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# taz.de -- Funktionär über neue Wettbewerbsformen: „Unter Druck glänzen“
> Der deutsche Leichtathletik-Funktionär Cheick-Idriss Gonschinska spricht
> über kreative Ideen in der Krise. Er hält Online-Wettbewerbe für möglich.
Bild: So viel menschliche Nähe wie bei den deutschen Hallenmeisterschaften mus…
taz: Herr Cheick-Idriss Gonschinska, wie kommen eigentlich in der
Leichtathletik derzeit die Athleten mit der Situation klar?
Cheick-Idriss Gonschinska: Durch die Kontaktsperren musste zuletzt per
Video gecoacht werden, es war viel Improvisation nötig. Es ist im Moment
wichtig, dass wir im Hier und Jetzt leben, mit den jeweils aktuellen
Verordnungen. Für die Kaderathleten hat das Training an den Stützpunkten
schrittweise wieder eingeleitet werden können. Wir sind in der Abstimmung,
wie das in der nächsten Phase für das Vereinstraining erweitert werden
kann. Und wir streben eine „late season“, eine verspätete Saison im
Spätsommer und Herbst an.
Ohne Zuschauer?
Wir arbeiten an Konzepten, eine Deutsche Meisterschaft ohne Zuschauer
umzusetzen. Es ist wichtig für Athleten und Trainer, dass wir eine Aussicht
auf Wettbewerbe und Herausforderungen kreieren. Bis hin zu der Idee, dass
man das über virtuelle Einzelduelle an verschiedenen Standorten gestaltet.
Wettkampfnahe Trainingsformen und Wettbewerbe sind wichtig, um sich fit zu
halten. Das kann man nicht allein mit Athletik-Training.
Die Sechsmeter-Stabhochspringer Armand Duplantis aus Schweden, Renaud
Lavillenie aus Frankreich und Sam Kendricks aus den USA flirten bereits
öffentlich mit der Idee der digitalen Fern-Vergleiche. Ist das vorstellbar?
Ich will jetzt noch nicht im Detail über die Ideen unserer
Innovativ-Abteilung reden. Aber natürlich ist es so, dass die
Digitalisierung in der aktuellen Situation rasant vorangeht. Wir
orientieren uns an Gaming-Situationen und überlegen, was wir für
Herausforderungen schaffen können. Insofern kann ich mir das durchaus
vorstellen. Wir haben ja ohnehin ein technisiertes Trainingssystem. Es
werden schon jetzt Daten von Tests und Videos in den Clouds der
Trainerteams ausgetauscht. Wir haben das nur bislang nicht öffentlich
positioniert.
Das könnte sich nun ändern?
Ja. Wenn wir eine Community teilhaben lassen, wird es vielleicht noch mehr
zu einer Challenge. Da können sich kreative Möglichkeiten und Chancen
ergeben. Aber zuallererst ist diese Pandemie eine sehr herausfordernde
Situation, die man kaum in Worte fassen kann.
Viele Athleten gehen erstaunlich positiv damit um und sehen die
Möglichkeit, an Dingen zu arbeiten, die sonst zu kurz kommen. Bietet sich
hier eine Chance für neue Impulse?
Mit gewohnten Mustern zu brechen, ist immer auch eine Chance für die
Entwicklung neuer Qualitäten. Es fällt mir natürlich schwer, zu sagen, dass
eine weltweite Pandemie auch etwas Positives mit sich bringen könnte. Aber
unsere Top-Athleten zeichnet aus, dass sie schwierige Situationen annehmen
können, dass sie gewohnt sind, mit Rückschlägen umzugehen.
Der ehemalige Zehnkampf-Olympiazweite [1][Frank Busemann] hat prophezeit,
dass es 2021 bei vielen Leichtathleten durch das aktuell verstärkte
Athletiktraining eine Leistungsexplosion geben werde.
Ich bin Sportwissenschaftler und möchte diese individuelle Meinung nicht
bewerten. Prognosen sollten validiert sein, und dies ist im Zusammenhang
mit möglichen Leistungstrends für das folgende Jahr kaum möglich. Ich kann
mir aber gut vorstellen, dass die Entschleunigung eines hektischen Alltags,
das Nutzen neuer Trainingsreize, das Arbeiten an Stärken und Schwächen ohne
zeitlichen Druck – dass das durchaus neue Qualitäten eröffnen kann. Ich
kann mir aber auch vorstellen, dass Athleten in ein Loch fallen, wenn ein
Traum platzt.
Leistungssportler sind Menschen, die den Wettkampf brauchen, die große
Bühne. Wie lange werden sie es verkraften, wenn das alles fehlt?
Sie müssen die Krise annehmen und das Beste daraus machen. Wer das jetzt
schafft, wird auch derjenige sein, der sich bei den Wettkämpfen, die
irgendwann wieder kommen werden, durchsetzen kann. Shining under pressure
ist das Stichwort, unter Druck glänzen.
Viel diskutiert wird die Dopingfrage. Es kann nicht so kontrolliert werden
wie zuvor. Es gibt Befürchtungen, dass jetzt munter gedopt wird. Bereitet
Ihnen das Sorgen?
Das hat natürlich Auswirkungen auf das Anti-Doping-System, es kann aktuell
nicht in der gewohnten Form umgesetzt werden. Das ist ein Fakt, den wir
kritisch einordnen, aber zur Kenntnis nehmen müssen.
Wie erleben Sie die [2][Diskussion um Geisterspiele im Fußball]? Steht
einer Sportart eine solche Sonderrolle zu?
Ich habe großen Respekt vor allen Sportarten und den Entwicklungen, die sie
realisiert haben. Natürlich stellt sich die Frage, inwieweit entsprechende
Konzepte mit behördlichen Vorgaben vereinbar sind. Aber wenn es im Fußball
möglich wird, wird es auch Transfereffekte für andere Sportarten geben.
Auch wir hoffen ja auf eine späte Saison. Geisterspiele im Fußball wären
vielleicht eine Möglichkeit für uns, daraus zu lernen und Dinge zu
adaptieren.
Da kommt kein Neid auf?
Ich möchte nicht zwischen den Sportarten werten und urteilen. Die heutige
Zeit sollte uns nachdenklich machen und eher das Miteinander in den
Mittelpunkt stellen. Das ist eine weltweite Krise, die Menschen und somit
auch Sportarten und Sportler verbinden und nicht gegeneinander aufbringen
sollte.
28 Apr 2020
## LINKS
[1] https://www.rtl.de/cms/busemann-erwartet-2021-eine-leistungsexplosion-45252…
[2] /Neustart-der-Fussball-Bundesliga/!5678252
## AUTOREN
Susanne Rohlfing
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Leichtathletik
Meisterschaft
Leichtathletik
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Nike
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