| # taz.de -- Interreligiöses Zeichen in Neukölln: Stadtrat verbietet Gebetsruf | |
| > Dar-Assalam-Moschee und evangelische Genezarethgemeinde wollten ein | |
| > „Zeichen des Zusammenhalts in der Corona-Krise“ senden. Ein | |
| > Wochenkommentar. | |
| Bild: Hier ruft kein Muezzin zum Gebet: Dampfmaschinenhaus in Potsdam, im Stil … | |
| Berlin taz | Pünktlich zu Pessach, Ostern und Ramadan erlebt der Dialog | |
| unter den Berliner Kindern Abrahams den schönsten Frühling. Gerade dass die | |
| Freiheit der Religionsausübung – immerhin ein Grund- und Menschenrecht – | |
| extrem eingeschränkt ist, scheint das interreligiöse Miteinander sprießen | |
| zu lassen. | |
| Das House of One etwa streamt über die sozialen Medien fleißig religiöse | |
| Orientierung ins allgemeine Tohuwabohu (hebräisch: wüst und leer). Und der | |
| RBB übertrug kürzlich ökumenische Krisen-Gottesdienste, in die auch | |
| jüdische und muslimische Stimmen integriert waren. | |
| Während beim ersten dieser Gottesdienste die Herren Bischöfe noch sehr auf | |
| ihren katholisch-evangelischen Sendeprivilegien beharrten, gelang die | |
| liturgische Gleichberechtigung beim zweiten Mal schon besser. Mit den | |
| Vertreterinnen des Christen- und Judentums betete in der Gedächtniskirche | |
| Mohamed Taha Sabri, der Imam der Dar-Assalam-Moschee. | |
| Doch solche abrahamitische Gemeinschaft kann nur blühen, wo nicht | |
| Rechtskonservative wie der Stadtrat Falko Liecke (CDU) das Sagen haben. | |
| Sabris Moschee war es nämlich, die gemeinsam mit der evangelischen | |
| Genezarethgemeinde auch in Neukölln ein „Zeichen des Zusammenhalts in der | |
| Corona-Krise“ setzen wollte. Die Glocken von Genezareth und der Muezzin von | |
| Dar Assalam sollten täglich mit einem gemeinsamen Ruf zum Gebet „Hoffnung, | |
| Zuversicht und Solidarität vermitteln“. | |
| ## Fehler der evangelischen Kirche? | |
| Dass sich beim ersten Gebetsruf am 3. April spontan Menschen vor der | |
| geschlossenen Moschee einfanden – der Imam bestritt, dass es sich um | |
| Gemeindemitglieder handelte –, war dem Stadtrat für Gesundheit und Jugend | |
| ein willkommener Anlass zu einem grundsätzlichen Schlag auszuholen. | |
| Er halte es für einen schweren Fehler der evangelischen Kirche, mit der | |
| Moschee in der Flughafenstraße „gemeinsame Sache zu machen“, schrieb er auf | |
| Facebook. Dar Assalam gäbe sich „nach außen liberal, predigt aber nach | |
| innen die Scharia“. Der legalistische Islamismus sei eine der größten | |
| Gefahren für die Demokratie, wie auch linksextremistische Gruppen. In | |
| Bezug auf die Sozialdemokrat*innen Franziska Giffey, Martin Hikel und | |
| Michael Müller ließ Liecke sich noch zu dem Satz hinreißen: „Berlin hat ein | |
| Islamismusproblem bis in die höchsten politischen Ebenen.“ | |
| Mit dem einmaligen Vorfall begründete der Stadtrat am Montag schließlich | |
| ein Verbot des Gebetsrufs – als ob das geltende Versammlungsverbot nicht | |
| ausreichen würde. | |
| Mensch muss der Dar-Assalam-Moschee nicht anhängen, um entsetzt darüber zu | |
| sein, wie Liecke versucht, rechtes politisches Kapital aus der aktuellen | |
| Einschränkung des Grundgesetzes zu schlagen. Das, nicht der öffentliche Ruf | |
| zum Gebet, ist eine Gefahr für die Gesundheit der Demokratie. | |
| 11 Apr 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Hunglinger | |
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