# taz.de -- Verbrannt in der JVA Kleve: Manipuliert bis in den Tod | |
> Amad A. saß grundlos in Haft und verbrannte in seiner Zelle. Die Eltern | |
> glauben nicht an Suizid. Doch die Ermittlungen wurden eingestellt. | |
Bild: In der Justizvollzugsanstalt Kleve verbrannte Amad A. in seiner Zelle | |
Köln taz | Im Fall des [1][ohne jede Rechtsgrundlage inhaftierten] und in | |
seiner Zelle verbrannten syrischen Flüchtlings Amad A. haben die Anwälte | |
der Eltern schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. Die angebliche | |
Verwechselung des 26-jährigen Kurden mit einem völlig anders aussehenden | |
Mann aus dem afrikanischen Mali sei ein Zeichen von „institutionellem | |
Rassismus“, sagte Rechtsanwalt Eberhard Reinecke am Freitag bei einer | |
Pressekonferenz in Köln. „Die Grundhaltung dahinter ist: ‚Wenn du einen | |
Flüchtling einsperrst, triffst du keinen Falschen.‘“ | |
Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Kleve, die Ermittlungen wegen | |
Freiheitsberaubung gegen die Polizisten, die Amad A. festgenommen hatten, | |
einzustellen, sei deshalb Beschwerde eingelegt worden. „Manipulationen“ an | |
zwei Polizeidatenbanken, mit denen die grundlose Inhaftierung vom Amad A. | |
offenbar nachträglich gerechtfertigt werden sollte, seien „nicht | |
ausermittelt worden“, klagte Reineckes Partner Sven Tamer Forst. | |
Nach Zeugenaussagen vor einem Untersuchungsausschuss des | |
nordrhein-westfälischen Landtags wurde Amad A. im Juli 2018 im 35.000 | |
Einwohner*innen zählenden Ort Geldern festgenommen. Zuvor hatte die | |
Tochter eines Verkehrspolizisten ihren Vater auf dessen Diensthandy | |
angerufen und sich über eine angebliche sexuelle Belästigung durch den | |
26-Jährigen beschwert. | |
Zwar stellten sich die Vorwürfe als haltlos heraus – in Haft blieb der in | |
Aleppo geborene Bürgerkriegsflüchtling dennoch: Bis zum 17. September 2018 | |
saß er in der JVA Kleve ein. An diesem Tag brach in seiner Zelle ein Feuer | |
aus. Amad A. wurde so schwer verletzt, dass er zwölf Tage später nach einer | |
Lungentransplantation starb. Mehr als 40 Prozent seiner Haut waren | |
verbrannt. | |
## Datenbanken wohl manipuliert | |
Erklärt wurde seine widerrechtliche Haft durch eine fälschliche | |
Zusammenführung von zwei Datensätzen aus den zwei Polizeidatenbanken. Amad | |
A. soll dort als per Haftbefehl gesucht vermerkt gewesen sein. Angeblicher | |
Grund: Ein von der Staatsanwaltschaft Hamburg wegen schweren Diebstahls und | |
nicht bezahlter Geldstrafen gesuchter Mann aus Mali soll den Namen Amad A. | |
als Alias benutzt haben. | |
Eine Gutachterin des Landtags-Untersuchungsausschusses hatte dagegen | |
festgehalten, die Zusammenführung der beiden Personendatensätze sei erst | |
drei Tage nach der Verhaftung des Syrers erfolgt – die Daten dürften | |
[2][also nachträglich manipuliert worden] sein. | |
Der Sprecher der ermittelnden Staatsanwaltschaft Kleve, Günter Neifer, | |
hatte den Fall dagegen schon im Oktober 2018 als „äußerst tragisch“ – a… | |
im Wortsinn unvermeidlich – bezeichnet und damit den Tenor der weiteren | |
Ermittlungen gesetzt. Für die Staatsanwaltschaft handelt es sich bei dem | |
Tod um Suizid. Ein von ihr beauftragter Brandgutachter geht davon aus, dass | |
Amad A. Bettlaken, Decken und Matratze in seiner Zelle selbst angezündet | |
hat. Um Hilfe soll der Inhaftierte erst gerufen haben, nachdem das Feuer | |
bereits eine Viertelstunde gebrannt hat. | |
## Gutachter sieht Widersprüche | |
Vom WDR beauftragte Brand-Sachverständige hatten dagegen auf viele | |
Widersprüche hingewiesen. Kaum denkbar sei, dass Amad A. nach einer | |
Viertelstunde in der Zelle überhaupt noch in der Lage gewesen sein soll, | |
nach Rettung zu rufen. Damit steht auch der Verdacht unterlassener | |
Hilfeleitung im Raum. „Klar ist bisher nur, dass das Feuer nicht von außen | |
gelegt wurde“, sagte Rechtsanwalt Reinecke dazu. | |
Bezweifelt wurde die Suizid-These am Freitag in Köln auch vom Vater von | |
Amad A. „Mein Sohn saß in Syrien drei Jahre aus politischen Gründen im | |
Gefängnis“, erklärte Malak Zaher A. „Er ist dabei gefoltert worden. Warum | |
sollte er sich danach in Deutschland umbringen?“, fragte der 56-Jährige, | |
während seine Frau Fadila weinend daneben saß. | |
Sein Sohn sei ein motivierter, lebensfroher junger Mann gewesen, der an | |
Heirat gedacht habe. Ein Suizid mache für ihn einfach keinen Sinn, sagte | |
Malak Zacher A. – und bilanzierte bitter: „Wir sind nach Deutschland | |
gekommen, um in Demokratie und Frieden zu leben. Aber wir haben hier ein | |
Leben verloren.“ | |
13 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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