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# taz.de -- Baseballspiele in Taiwan trotz Corona: Eintritt frei für Roboter
> In Taiwan wird wieder Baseball gespielt. In den USA weckt das Sehnsüchte
> und Hoffnungen, die aber wohl enttäuscht werden.
Bild: Brave Pappkameraden: In Taiwan füllen bisweilen Dummies die Baseball-Sta…
Das satte Klock war deutlich zu hören, als der Schläger den Ball traf. In
einer perfekten Flugkurve überquerte der Ball das Feld und landete in der
äußersten linken Ecke der Zuschauerränge zwischen den grünen Sitzschalen,
die allesamt leer geblieben waren. Zwei, drei Mitspieler, das war über die
Außenmikrofone zu hören, kommentierten den Flug des Balls mit Ahs und Ohs,
schließlich anerkennendes Klatschen der Mitspieler von der Bank. Ansonsten
war das Stadion still geblieben, als Kai-Wen Cheng am vergangenen Sonntag
den ersten Homerun der neuen Spielzeit der Chinese Professional Baseball
League (CPBL) schlug.
Das Spiel endete nach zweimaliger Verlängerung mit einem 4:1-Sieg der
[1][Uni-President 7-Eleven Lions] gegen einen weiteren Klub mit einem
sponsorenschweren Namen, den Chinatrust Brothers. Die taiwanesische
Baseball-Liga dürfte die einzige Profiliga weltweit sein, die während der
Coronakrise ihren Spielbetrieb aufgenommen hat. Das war möglich geworden,
weil es kaum ein anderes Land auf der Welt gibt, das das Virus so gut im
Griff hat.
Auf der Insel mit ihren 23,5 Millionen Einwohnern gibt es bislang nicht
einmal 500 bestätigte Covid-19-Fälle und nur sechs Todesopfer. Eine
Ausgangssperre wurde nie verhängt, auch die Schulen blieben geöffnet. Nur
Massenveranstaltungen sind bis auf Weiteres verboten, weshalb der Start der
CPBL auch um vier Wochen verschoben wurde, und die Spiele nun vorerst ohne
das in Taiwan traditionell sehr laute Publikum stattfinden.
Ohne Publikum aus Fleisch und Blut jedenfalls. Die Rakuten Monkeys haben
angekündigt, ihre Ränge zumindest teilweise mit Robotern zu besetzen, die
mit Trikots als Fans verkleidet werden. Ob die Roboter auch die in Taiwan
so beliebten Jubel-Choreografien einstudiert haben, ist nicht bekannt.
Cheerleader sind immerhin erlaubt, sie gehören ebenso wie die
Team-Maskottchen zu den insgesamt 500 Personen, die die Behörden pro Spiel
im Stadion zulassen. Eine Zahl, die mit Spielern, Trainern, Betreuern,
Liga-Verantwortlichen, Presse und TV-Technikern allerdings schnell erreicht
ist.
## Vorbildliche Seuchenprävention
„Es ist schon sehr friedlich“, fand denn auch Josh Roenicke, „nach einer
Weile wird das, fürchte ich, langweilig. Hoffentlich dürfen die Fans bald
wieder ins Stadion.“ Der 37-jährige Pitcher steht bei den Uni-President
Lions unter Vertrag und meldete aus der Zwangsquarantäne leichte Probleme,
sich fit zu halten. Nach seiner Rückkehr aus den USA musste sich Roenicke
zwei Wochen in Isolation begeben in einem Hotelzimmer, das die Rakuten
Monkeys immerhin mit Gewichten und Fitnessgeräten ausgestattet hatten.
Der konsequente Umgang mit der Pandemie hat dafür gesorgt, dass das Leben
in Taiwan nahezu normal abläuft. Dass die Baseball-Saison tatsächlich
beginnen konnte, hat aber auch mit den speziellen Bedingungen der CPBL zu
tun. Die Liga besteht aus nur fünf Mannschaften, die Reisen zu den
Auswärtsspielen sind kurz auf der Insel, die Stadien mit Kapazitäten von
höchstens 20.000 Zuschauern überschaubar groß.
Ob das Beispiel Taiwan also Schule macht und demnächst auch andere
Baseball-Ligen den Spielbetrieb wieder aufnehmen, darf bezweifelt werden.
Trotzdem erfährt die CPBL in den USA momentan ungeahnte Aufmerksamkeit. Die
Sportseiten der US-Tageszeitungen berichteten von der [2][Auftaktpartie],
Baseball-Portale widmeten Taiwan eine extraordinäre Berichterstattung, und
nicht zuletzt die Wettbüros und Gambling-Seiten freuen sich, dass es wieder
Anlässe gibt, Geld zu setzen.
## Eine Art Baseball-„Big Brother“
Auch die Major League Baseball (MLB) beobachtet die Entwicklung in Taiwan
interessiert, denn ein ähnliches Szenario wird – neben anderen wie einer
Art Baseball-„Big Brother“ in einem sogenannten Bio-Dome, einer
abgeschotteten Glaskuppel – unter den Liga-Verantwortlichen längst
diskutiert. Aktuell wird überlegt, Spiele ohne Publikum in Arizona und
Florida zu organisieren.
Dort finden traditionell die Trainingslager statt, jeder Klub besitzt dort
kleine Stadien und Trainingskomplexe – die Wege wären kurz, die
Verhältnisse zumindest ähnlich wie die in Taiwan. Ganz und gar nicht wie in
Taiwan allerdings ist die Situation im Land. Dass die USA in absehbarer
Zeit zu einer Normalität zurückkehren könnten, wie sie im demokratischen
China aktuell herrscht, ist kaum vorstellbar.
14 Apr 2020
## LINKS
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Uni-President_Lions
[2] https://eu.usatoday.com/story/sports/mlb/2020/04/07/coronavirus-taiwanese-t…
## AUTOREN
Thomas Winkler
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