# taz.de -- Inselbürgermeister über Isolation: „Die Insulaner sind sehr bes… | |
> Die Gesundheitsversorgung auf Borkum ist dürftig. Jetzt hat die Insel | |
> einen Coronafall und riegelt sich ab. | |
Bild: Abstand am Strand: Auf Borkum spazieren nur noch Einheimische | |
taz: Herr Akkermann, die knapp über 5.000 Borkumer*innen sind jetzt wohl | |
zum ersten Mal in ihrer Geschichte als Einwohner*innen eines Kur- und | |
Urlaubsorts alleine, oder? | |
Jürgen Akkermann: Es ist auf jeden Fall das erste Mal in diesem | |
Jahrhundert, dass keine Gäste oder Auswärtige auf Borkum sind. Lediglich | |
Handwerker sind noch da. Aber durch die Verschärfung der Kontaktverbote im | |
öffentlichen Raum ist das Risiko, sich bei denen anzustecken, sehr gering. | |
Wie haben die Borkumer*innen reagiert? | |
Es beunruhigt die Gemüter. Einige sind froh, dass sie wenigstens ihre | |
Ferienwohnungen oder Hotels renovieren können. Wir haben natürlich auch | |
notwendige Arbeiten, die von Externen gemacht werden: Um systemrelevante | |
Infrastruktur wie Klärwerke, Gas und Wasser und Telekommunikation kümmern | |
sich Handwerker, die immer auf die Insel müssen. | |
Wie wurde den Gästen mitgeteilt, dass sie weg müssen? | |
Wir haben vorab Informationen durch das Ordnungsamt an alle Autos mit | |
fremdem Kennzeichen gehängt und darum gebeten, rechtzeitig die Fähre zu | |
buchen. Polizei und Feuerwehr haben mit Lautsprecherdurchsagen informiert. | |
Wir waren uns nicht sicher, ob alle Gäste die Allgemeinverfügung kennen, | |
die vom zuständigen Landkreis Leer kam. Das richtete sich auch ausdrücklich | |
an alle Zweitwohnungsbesitzer, die noch auf Borkum waren. | |
Warum mussten die auch gehen? | |
Wegen der fehlenden Intensivbetreuung auf der Insel. Wir mussten schauen, | |
dass wir so wenig Menschen wie möglich auf Borkum haben, also wirklich nur | |
die, die hier leben. Es macht einen Unterschied, ob hier 5.500 Menschen | |
sind oder doppelt so viele. Wir mussten auch schnell Kliniken schließen, | |
weil sich dort oft viele Patienten mit teils schweren Lungenerkrankungen | |
aufhalten, die aufgrund unseres guten Hochseeklimas zu uns geschickt | |
werden. | |
Die gesundheitliche Versorgung auf der Insel ist dürftig: Fachärzte gibt es | |
nicht, nur ein kleines Krankenhaus, aber keine Intensivbetten oder | |
Atemgeräte, die über mehrere Tage genutzt werden können. Jetzt gibt es | |
einen bestätigten Coronafall. Wie wird er behandelt? | |
Die Person befindet sich mit normalem Krankheitsverlauf in häuslicher | |
Quarantäne. Er hat schnell gehandelt, einen Besuch vom Hausarzt angefordert | |
und ist nicht in die Praxis gegangen. Seine Familie ist sofort freiwillig | |
in Quarantäne gegangen, alle Kontaktpersonen konnten durch das | |
Gesundheitsamt ermittelt werden. Deshalb können wir nicht sagen, dass sich | |
die Infektionsgefahr auf Borkum nennenswert gesteigert hätte. | |
Wie können Sie sicher sein? | |
Weil alle Kontaktpersonen ermittelt und in häusliche Quarantäne geschickt | |
wurden, und weil viele wichtige Maßnahmen schon vorletzte Woche Sonntag | |
getroffen wurden: Die Kontaktsperre im öffentlichen Raum, die Beschränkung | |
von Menschen in geschlossenen Räumen. | |
Wie werden schwer Erkrankte evakuiert? | |
Es ist möglich, Personen mit dem Hubschrauber aufs Festland zu bringen, | |
ohne diesen für Stunden einsatzunfähig zu machen, weil er danach verseucht | |
ist: Mit einer Transporthülle im Hubschrauber. Je nach Wetterlage ist die | |
Person in 20 bis 30 Minuten auf dem Festland. Ansonsten haben wir noch den | |
Seenotrettungskreuzer Alfried Krupp. | |
Kann man aus den leerstehenden Kliniken jetzt Isolierkliniken machen? | |
Zum Teil. Es geht dabei aber nur um leichte Krankheitsverläufe, wenn man | |
beispielsweise mit einer Person zusammenlebt, die in der Risikogruppe ist. | |
Die Isolierklinik ersetzt nicht die lebenswichtigen Atemgeräte oder | |
Intensivbetten, die bei schweren Verläufen gebraucht werden. | |
In einer Stellungnahme haben Sie Insulaner*innen dafür gerügt, dass sie | |
Gäste angepöbelt haben, sie sollten die Insel verlassen. | |
Vereinzelt sollen Einheimische Stimmung gegen Gäste gemacht haben. Vom | |
ambulanten Pflegedienst wurde mir berichtet, dass Mitarbeiter angepöbelt | |
wurden, was sie hier denn noch machen würden. Das geht gar nicht. Man muss | |
dazu sagen, dass es wenige schwarze Schafe waren, die gepöbelt haben. | |
Liegen die Nerven blank bei den Borkumer*innen? | |
Die Insulaner sind über die Gesundheitsvorsorge sehr besorgt. Es gibt aber | |
auch massive wirtschaftliche Existenzsängste von kleinen selbstständigen | |
Unternehmen, die vom Tourismus leben. | |
2 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Yasemin Fusco | |
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