# taz.de -- Queerer Film „Giant Little Ones“ auf DVD: Annäherung unter Ver… | |
> Der Film „Giant Little Ones“ von Keith Behrman erzählt eine queere | |
> Geschichte unter Jugendlichen – mit genau beobachteter Ambivalenz. | |
Bild: Von Freundschaft zu Feindschaft: Ballas (Darren Mann) und Frankie (Josh W… | |
Franky (Josh Wiggins) und Ballas (Darren Mann) sind beste Freunde, seit | |
Kindheitstagen, auch jetzt noch unzertrennlich, mit sechzehn, siebzehn, | |
gemeinsam im Schwimmverein, auf derselben Schule in einer amerikanischen | |
Stadt. Von Sex ist viel die Rede unter den Jungs der Schule, aber es geht | |
um Sex mit Mädchen, Franky hat es auf die hübsche und brave Cil (Hailey | |
Kittle) abgesehen, Cil hat es auf Franky abgesehen, es will nur nicht | |
gelingen, einen passenden Ort und Zeitpunkt für den ersten gemeinsamen Sex | |
zu finden. | |
Alles sehr behütet hier, die Mutter, die Eltern, die Geschwister: Eine oder | |
einer stört immer. Machen wirʼs im Park, schlägt Franky vor. Cil ist | |
entsetzt. Das ist kein match made in heaven. | |
Nach einer Party radeln Franky und Ballas, schwer betrunken, durch die | |
leeren Straßen der Vorstadt. Sie landen schließlich im selben Bett und | |
haben, plötzlich und unerwartet für beide, Sex miteinander. Was genau | |
passiert, wird erst später klar, die Darstellungen unterscheiden sich | |
zunächst so sehr wie die Reaktionen der beiden. | |
Franky, der eher kein großes Problem damit hätte, schwul zu sein, ist sich | |
ziemlich sicher, dass er es nicht ist. Ballas, der ein ziemliches Problem | |
damit hat, dass er es ist, macht dagegen großes Theater, erzählt, Franky | |
hätte ihm den Schwanz gelutscht, dabei war es, wie man später erfährt, | |
genau andersherum. | |
Das Ereignis sät Zwietracht zwischen den beiden, ja offene Feindschaft. | |
Ballas tritt Frankys Fahrrad kaputt. Franky klaut das von Ballas, sie | |
prügeln sich heftig. Cil zieht sich zurück. In der Schule, im Schwimmverein | |
wird Franky zur Figur, der man ausweicht. | |
## Stillschweigend geduldete Homophobie | |
Es ist eine unterschwellige, gesellschaftlich höchstens stillschweigend | |
geduldete, offiziell sanktionierte Homophobie – der offen schwule | |
Mitschüler etwa wird von den meisten, wenn auch nicht von allen akzeptiert. | |
Der Film ist hier und überhaupt sehr gut darin, die Dinge nicht im | |
Ungefähren, sondern in sehr genau beobachteter Ambivalenz zu belassen. | |
Regisseur und Drehbuchautor Keith Behrman stellt zwar das | |
Franky-Ballas-Drama ins Zentrum seiner Geschichte, aber es geht ihm nicht | |
nur und vielleicht nicht einmal primär um die beiden. Er weitet das Ganze | |
zu einem Gruppen-, wenn auch ganz bewusst nicht zum Gesellschaftsbild. Sein | |
Interesse ist nicht soziologisch, ihn interessieren Individuen, ihn | |
interessiert, was sexuelle Orientierung und sexuelle Desorientierung, aber | |
auch traumatische Ereignisse mit ihnen machen. | |
Da ist etwa Ray ([1][Kyle MacLachlan]), Frankys Vater, der dessen Mutter | |
(Maria Bello) vor nicht zu langer Zeit für einen Mann verlassen hat. Die | |
Verhältnisse zwischen den Eltern sind ziemlich gespannt, der Vater ermutigt | |
den Sohn, so oder so. Die Mutter stolpert unterdessen von einem | |
unglücklichen Date zum andern. Da ist Frankys Kumpel Mouse (Niamh Wilson), | |
sexuell non-binär nicht-definiert, auf eher anthropologische Art an | |
Schwänzen, auch dem von Franky, sehr interessiert, trägt darum gern einen | |
als Strap-on in der Hose. | |
Und da ist vor allem Natasha (Taylor Hickson), Ballasʼ Schwester, die | |
zusehends in den Vordergrund von „Giant Little Ones“ rückt. Es kommt zur | |
Annäherung zwischen Franky und ihr. Sie geraten gleich unter den Verdacht, | |
nun zur Ablenkung von Frankys schwulen Neigungen Hetero-Komödie spielen zu | |
wollen. Es ist ganz anders. | |
Natasha, die ihren Bruder durchschaut, erkennt in Franky den Mann, der sie, | |
die durch eine Vergewaltigung traumatisiert ist, versteht. Behrman | |
schildert und zeigt all das mit schöner Zartheit, aber ohne | |
Sentimentalität. Es ist erst sein zweiter Langfilm, den ersten hat er vor | |
achtzehn Jahren gedreht. Hoffentlich geht es mit dem nächsten doch etwas | |
schneller. | |
2 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ekkehard Knörer | |
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