| # taz.de -- Feuertod in der JVA Kleve: Gedächtnislücken der Justiz | |
| > Eine Staatsanwältin wusste schon vor dem Tod von Amad A., dass es sich um | |
| > eine Verwechslung handelte. Nun könne sie sich an nichts erinnern. | |
| Bild: In der JVA Kleve war Amad A. unschuldig eingesperrt | |
| Düsseldorf taz | „Ich kann mich nicht erinnern.“ Keinen Satz sagt die | |
| Braunschweiger Staatsanwältin Silke Schaper vor dem Untersuchungsausschuss | |
| des nordrhein-westfälischen Landtags, der den Tod des ohne Rechtsgrundlage | |
| inhaftierten und in seiner Zelle [1][in der Justizvollzugsanstalt Kleve | |
| verbrannten Geflüchteten] Amad A. aufklären soll, am Dienstagnachmittag | |
| öfter. | |
| Dabei war Ende Mai eine von der Juristin unterzeichnete brisante Verfügung | |
| aufgetaucht, die klarmacht, dass Schaper schon Wochen vor dem Zellenbrand | |
| wusste, dass der Kurde aus dem syrischen Aleppo mit einem dunkelhäutigen | |
| Mann aus Mali verwechselt wurde. Amad A. sei „nicht identisch“ mit der | |
| Person Amed G., notierte die Staatsanwältin mit Datum vom 27. Juli 2018, | |
| also mehr als zwei Monate vor dem Tod des Geflüchteten. Die Worte „nicht | |
| identisch“ hat die heute 50-Jährige unterstrichen. Sie habe deshalb auch | |
| mit dem Polizisten Frank G. von der Polizei Kleve telefoniert, hielt | |
| Schaper schriftlich fest. | |
| Vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss machte die Juristin | |
| trotzdem massive Erinnerungslücken geltend. Der Fall sei ihr erst wieder | |
| ins Gedächtnis gerückt, nachdem sie ihre eigene Verfügung noch einmal | |
| gelesen habe. Vom Tod des Kurden, der aus Verzweiflung über seine | |
| unrechtmäßige Inhaftierung am 17. September 2018 ein Feuer in seiner Zelle | |
| gelegt haben soll, habe sie erst „vor zwei Wochen durch eine Presseanfrage“ | |
| erfahren. Amad A. war bei dem Brand so schwer verletzt worden, dass er | |
| zwölf Tage später nach einer Lungentransplantation starb. | |
| „Ich kümmere mich um wesentliche Fälle. Das war für mich kein wesentlicher | |
| Fall“, erklärte die niedersächsische Staatsanwältin in Düsseldorf. Sie ha… | |
| den Malier Amed G. wegen mehrfachen Diebstahls, etwa von „Turnschuhen bei | |
| Karstadt“, suchen lassen. Im Nachhinein habe sie rekonstruiert, dass sie | |
| wohl von einer „geografisch interessierten Mitarbeiterin“ ihrer | |
| Geschäftsstelle darauf hingewiesen worden sei, dass der Geburtsort von Amad | |
| A. – Aleppo – nicht in Mali liege. | |
| ## Beschwerde über Anreise | |
| An das laut ihrer eigenen Verfügung erfolgte Telefonat mit dem Klever | |
| Polizisten G., der den Geflüchteten in Haft hielt und gegen den heute wegen | |
| Freiheitsberaubung ermittelt wird, könne sie sich aber „nicht erinnern“, | |
| sagte Schaper am Dienstag und lachte. „Ihr Lachen spricht Bände“, meinte | |
| daraufhin der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, der Christdemokrat | |
| Jörg Geerlings. | |
| Warum ihr klar gewesen sei, dass der in Kleve inhaftierte Amad A. nicht die | |
| „sehr dunkle Hautfarbe“ des von ihr gesuchten Maliers Amed G. hatte, wisse | |
| sie leider auch nicht mehr, erklärte die Braunschweigerin – und beschwerte | |
| sich, dass sie „für etwas, an das man sich nicht erinnern kann“, sieben | |
| Stunden Anreise- und Arbeitszeit aufwenden müsse. | |
| Vom CDU-Abgeordneten Oliver Kehrl darauf hingewiesen, dass es um den Tod | |
| eines Menschen gehe, fing sich Schaper aber wieder – und erklärte, „in 20 | |
| Jahren“ nicht einen ähnlichen Fall gehabt zu haben. Sie habe deshalb auch | |
| versucht, Kontakt zu der Staatsanwaltschaft Hamburg aufzunehmen, die den | |
| Malier Amed G. ebenfalls suchte. „Aber von dort ist nichts gekommen“, so | |
| die Juristin. Das sei aber „durchaus üblich“. | |
| Zumindest „widersprüchlich“ seien die Aussagen der Juristin, sagte der | |
| Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss, Stefan Engstfeld, nach der | |
| Sitzung. „Einerseits soll es sich um ein unwesentliches Verfahren gehandelt | |
| haben“, so der Grüne zur taz. „Andererseits telefoniert die Staatsanwältin | |
| mit der Polizei eines anderen Bundeslands, wendet sich auch an Hamburg.“ | |
| ## Schmallippiger Polizist | |
| Engstfeld hofft nun, dass niedersächsische Informatiker klären können, wann | |
| genau am 27. Juli 2018 die Staatsanwältin mit dem Klever Polizisten G. | |
| telefoniert hat. Denn der hat genau an diesem Tag noch einmal in | |
| Polizeidatenbanken zum Fall Amad A. recherchiert – und nach Aussagen von | |
| LKA-Beamten soll auch daraus innerhalb weniger Minuten erkennbar gewesen | |
| sein, dass der Kurde und der Malier nicht identisch sein konnten. | |
| Die Staatsanwaltschaft Kleve geht deshalb erneut dem Verdacht der | |
| Freiheitsberaubung nach. [2][Erste Untersuchungen waren eingestellt | |
| worden], worauf auch die in Deutschland lebenden Eltern vom Amad. A. | |
| Beschwerde eingelegt hatten. Entsprechend schmallippig gab sich im Landtag | |
| der unter Verdacht stehende Kriminalkommissar G. „Ich mache von meinem | |
| Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch“, war der einzige wesentliche Satz, | |
| den er außer Angaben zu seiner Person sagte. | |
| Dennoch sei durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses schon heute | |
| deutlich, dass die Verwechselung des Kurden Amad A. mit dem Malier Amed G. | |
| den Behörden Wochen vor dem tödlichen Brand bekannt war, sagte der | |
| Sozialdemokrat Sven Wolf nach der Sitzung zur taz. „Wenn das einer | |
| geografisch interessierten Mitarbeiterin einer Geschäftsstelle der | |
| Staatsanwaltschaft Braunschweig aufgefallen ist, muss das auch den Beamten | |
| in NRW aufgefallen sein“, so der SPD-Fraktionsvize. Dass überhaupt wieder | |
| wegen Freiheitsberaubung ermittelt werde, sei „eine große Leistung des | |
| Untersuchungsausschusses“. | |
| 10 Jun 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
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