# taz.de -- Kommerz in Chinas Profifußball: Kick für die nationale Identität | |
> Im chinesischen Fußball gibt es einen Konflikt zwischen nationalem | |
> Interesse und Kapitalentscheidungen. Möglich wäre aber auch ein dritter | |
> Weg. | |
Bild: Freude über ein Tor bei den Guangzhou Evergrande | |
Guangzhou RasenBallsport oder TSG Shanghai 1899. Das wären doch keine | |
schlechten Namen für große Fußballvereine. Der chinesische Fußballverband | |
hat nämlich in diesen Tagen 10 der 16 Klubs der Chinese Super League | |
angewiesen, den Teil ihres Vereinsnamens zu streichen, der aus den | |
Geldgeberfirmen besteht. | |
Es geht etwa um Jiangsu Suning, das von der Elektrohandelskette Suning | |
finanziert wird. Oder Shanghai SIPG, dessen Geld von der Shanghai | |
International Port Group kommt. Oder um Guangzhou Evergrande, das vom | |
Immobilienkonzern Evergrande gesponsert wird. | |
Suning, die SIPG und Evergrande sind keine kleinen Player in der | |
chinesischen Ökonomie. Die unglaublichen Summen, die diese Konzerne in ihre | |
Profiklubs gesteckt haben, ließen China zum lukrativen Arbeitsplatz für | |
nicht mehr ganz so ambitionierte Stars werden. Sportlich ging es mit der | |
Super League allerdings nicht wirklich bergauf, zumindest nicht so schnell, | |
wie man das gewollt hatte. [1][Guangzhou Evergrande etwa, Sieger der | |
asiatischen Champions League 2013 und 2015], konnte seit dem enormen | |
Kapitalschub keine internationalen Erfolge mehr einfahren. Auch aktuell ist | |
Guangzhou wieder einmal in der Gruppenphase der Champions League | |
gescheitert. | |
Wenn der chinesische Fußballverband jetzt „neutrale“ Namen anordnet, deutet | |
viel auf einen Machtkampf zwischen dem Fußballverband, der mit den Behörden | |
und der KP verbandelt ist, und der kapitalistisch organisierten Profiliga, | |
die von großen Konzernen alimentiert wird. Das etwa 2015 gestartete | |
Experiment, mit unglaublichen Geldsummen Spieler und Trainer nach China zu | |
locken, scheint zumindest ins Stocken zu geraten, vielleicht steht es auch | |
kurz vor dem Scheitern. | |
## Kapitalinteressen versus nationales Interesse | |
Aktueller Trainer von Guangzhou ist der Italiener Fabio Cannavaro, als | |
Spieler Weltmeister, als Trainer noch ohne große Erfolge. Chinesische | |
Medien berichten, Cannavoro könne etwa 30 Millionen US-Dollar als Abfindung | |
erhalten, wenn er nur seine Entlassung abwarte. Entmachtet ist er bereits. | |
Sein bisheriger Mannschaftskapitän Zheng Zhi ist neuer Generalmanager – | |
also von Cannavaros Befehlsempfänger zu Cannavaros Vorgesetztem | |
aufgestiegen. Der 40-jährige Zheng, der schon bei Celtic Glasgow kickte, | |
war zuletzt Kapitän der chinesischen Nationalmannschaft. | |
Zheng soll nun im Auftrag des Evergrande-Chefs Xu Jiayin den Umbau des | |
Vereins organisieren. Xu gehört mit einem auf 30 Milliarden Dollar | |
geschätzten Vermögen zu den reichsten Chinesen. Die Entscheidung des | |
Fußballverbandes, dass sein Immobilienunternehmen nicht mehr Namenssponsor | |
von Guanghzhou sein darf, schmeckt Xu nicht. | |
[2][Der Onlinedienst insideworldfootball.com vermutet], es sei nicht | |
wahrscheinlich, dass sich die derzeitigen Klubeigentümer zurückziehen, | |
„aber es kann ihr finanzielles Engagement verringern, wenn sie die Kosten | |
kaufmännisch nicht rechtfertigen können und Fußball als philanthropische | |
Ausgabe abschreiben müssen“. | |
Der Verband, der gerne den chinesischen Fußball gestärkt sieht und folglich | |
auf einheimische Spieler setzt, die dann die Nationalmannschaft verstärken, | |
will dafür sorgen, dass sich auch die chinesische Profiliga als nationales | |
Projekt präsentiert – und nicht als Tummelplatz für milliardenschwere | |
Investoren. Im chinesischen Fußball kann man sich nun überlegen, ob das | |
wirklich die Alternative ist, vor der man steht: entweder gut kicken, aber | |
austauschbar erscheinen, oder schlecht kicken, aber mit nationaler | |
Identität. Vielleicht lautet der Ausweg ja wirklich Guangzhou | |
RasenBallsport oder TSG Shanghai 1899. | |
10 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Chinesische-Fussballakademie/!5390048 | |
[2] http://www.insideworldfootball.com/2020/12/04/chinese-super-league-clubs-fo… | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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