| # taz.de -- Corona-Vorbereitungen in Norddeutschland: Luft nach oben | |
| > Hamburg zeigt sich mit Blick auf die zunehmende Zahl der | |
| > Covid-19-Patient*innen entspannt. Andere Länder im Norden strukturieren | |
| > ihre Kliniken um. | |
| Bild: Derzeit überall begehrt, aber ohne Fachpersonal nutzlos: Beatmungsgerät… | |
| Hamburg taz | Es war ein eindringlicher Appell, den einige Mitglieder der | |
| Beschäftigteninitiative „Hamburger Krankenhausbewegung“ in dieser Woche an | |
| Öffentlichkeit und Entscheidungsträger*innen in Hamburg richteten. Sie | |
| forderten nicht nur, dass Bürger*innen sich an die Maßnahmen zur Eindämmung | |
| des [1][Coronavirus] halten, sondern auch Transparenz über tatsächlich in | |
| den Kliniken verfügbare Bettenkapazitäten, Materialbestände und geplante | |
| Maßnahmen für den Notfall. | |
| Die Öffentlichkeit wisse derzeit nicht, was der genaue Stand der | |
| Vorbereitungen und Kapazitäten in den einzelnen Häusern sei. „Auch wir | |
| Beschäftigte wissen zu wenig“, sagte Sophie Pieske, in der | |
| Krankenhausbewegung aktive Krankenpflegerin. | |
| Bund und Länder haben am Dienstag mit einem Notfallplan beschlossen, die | |
| Anzahl von Intensivbetten zu verdoppeln. Auch das Hamburger | |
| Universitätsklinikum Eppendorf arbeitet nach eigenen Angaben daran, die | |
| „intensivmedizinischen Ressourcen“ aufzustocken. Um welche Anzahl genau, | |
| bleibt aber genauso unklar, wie die zusätzlichen Kapazitäten in den | |
| Hamburger Asklepios-Kliniken. Auf Anfrage der taz teilt ein | |
| Asklepios-Sprecher lediglich mit, man habe die Möglichkeit, | |
| Beatmungskapazitäten auszubauen und weitere Intensivbetten | |
| bereitzustellen. | |
| Aus der Gesundheitsbehörde heißt es, man sei „vielschichtig“ um | |
| Unterstützung für das Gesundheitswesen bemüht. Das betreffe die Gewinnung | |
| von Personal und die Beschaffung von Schutzkleidung und Geräten. | |
| Zusätzliche Betten für Patient*innen mit leichterem Verlauf schafft Hamburg | |
| derzeit noch nicht. Der Notfallplan von Bund und Ländern sieht vor, dass | |
| Hotels, Hallen oder Reha-Einrichtungen dafür umgebaut werden. „Für | |
| derartige Maßnahmen sieht die Behörde aktuell entsprechend noch keine | |
| Veranlassung“, sagt ein Sprecher der Gesundheitsbehörde. „Bisher gibt es in | |
| Hamburg nur wenige stationäre krankenhausbehandlungsbedürftige Fälle.“ | |
| ## Schleswig-Holstein schafft Betten | |
| Andere Nordländer sind schon weiter. Schleswig-Holstein verfolgt ein | |
| Maßnahmenpaket, das sich nach Angaben des Sozialministeriums an dem Plan | |
| von Bund und Ländern orientiert. „Das Konzept verfolgt den Ansatz einer | |
| Trennung der Patientenströme soweit wie möglich“, heißt es. Die Kliniken | |
| hätten sich in Versorgungsstrukturen organisiert, wonach bestimmte Häuser | |
| vorrangig Covid-19-Patient*innen versorgen sollen, andere wiederum die | |
| Grund- und Regelversorgung übernehmen. | |
| Per Erlass wurden stationären Einrichtungen Vorsorge- und Reha-Maßnahmen | |
| sowie die Aufnahme neuer Patient*innen verboten. Die dadurch gewonnen | |
| Kapazitäten – das Ministerium spricht von 1.000 Betten in Rehakliniken – | |
| sollen im Bedarfsfall für die Aufnahme von Patient*innen dienen, die nicht | |
| an Covid-19 erkrankt sind, aber aus anderen Kliniken verlegt werden, um | |
| dort wiederum Kapazitäten für die Behandlung von Covid-19-Patient*innen zu | |
| schaffen. Außerdem würden weitere Betten geschaffen, beispielsweise einer | |
| kürzlich geschlossenen Klinik in Wedel. | |
| Die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein hat außerdem Pflegefachpersonen | |
| aufgerufen, sich für einen freiwilligen Einsatz registrieren zu lassen. | |
| Gesucht werden ausgebildete Pfleger*innen „die momentan nicht in diesem | |
| Beruf arbeiten, aber in der Krise helfen wollen.“ Es handle sich um eine | |
| Vorsichtsmaßnahme, erst mal würde noch kein Einsatz vermittelt, sondern nur | |
| Daten wie Qualifikation und Berufserfahrung gesammelt. „Wir kommen auf alle | |
| Freiwilligen zu, wenn es die Situation erfordert“, sagt die Präsidentin der | |
| Pflegeberufekammer, Patricia Drube. | |
| Dem medizinischen Personal wird eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung | |
| einer hohen Belastung durch viele Patient*innen mit schwerem Verlauf | |
| zukommen. Die Menschen in den zusätzlichen Betten müssen versorgt, die neu | |
| hinzukommenden Beatmungsgeräte bedient werden. | |
| „Wenn wir die Entwicklungen der Vergangenheit angucken, wo Betten wegen | |
| Personalmangels gesperrt wurden, und wir das auf eine Krisensituation | |
| übertragen, dann erkennt man, dass das Personal der Flaschenhals bei der | |
| Bewältigung sein wird“, sagt Tino Schaft, Sprecher der Pflegekammer | |
| Niedersachsen. | |
| Tatsächlich fehlten auch schon vor der Corona-Pandemie | |
| Intensivpflegekräfte. Betten mussten für die Versorgung gesperrt werden, | |
| wenn die Personaluntergrenzen unterschritten wurden. | |
| Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Grenzen, die die genaue | |
| Anzahl von Pflegekräften auf pflegeintensiven Stationen vorschreiben, schon | |
| Anfang März ausgesetzt. | |
| Klar ist aber auch, dass nicht jede nun für Krisenzeiten akquirierte Person | |
| eine Intensivpflegekraft ersetzen kann. „Bis eine Pflegekraft auf einer | |
| Intensivstationen voll einsatzfähig ist, dauert es Monate bis Jahre“, sagt | |
| Ulrike Mewing, Vorstandsmitglied der niedersächsischen Pflegekammer. | |
| Die Kammer prüfe derzeit, Crashkurse anzubieten für Pflegekräfte, die | |
| aushelfen könnten. „Das heißt nicht, dass Leute Intensivpatienten alleine | |
| versorgen sollen“, sagt sie. „Es geht nur darum, dass sie nicht vollkommen | |
| überfordert wären auf der Intensivstation, dass sie sich sicher fühlen und | |
| einschätzen können: Welcher Alarm ist wichtig? Wann muss ich handeln?“ | |
| Mewing glaubt aber, dass es konkrete Anreize braucht, damit Pflegekräfte, | |
| die den Beruf gewechselt haben, zurückkommen. „Ein Lächeln und ein | |
| Dankeschön reichen nicht“, sagt sie. | |
| ## In Bremen sollen Infizierte im Krankenhaus arbeiten | |
| Wie prekär die Personallage werden könnte, macht ein internes Schreiben | |
| der Spitze des Bremer Klinikverbunds Gesundheit Nord (Geno) an die | |
| Mitarbeiter*innen deutlich, über das [2][der Weser Kurier berichtet]. | |
| Demnach könnten Mitarbeiter*innen, die mit Corona infiziert sind, durchaus | |
| weiter arbeiten, wenn sie keine Symptome hätten. Das sei zwar nicht | |
| angestrebt, jedoch könnten im Verlauf der Pandemie Situationen entstehen, | |
| in denen jede helfende Hand gebraucht werde, sagte Geno-Sprecherin Karen | |
| Matiszick der Zeitung. | |
| Um zusätzliches Personal einsetzen zu können, hat die Geno nach eigenen | |
| Angaben Verwaltungsmitarbeiter*innen mit entsprechender Qualifikation | |
| gebeten, sich zu melden. Lehrkräfte aus den Aus- und Weiterbildungsschulen | |
| seien auch bereit, im Bedarfsfall in den Kliniken mitzuarbeiten. | |
| Wegen des ohnehin schon herrschenden Personalmangels sei es nötig, | |
| konsequent auf planbare Operationen zu verzichten, sagte Sophie Pieske von | |
| der [3][Hamburger Krankenhausbewegung] am Dienstag. | |
| Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) hatte das schon vor einer Woche von | |
| den Geschäftsführer*innen der Kliniken gefordert, um Kapazitäten für | |
| Covid-19-Patient*innen bereitzuhalten. | |
| Spahn versprach, dass die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Folgen für | |
| die Krankenhäuser ausgeglichen würden. Außerdem sollten die Kliniken Boni | |
| für jedes zusätzlich vorgehaltene Intensivbett bekommen. Die Frage, wie | |
| hoch diese Zahlungen genau seien und wann die Kliniken damit rechnen | |
| könnten, ließ sein Ministerium bis Redaktionsschluss unbeantwortet. | |
| Trotz dieser bleibenden Unsicherheit hat Niedersachsen am Mittwoch eine | |
| Verordnung angekündigt, wonach die Krankenhäuser planbare Eingriffe | |
| verschieben müssen. Ein entsprechender [4][Erlass gilt bereits in | |
| Schleswig-Holstein]. Die Bremer Gesundheitsbehörde hat mit den | |
| Krankenhäusern vereinbart, zu prüfen, inwieweit Absagen von Eingriffen | |
| Betten-, Material- und Personalkapazitäten schaffen kann. Die Geno | |
| verschiebt nach eigenen Angaben bereits nicht dringende Operationen. | |
| Aus der Hamburger Gesundheitsbehörde heißt es, man habe den Kliniken | |
| „empfohlen“, auf planbare Eingriffe zu verzichten. Noch am Dienstag | |
| berichtete Sophie Pieske von der Krankenhausbewegung: „Wir erleben, dass | |
| trotz des Appells elektive OPs fast unvermindert weiter gehen.“ Das deckt | |
| sich mit Medienberichten, in denen Mitarbeiter*innen aus Hamburger Kliniken | |
| schildern, dass weiter operiert wird. | |
| Deniz Celik, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion, forderte | |
| deshalb, dass Hamburg aufschiebbare Eingriffe und Behandlungen in den | |
| Hamburger Krankenhäusern verbietet. Auch in den Häusern, die nicht an der | |
| Notfallversorgung teilnehmen, müssten in der aktuellen Situation | |
| Kapazitäten bereit stehen. | |
| 20 Mar 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746 | |
| [2] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-geno-will-infizier… | |
| [3] https://www.hamburger-krankenhausbewegung.de/ | |
| [4] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/VIII/_startseite/Artik… | |
| ## AUTOREN | |
| Marthe Ruddat | |
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