Bundespolizei kommen.
Nicole Pankoke: Der Polizist am Telefon hat uns die Aktion dann verboten
und und meinte auch, dass uns ein Bußgeld im vier- bis fünfstelligen
Bereich drohe, wenn wir weitermachen. Daraufhin hat der erste Polizist vor
Ort unsere Personalien aufgenommen. Wir haben unsere Sachen zusammengepackt
und sind gegangen.
Wie hat die Polizei das Verbot begründet?
Pankoke: Die Polizei hat uns gesagt, dass Politik und Kunst gerade in
keinster Weise erlaubt seien, weil künstlerische oder politische Aktionen
die Leute dazu bringen, anzuhalten und zu gucken. Daher sei nun jede Form
von Bewegung im Freien mit einer politischen Motivation nicht mehr erlaubt.
Auch jegliches Objekt, das mit politischem Hintergrund abgelegt wird, sei
verboten.
Sie hatten dazu aufgerufen, sich am Protesttag zu beteiligen.
Pankoke: Wir hatten vorgeschlagen, Flugzeuge aus Papier und Pappe zu
basteln und die eigenen Forderungen darauf zu schreiben. Wir hatten aber
extra darum gebeten, die Flugzeuge bei unserer Protestaktion vor dem
Kanzler*innenamt einfach abzulegen und weiterzugehen, um die derzeitigen
Einschränkungen wegen der Corona-Krise einzuhalten. Jetzt haben wir unsere
Unterstützer*innen über die sozialen Medien dazu aufgerufen, vorsichtig zu
sein.
Was werden Sie nun tun?
Pankoke: Wir werden alle Parteien anschreiben, es geht nicht, dass uns
jegliche Form von Engagement und politischer Äußerung untersagt ist. Wir
beraten uns gerade, wie wir uns sonst gerichtlich eine Erlaubnis erstreiten
können.
Was war denn der Anstoß für ihren Aktionstag?
Aubart: Die Fülle der schlimmen Nachrichten. Auf Lesbos wurden die NGOs
abgezogen, es ist kaum noch medizinisches Personal vor Ort, das Trinkwasser
ist knapp. Die griechische Regierung hat Schilder aufgehängt, dass die
Menschen Abstand halten und sich regelmäßig die Hände waschen sollen. Aber
das ist dort gar nicht umsetzbar.
Pankoke: Wir wollen, dass die Debatte weitergeht. Wir haben den Eindruck,
dass die Corona-Krise gerade die ganze mediale Aufmerksamkeit auf sich
zieht, und es ist unbefriedigend für uns, zu Hause zu bleiben in unserer
recht privilegierten Position und nichts gegen die grausame
Abschottungspolitik zu tun. Deshalb haben wir uns überlegt, wie wir trotz
der gesetzlichen Einschränkungen solidarisch sein können mit Menschen in
dieser desaströsen Lage auf den Inseln.
Trotz Absichtsbekundungen aus der Politik tut sich bisher nichts. Hoffnung,
dass da noch etwas in Bewegung reinkommt?
Aubart: Dass Mission Lifeline in kürzester Zeit genug Spenden für einen
Charterflug zusammenbekommen hat, und dass mehr als 140 Kommunen, Städte
und Länder zugesagt haben, Menschen aufzunehmen, zeigt doch [3][die
Unterstützung und Zustimmung in der Gesellschaft]. Jetzt fehlt nur noch die
Zustimmung der Bundesregierung zu einer Start- und Landeerlaubnis. Da muss
sich jetzt was bewegen. Dass innerhalb weniger Tage mehr als 170.000
Urlauber*innen nach Deutschland zurückgeholt werden konnten, zeigt, dass
die Politik sehr wohl in der Lage wäre, in kürzester Zeit die Geflüchteten
auf Lesbos aus ihrer unerträglichen Situation zu befreien. Deshalb machen
wir auf verschiedenen Wegen Druck.
Wie geht der Protest weiter?
Pankoke: Wir hatten am Montag zu einem bundesweiten Aktionstag aufgerufen
und das ist zu einem Selbstläufer geworden. In mehr als 15 Städten bauen
Gruppen Flugzeuge und wollen sie vor die jeweiligen Rathäuser stellen.
Einige Unterstützer*innen haben schon gefragt, ob wir jetzt jeden
Donnerstag Flugzeuge bauen wollen. Dazu können wir jetzt noch nichts sagen.
Unsere Aktion ist nur eine unter vielen, auch im Netz ist der Protest stark
und die Seebrücke hatte für Sonntag eine Aktion geplant. Wir werden nun
alle Fotos von Flugzeugen und unsere Forderungen an die Bundesregierung
schicken. Denn die muss nun schnell handeln.
2 Apr 2020
## LINKS
[1] /Gefluechtete-in-Griechenland/!5674893
[2] /Aktivist-ueber-Hilfe-fuer-Gefluechtete/!5671926
[3] /Positionspapier-zu-EU-Fluechtlingspolitik/!5675739
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
Lesbos
Geflüchtete
Seebrücke
Griechenland
Bundesregierung
Schwerpunkt Coronavirus
IG
Schwerpunkt Flucht
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