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# taz.de -- Testkapazität in Großbritannien: Im Corona-Teufelskreis
> Mangels ausreichender Corona-Tests sitzt ein erheblicher Teil des
> britischen Gesundheitspersonals in Selbstisolation. Die Todeszahlen
> explodieren.
Bild: Eine Mauer in Belfast: Hier wird der Sieg des Öffentlichen Gesundheitssy…
LONDON taz | „Durcheinander“ schlagzeilen die einen, „550.000
Krankenhauspersonal und nur 2.000 getestet“ die anderen. Wenn in
Großbritannien der Labour-treue Daily Mirror und die stramm konservative
Daily Mail am gleichen Tag ähnliche Boulevardtitel drucken, ist das kein
gutes Omen für eine britische Regierung. Was ist das Problem? Die
Coronavirustests. Premier Boris Johnson hatte vor drei Wochen 25.000 pro
Tag angekündigt, noch immer ist es weniger als die Hälfte. Und die
Covid-19-Todeszahlen steigen schnell.
Nach Angaben der englischen Gesundheitsbehörde PHE (Public Health England)
liegt die Testkapazität in England bei täglich 12.799. Aber nicht einmal
diese Kapazität wird voll ausgeschöpft. Am Dienstag wurden laut
Gesundheitsministerium in ganz Großbritannien 10.215 Tests durchgeführt.
Insgesamt wurden seit Beginn der Pandemie nur etwas über 163.000 Briten auf
das Coronavirus getestet, darunter ganze 2.000 Angestellte des nationalen
Gesundheitsdienstes NHS.
180.000 der insgesamt rund eine Million NHS-Angestellten in Großbritannien
befinden sich derweil als Verdachtsfälle in Selbstisolation. Laut einem
NHS-Direktor könnten bei ausreichenden Tests 85 Prozent davon wieder im
Einsatz sein. So arbeitet das Gesundheitswesen weit unterhalb seiner
Kapazität – gerade jetzt, wo sich die Situation zuspitzt.
Am Donnerstag meldeten die Gesundheitsbehörden knapp 34.000 Infizierte und
insgesamt 2.921 Tote – am Dienstag waren es noch 1.789 gewesen. Die Zahlen
geben jeweils den Stand von 17 Uhr zwei Tage zuvor wieder. Täglich starben
Anfang dieser Woche demnach über 500 Menschen in Großbritannien an
Covid-19.
## 30.000 fehlende Beatmungsgeräte
Was die ungenügenden Tests betrifft, fragten sich viele, wo das Problem
liegt, denn an kompetenten Laboren mangelt es in Großbritannien nicht.
Vielmehr fehlt es an einigen chemischen Rohstoffen und auch an
organisatorischer Flexibilität.
So wurde auf Angebote kleinerer Labore, etwa aus der Veterinärmedizin, die
normalerweise nicht mit dem NHS zusammenarbeiten, nicht oder viel zu spät
reagiert. Auf Tests wartende Personen wurden wieder weggeschickt, weil sie
keine gebuchten Termine hatten, während ein riesiges neues
Drive-in-Testzentrum für NHS-Personal am Mittwoch den ganzen Tag fast leer
blieb.
Nicht nur deswegen steckt die Regierung in Erklärungsnöten. Am Wochenende
verzeichneten manche Krankenhäuser einen Mangel an Sauerstoffreserven.
Schon vorige Woche wurden die Behörden damit konfrontiert, dass es zu wenig
Schutzkleidung für Krankenhauspersonal gibt, sowie mit der Frage, wo
Großbritannien die benötigten 30.000 Beatmungsgeräte herholen soll.
Letztere werden nun durch ein Unternehmenskonsortium hergestellt, unter
anderem aus der Autoindustrie.
Dass Minister und hohe Gesundheitsbeamte konkrete Fragen oft nur mit
unspezifischen Versprechen beantworten, erklärt die bösen Schlagzeilen.
Tests und Rohstoffe seien unterwegs, heißt es, oder man arbeite daran. Am
späten Mittwochabend schließlich versuchte der mit dem Coronavurus
infizierte [1][Premier höchstpersönlich die Lage zu retten], per
Videobotschaft aus seiner Selbstisolation in Downing Street. Er setze
alles daran, mehr Tests zur Verfügung zu stellen, sie seien die „Auflösung
des Coronaviruspuzzles“, sagte Boris Johnson.
## Es drohen warme Ostertage
Gesundheitsminister Matt Hancock, frisch aus der eigenen Selbstisolation,
will nun einen Fünfpunkteplan vorstellen. Darunter wird nun auch endlich
Zusammenarbeit mit allen möglichen Laboren erwartet. Auch die
Behandlungskapazitäten des NHS werden im Eilverfahren aufgestockt. Am
Donnerstag öffnete im Londoner Excel-Messezentrum das
„Nightingale-Krankenhaus“ seine Pforten, ein von der britischen Armee in
zehn Tagen aufgestelltes Lazarett mit 4.000 Betten.
Beruhigend ist lediglich, dass [2][die scharfen Ausgangsbeschränkungen]
offenbar greifen. Laut einer neuen Studie des Londoner Hygiene- und
Tropeninstituts sind soziale Kontakte in Großbritannien um 73 Prozent
zurückgegangen, die Übertragungsquote des Coronavirus sei auf unter 1
gesunken. Doch es drohen warme Ostertage. Yvonne Doyle von PHE warnt,
langsam steige der Autoverkehr wieder an.
2 Apr 2020
## LINKS
[1] /Kampf-gegen-Corona-in-Grossbritannien/!5672216
[2] /Corona-Notgesetz-in-Grossbritannien/!5673885
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
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