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# taz.de -- Chinesische Super League in Gefahr: Kurz vor dem harten Crash
> Chinas Firmen haben horrende Summen in Fußballklubs investiert – mit
> mäßigem Erfolg. Die Virus-Krise könnte die Finanzblase zum Platzen
> bringen.
Bild: Meisterfeier der chinesischen Super League: Spieler von Guangzhou Evergra…
Peking taz | Als die Frauennationalmannschaft sich bereits im australischen
Trainingslager für die Olympischen Spiele in Tokio vorbereitete, saß deren
Starspielerin Wang Suang in ihrer Heimatstadt Wuhan fest. In sozialen
Medien machten Videos von der Chinesin die Runde, wie sie auf dem Dach
ihrer Wohnung kickte, während das Virus in der unter Quarantäne gestellten
Metropole wütete.
Wer mehr über das Schicksal des chinesischen Fußballs in Zeiten von Corona
erfahren will, muss an den fünften Stadtring von Peking fahren, in ein
Start-up-Industriegelände, wie es sie in der Metropole zu Dutzenden gibt.
Im lichtdurchfluteten Büro empfängt John Yan, Fußballmoderator und
ehemaliger Korrespondent des größten chinesischen Fußballmagazins in
England. An den Wänden hängen Fotos mit ihm und Trainerlegende Arsen Wenger
und Cristiano Ronaldo.
„Jetzt durch die Virus-Situation ist jeder Verein existenziell bedroht. Wir
befinden uns in einem Limbo“, sagt Yan. Offiziell soll die Saison der
Chinese Super League bereits in der zweiten Aprilhälfte weitergehen, doch
daran glaube niemand mehr. Laut Gerüchten werde das erste Spiel 28 Tage –
die doppelte Inkubationszeit – nach dem letzten Virusfall im Land
angepfiffen. „Wahrscheinlich hinter verschlossenen Türen. Volle Stadien
sind das Letzte, was die Regierung jetzt will“, sagt Experte Yan.
Spätestens Präsident Xi Jinping, selbst ein leidenschaftlicher Fan, hat
[1][das Großprojekt Fußballmacht] zur Chefsache erklärt: Massive
Investitionen soll die Nation bis spätestens 2050 an die Weltspitze führen.
Schon Parteiführer Deng Xiaoping, der das Land Ende der siebziger Jahre
wirtschaftlich öffnete, soll in seiner Jugend ein geradezu fanatischer
Anhänger des Ballsports gewesen sein.
## Alternde Stars aus dem Ausland
Sämtliche Klubs waren ursprünglich einmal Parteivereine. Anfang der
neunziger Jahre jedoch leitete der Staat eine massive Fußballreform ein:
Man wolle den Sport an die Gesellschaft zurückgeben, hieß es offiziell.
Tatsächlich jedoch wollte die Kommunistische Partei sich lieber auf andere
Sportdisziplinen konzentrieren, bei denen die Chancen auf olympische
Goldmedaillen für das Land größer schienen.
Längst jedoch hat die Chinese Super League finanzpotente Sponsoren, die
selbst manch europäischen Spitzenvereine asketisch wie einen tibetischen
Bettelmönch erscheinen lassen. Damit konnten die Asiaten eine beachtliche
Anzahl ausländischer Fußballspieler anlocken, etwa die Brasilianer Hulk
(vormals FC Porto) und Oscar, der einst für das brasilianische Nationalteam
aufgelaufen ist.
Tatsächlich jedoch dürfte es den Sponsoren weniger um die Leidenschaft zum
Sport gehen als vielmehr um Steuererleichterungen und politische Netzwerke.
„Selbst wenn Leidenschaft vorhanden war, dürfte die bald geschwunden sein,
wenn jahrelang nur Geld verbrannt wurde“, sagt Yan. Große Erfolge sind
ausgeblieben: Seit dem WM-Debüt 2002 konnten sich die chinesische
Nationalmannschaft nicht mehr für das Turnier qualifizieren und auch die
Liga spielt auf Amateurniveau. Die wirtschaftliche Nachhaltigkeit der
heimischen Liga sei „ein Witz“.
Viele Chinesen bezeichnen ihre Super League auch scherzhaft als
„Immobilienliga“. Fast alle der großen Sponsoren kommen schließlich aus
dieser Branche. Die Goldgräberstimmung für in die Jahre gekommene Profis
ist zudem vorerst vorbei: Der chinesische Fußballverband (CFA) hat nämlich
bereits eine Gehaltsobergrenze für ausländische Spieler angekündigt. Dies
sei die „effizienteste Methode, den Vereinen dabei zu helfen, Luft [2][aus
ihren Finanzblasen] abzulassen“, erklärte CFA-Generalsekretär Liu Yi.
Tatsächlich würden die meisten der Klubs zwischen 60 und 80 Prozent ihres
Geldes in internationale Transfers investieren.
Nun könnte es zum harten Crash kommen, sagt Yan. Traurig klingt er nicht:
Er bezeichnet die Liga bisweilen als „Schlachtfeld der Kriegsfürsten aus
der Immobilienbranche“. Erfolg könne man im Fußball eben nicht kaufen, es
gehe um gesellschaftliche Infrastruktur und nachhaltige
Nachwuchsausbildung: „Ich glaube nicht an Investment und Return. Den
Fußball muss man lieben.“
19 Mar 2020
## LINKS
[1] /Chinesische-Fussballakademie/!5390048
[2] https://www.zeit.de/2017/05/fussball-china-ausbildung-weltspitze/komplettan…
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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