# taz.de -- Profi-Leichtathletik nach Olympia-Absage: „Ich laufe weiter. Was … | |
> Hindernisläuferin Gesa Krause erzählt, was die Olympia-Verschiebung für | |
> sie bedeutet und warum sie in den USA an ihren Trainingsplänen festhält. | |
Bild: „Mein Herz blutet, das ist logisch. Ich war zweimal bei Olympia dabei.�… | |
taz: Frau Krause, aus einem Trainingslager in Kenia sind Sie zuletzt in die | |
USA gereist, wo Sie sich aktuell in Boulder in Colorado auf Olympia | |
vorbereiten. Wie geht es Ihnen dort? | |
Gesa Krause: Mir geht es gut, ich bin gesund und munter und fleißig am | |
Trainieren. Ich bin eigentlich für einen Wettkampf am kommenden Wochenende | |
in die Staaten geflogen, aber der wurde natürlich wegen des Coronavirus | |
gecancelt. Von hier aus sollte es weiter ins nächste Trainingslager nach | |
Südafrika gehen, auch das ist nicht mehr möglich. Aber da die Olympischen | |
Spiele [1][auf 2021 verschoben] wurden, ist ohnehin gerade alles sehr | |
anders, als ich mir das vorgestellt habe. | |
Das IOC hat bis zuletzt am Termin 24. Juli für den Start der Spiele in | |
Tokio festgehalten, und Olympia wird 2021 stattfinden. Was macht das mit | |
Ihnen? | |
Man hat sich ja schon gedacht, dass es so kommen wird. Aber wenn man das | |
dann schwarz auf weiß liest, ist das schon sehr komisch. Ich habe sehr | |
lange dafür trainiert, seit mehreren Jahren. Das zieht mir den Boden unter | |
den Füßen weg. Aber Fakt ist: Die Welt steht vor einem der größten Probleme | |
seit sehr, sehr vielen Jahren. Es heißt jetzt, diese Situation in den Griff | |
zu bekommen. Dementsprechend ist die Verlegung der Spiele die richtige | |
Entscheidung. | |
Das können Sie sagen? Obwohl diese Spiele in den letzten vier Jahren all | |
Ihr Tun bestimmt haben? | |
Mein Herz blutet, das ist logisch. Ich war zweimal bei Olympia dabei, ich | |
war einmal Achte und einmal Sechste. Nach WM-Bronze im letzten Jahr habe | |
ich natürlich sehr große Ambitionen gehabt, in Tokio in das | |
Medaillengeschehen einzugreifen. Dieser Traum hat mich jeden Tag | |
angetrieben. Natürlich nagt das jetzt an mir und ich frage mich, wie ich es | |
noch ein Jahr weiter schaffen soll. Aber das Coronavirus ist ein | |
gesamtgesellschaftliches Problem, das unsere ganze Welt vor eine | |
Herausforderung stellt. Auch wenn ich jetzt wie viele andere ein bisschen | |
um meine Existenz bange – am Ende des Tages ist Sport nur Bespaßung. Das | |
Wohl aller muss jetzt im Vordergrund stehen, da sollte die Vernunft siegen. | |
Wie leben Sie in Boulder? Wie sind die Bedingungen dort in Coronazeiten? | |
Ich bin allein hier und wohne in einer privat gemieteten Unterkunft. Ich | |
mache nun mal eine Individualsportart, ich bin schon oft und viel allein | |
durch die Welt gereist. Im Moment soll man sich auch hier aus dem Weg | |
gehen, das fällt mir nicht schwer, dadurch ändert sich für mich nicht viel. | |
Ich kenne hier einige Athleten, mit denen ich ab und an mal einen Dauerlauf | |
zusammen mache. Aber die aktuelle Situation lädt ja nicht gerade dazu ein, | |
in großen Gruppen zu trainieren. Restaurants und Cafés und der nicht | |
dringend notwendige Einzelhandel sind geschlossen. Aber hier gibt es viel | |
freie Fläche und Natur, die Leute sind draußen, um spazieren zu gehen. Mein | |
Training kann ich also ganz normal absolvieren. | |
Viele Familien rücken aktuell zusammen und stehen diese Coronavirus-Zeiten | |
gemeinsam durch. Wie schaffen Sie das allein in einem fremden Land? | |
Es ist nicht einfach. Im letzten Herbst war ich schon mal drei Wochen hier, | |
da ist mir das nicht so einsam vorgekommen, ich konnte in Cafés gehen, mich | |
mehr zum Training verabreden, draußen mit Leuten Small Talk halten. Das ist | |
diesmal ganz anders. Aber der Sport gibt mir Halt. Viele können nicht mehr | |
arbeiten gehen und müssen zu Hause bleiben. Ich führe gerade mein normales | |
Leben weiter, mein Tagesablauf hat sich wenig geändert. Ich trainiere | |
dreimal am Tag und habe drei Mahlzeiten, dazwischen gibt es viel Erholung. | |
Und Ihre Lieben in der Heimat? | |
Meine Eltern vermissen mich, die wären froh, wenn ich zu Hause wäre. Aber | |
dort sind die Bedingungen zum Training einfach noch schlechter als hier. | |
Und jetzt ist es vielleicht ganz gut, dass ich für mich bin, dass ich meine | |
Gedanken sammeln und schauen kann, was als Nächstes kommt. Ich werde weiter | |
laufen, ich werde weiter trainieren, das ist meine Konstante im Alltag. Was | |
soll ich sonst tun? Ich glaube, dass es wichtig ist, eine gewisse Routine | |
beizubehalten. | |
Ist die Verlegung der Olympischen Spiele für Sie direkt existenzbedrohend? | |
So ein Sportlerdasein wird ja immer in Olympiazyklen gerechnet. Daher | |
laufen meine Verträge bis zum Ende dieser Saison. Da müssen jetzt Lösungen | |
gefunden werden. Meine Sponsoren werden ähnliche Einbußen haben wie andere | |
Firmen, daher ist das für mich eine sehr ungewisse Situation. | |
Wettkampfprämien werden wegfallen, ich hatte Ausgaben für die Vorbereitung. | |
Es wird Zeit brauchen, sich da neu zu orientieren. Aber ich möchte nicht | |
egoistisch wirken, ich sehe es ja in meiner Familie und bei Bekannten, | |
viele Menschen können ihren Job zurzeit nicht ausüben, gerade für | |
Selbstständige ist es unwahrscheinlich schwer. Hier in Amerika leben die | |
Leute in der Gastronomie vom Trinkgeld, die haben nichts im Moment. | |
Wie sieht jetzt Ihre unmittelbare Zukunft aus? | |
Meine Unterkunft und das Auto habe ich noch für die nächsten drei Wochen | |
bezahlt, da die Olympia-Entscheidung ja bis Ende April fallen sollte. Ich | |
bin in der letzten Woche 180 Kilometer gelaufen. Mein Körper ist daran | |
gewöhnt, Sport zu treiben. Es wäre nicht gesund, damit von heute auf morgen | |
aufzuhören. Es gibt Momente im Trainingsalltag, da stoße ich an meine | |
Grenzen. Ich habe Schmerzen, weil ich über die Grenzen hinausgehe. Dann | |
halte ich mir meine Ziele sinnbildlich vor Augen. Das wird jetzt schwer. | |
Ich muss mich neu sammeln und dann entscheiden, wie es weitergeht. | |
30 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Rohlfing | |
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