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# taz.de -- Verspätete Saison in Leichtathletik: „Wir wollen Spaß haben“
> Stabhochspringer Torben Blech hat so gut trainiert wie vielleicht noch
> nie. Doch Olympia fällt aus – und er sehnt sich nach echten Wettbewerben.
Bild: Drüber: Torben Blech bei der Flight Night in Düsseldorf
taz: Nächste Woche würden die Olympischen Spiele 2020 eröffnet. Denken Sie
da manchmal dran?
Torben Blech: Auf jeden Fall. Gerade in den letzten fünf, sechs Wochen, in
denen es doch langsam ziemlich zäh wird. Wir sind ja quasi noch immer im
Aufbautraining. Ohne Corona liefe die Saison seit zwei Monaten und aktuell
wären wir schon in [1][Japan zur Akklimatisation] für Olympia. Stattdessen
haben wir eine verkehrte Welt.
Stattdessen haben Sie am vergangenen Samstag einen Testwettkampf auf der
heimischen Anlage mit den Trainingspartnern als Konkurrenz absolviert. 5,40
Meter haben Sie geschafft.
Ja, hervorragend. Totaler Mist, also ehrlich. Das ist einfach nur nervig.
Eigentlich bin ich gut drauf. Ich bin in der letzten Woche im Training aus
verkürztem Anlauf 5,60 Meter gesprungen. Davor die Woche auch. Dann kommt
dieser Testwettkampf und es heißt: Jetzt muss höher gesprungen werden, das
ist ja ein Wettkampf. In Wirklichkeit ist das aber ein Training wie sonst
auch. Mit derselben Trainingsgruppe. Da kommt überhaupt kein Gefühl von
Spannung auf. Wir brauchen endlich wieder echte Wettkämpfe.
Es soll in der Leichtathletik ja eine „late season“ geben. Wann geht es für
Sie los?
Am 25. Juli in Zweibrücken, da wird national alles, was stabhochspringen
kann, vor Ort sein. Das wird endlich mal ein Wettkampf, den man auch als
Wettkampf bezeichnen kann. Zwei Wochen später sind die Deutschen
Meisterschaften in Braunschweig und am 16. August findet ein Meeting in
Leverkusen statt. Da haben wir über einige Wochenenden Wettkämpfe und es
kommt hoffentlich ein bisschen Routine auf.
Sie waren zu Beginn der Coronakrise noch sehr zuversichtlich, wollten die
gewonnene Zeit für Athletik-Training nutzen, haben positiv nach vorn
geblickt …
Ja, ich habe mir gesagt: Dann bin ich nächstes Jahr eben noch stärker, noch
schneller und springe noch höher. [2][Nach dieser Pause] bin ich halt rein
körperlich ein Biest. Mein Trainingspartner Bo Kanda Lita Baehre und ich,
wir haben uns krass gepuscht und uns gesagt: Nach Corona muss die
Konkurrenz einfach Angst kriegen vor uns.
Sie haben im letzten Jahr die 5,80 Meter geschafft und damit die
Olympia-Norm geknackt. Der Plan war, in diesem Jahr daran anzuknüpfen.
Jetzt fehlt wahrscheinlich das Gefühl: Ich kann das noch. Oder?
Ich kann sogar noch mehr. Ich bin aktuell im Training so viel besser als im
ganzen letzten Jahr. Ich bin jetzt etwas genervt. Aber das bringt ja
nichts. Ich trauere nicht den Olympischen Spielen nach, die nun nicht
stattfinden. Jetzt gilt es, sich für die Late Season vorzubereiten. Wir
haben brutal gut trainiert und sind richtig gut drauf. Jetzt wollen wir
performen, wollen Leistung bringen, wollen Spaß haben, wollen rumkommen.
Die Norm, die Sie im vergangenen Jahr erfüllt haben, zählt auch noch für
die auf nächsten Sommer verlegten Spiele. Können Sie sich damit sicher
sein, ein Ticket in der Tasche zu haben?
Wenn in diesem Jahr noch eine 5,80 fallen würde, würde die nicht zählen.
Erst ab nächstem Jahr werden die Höhen wieder für die Olympia-Qualifikation
gewertet. Im Moment haben Raphael Holzdeppe und ich die Norm erfüllt und Bo
wäre über die Weltrangliste qualifiziert. Man kann sich natürlich nie
sicher sein, aber es müssten ja noch mindestens zwei Springer über 5,80
Meter kommen, damit meine Qualifikation in Gefahr geriete. Ich will mich
nicht darauf ausruhen, im Sport kann immer viel passieren. Aber ich weiß,
dass ich in den nächsten Monaten 5,80 Meter und höher springen kann.
Sie sind neben dem Sport auch Psychologiestudent, haben in diesem
Sommersemester allerdings wegen der Olympischen Spiele pausiert.
Ja, das ist ein bisschen doof gelaufen. Als klar war, dass Olympia
verschoben wird, war die Anmeldefrist für die Kurse bereits vorbei. Ich
werde später in den Beruf einsteigen als andere, aber tauschen würde ich
nicht. Der Sport gibt mir sehr viel: die Erfahrungen bei Wettkämpfen, die
Städte, Länder und Menschen, die ich kennenlerne, ich finde Freunde fürs
Leben, lerne Zielstrebigkeit und Gewissenhaftigkeit. Ich werde in meinem
Leben also noch genug arbeiten, warum soll ich diese Zeit jetzt, die zwar
nervenaufreibend, aber doch ganz schön ist, nicht auskosten? Ich ziehe den
Hut vor allen, die mit 18 Jahren ihr Abitur machen, das Studium in vier,
fünf Jahren durchziehen und dann voll in den Job einsteigen. Davor habe ich
größten Respekt. Aber genauso sollte man uns Sportlern Respekt
entgegenbringen, finde ich.
Keine Wettkämpfe, kein Studium – Sie konnten also trainieren wie nie zuvor.
Ja. Insofern könnte die Verschiebung der Spiele sogar ganz gut für mich
sein. Meine Entwicklung im Stabhochsprung hat nach dem Wechsel vom
Zehnkampf vor anderthalb Jahren gerade erst begonnen. Früher bin ich
angelaufen, habe den Stab irgendwie da reingehalten und bin mit null
Orientierung gesprungen. Das war ein Irgendwie-da-drüber-Eiern. Heute
fühlen sich meine Sprünge schon eher wie fliegen an. Bei den 5,80 Metern
habe ich zum ersten Mal gemerkt, wie viel Power so ein Stab hat. Verglichen
mit anderen fehlen mir aber unendlich viele Trainingssprünge.
Trotzdem springen Sie schon auf Weltklasseniveau.
Es hat auch etwas Gutes, dass ich so lange Mehrkampf gemacht habe. Ich
bringe richtig viel Power mit. Weltweit gibt es maximal ein oder zwei
andere Stabhochspringer, die so einen Bumms im Absprung haben wie ich. Das
ist meine Stärke. Technisch bin ich in den Top 20 der Welt dafür mit
Abstand der Schlechteste. Alles, was nach dem Absprung passiert, ist noch
nicht gut bei mir. Mein 5,80-Meter-Sprung, ganz ehrlich, der war technisch
lächerlich. Wirklich. Den muss man sich mal von der Seite angucken. Der
Absprung ist bombastisch. Aber alles danach eine Frechheit. Daran arbeite
ich. Es wird besser. Ich bin sicher, dass noch viel mehr drin ist.
14 Jul 2020
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## AUTOREN
Susanne Rohlfing
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