| # taz.de -- Corona und Arbeiten im Homeoffice: Die ganz große Mogelpackung | |
| > Alle BerlinerInnen im Homeoffice? Das geht gar nicht und kommt auf die | |
| > Branche an. Denn wer backt denn weiter Brötchen und Brot? Ein | |
| > Wochenkommentar. | |
| Bild: So sieht Homeoffice dann meistens aus … | |
| Homeoffice. Homeoffice. Das Wort dieser Tage neben Corona. Besser: das | |
| Unwort – und eine große Mogelpackung der Politik. Eingeschränkte | |
| Verkehrsverbindungen? Kein Problem, machste Homeoffice. Kitas dicht? Kann | |
| man ja von zu Hause aus arbeiten. Unter häuslicher Quarantäne? Egal, es | |
| gibt ja Homeoffice. | |
| Wenigstens nebenbei erwähnte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop von den Grünen | |
| am Dienstag mal, das gehe ja noch nicht für alle. Es geht aber eben nicht | |
| nur nicht für alle und das auch auf Dauer nicht, sondern vor allem nicht | |
| für die, die den eigentlichen Betrieb am Laufen halten. | |
| Denn wer backt denn weiter Brötchen und Brot? Wer muss an der | |
| Supermarktkasse die ganzen Abgedrehten und Hamsterer ertragen? Wer trägt | |
| morgens weiter diese Zeitung aus, bei Wind und Wetter? Wer kümmert sich im | |
| Altenheim um die Menschen? Und wer wird als Ärztin oder Pfleger in den | |
| Kliniken mutmaßlich unvorstellbar schwere Zeiten erleben? Wer fällt noch | |
| Urteile im Gerichtssaal, damit der Rechtsstaat weiter funktioniert? Wer | |
| holt weiter jeden Morgen den Müll ab? Und wer muss auf dem Weg dahin oft | |
| zwangsläufig mit Bus oder Bahn unterwegs sein und ein zusätzliches | |
| Corona-Risiko eingehen, weil er oder sie sonst nicht zur Bäckerei, Klinik, | |
| zum Altenheim, zum BSR-Fuhrpark oder zu seiner Polizeiwache kommt? | |
| ## Es wird die Frage sein … | |
| Das geht alles nicht von zuhause im Homeoffice, aus dem gerade schon nach | |
| wenigen Tagen die ersten Berichte von Lagerkoller dringen und wie schlimm | |
| das alles sei, die Kinder zu beschäftigen. Kann ja subjektiv so sein – aber | |
| es erinnert irgendwie an eine mehrere Jahre alte Reportage aus einem | |
| Bundeswehrstützpunkt in Afghanistan: Während draußen zwei Kampfbatallione, | |
| die sogenannten Draußis, unter Beschuss lagen, soll hinter den | |
| Stützpunktmauern, bei den „Drinnis“, im Meckerbuch die Frage gestanden | |
| haben, warum es zum Frühstück nur eine Marmelade gab. | |
| Wenn sich irgendwann mal die traurige Situation ergibt, dass nur die Hälfte | |
| der Menschheit weiterleben dürfte – weil in die Arche eben nicht alle | |
| reinpassen oder Hilfsraumschiffe von Aliens nur jeden Zweiten zu einem | |
| Ersatzplaneten evakuieren können, dann wird die Frage: „Kannst Du | |
| Homeoffice machen?“ eine ganz andere Bedeutung haben. | |
| Sie wird zu einer Art Triage werden, jenem grausamen, aber unvermeidbaren | |
| Entscheidungsprozess, den Ärzte durchlaufen, wenn sie festlegen, wen sie | |
| mit ihren begrenzten Ressourcen zuerst behandeln. Es wird die Frage sein, | |
| wer fürs nackte Überleben der Gesellschaft nötig ist, für den Notbetrieb | |
| oder ersten Wiederaufbau unter widrigsten Bedingungen. Und das werden | |
| meistens nicht die sein, die ihren Job zu Hause machen können. | |
| Das soll keine Schmähung sein – diese Zeilen entstehen ja selbst im | |
| Homeoffice. Aber diese Krise kann Respekt lehren: Respekt vor Menschen und | |
| ihrer Arbeit, die viele andere bisher bloß als natürliche und | |
| selbstverständliche Dienstleistung betrachtet haben. Eine Dienstleistung | |
| vor allem, die in vielen Fällen viel zu schlecht bezahlt wird. | |
| 21 Mar 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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