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# taz.de -- Coronavirus und Finanzkrise: Ein Virus ist keine Blase
> Der Vergleich der Finanzkrise mit dem Virus passt nicht. Wenn man schon
> biologistisch ist, eignet sich eine andere Krankheit besser für eine
> Analogie.
Bild: Ende Februar in Seoul: Mitarbeiter einer Desinfektionsfirma kämpfen gege…
Für das Coronavirus ist kein Superlativ zu drastisch: Er gilt nicht nur als
Auslöser einer „Pandemie“, sondern wird auch häufig mit der Finanzkrise
2008 verglichen. Die [1][US-Notenbank Fed scheint diese Sicht jetzt zu
bestätigen]: Am Dienstag senkte sie ihre Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte –
und zwar auf einer Sitzung, die dafür eigentlich gar nicht vorgesehen war.
Ad-hoc-Maßnahmen hatten die US-Währungshüter zuletzt 2008 beschlossen, um
das globale Finanzbeben einzudämmen.
Auf den ersten Blick scheint es tatsächlich naheliegend, das Coronavirus
mit der Finanzkrise zu vergleichen – denn beiden gemeinsam ist die Panik.
Weltweit werden [2][jetzt Großveranstaltungen abgesagt], Flüge gestrichen
und [3][Fabriken geschlossen], um zu verhindern, dass sich das Virus weiter
verbreitet. Auch in der Finanzkrise hatten viele Firmen und Banken Angst
vor einer „Ansteckungsgefahr“.
Der Geldfluss zwischen den Banken kam damals völlig zum Erliegen, und viele
Betriebe stoppten ihre Bestellungen, um erst einmal abzuwarten, wie sich
die Finanzkrise weiter entwickeln würde. Weltweit begab man sich in eine
Art ökonomische Quarantäne.
Doch so naheliegend die Analogien sind: Es führt in die Irre, das
Coronavirus mit einer Finanzkrise zu vergleichen. Das Virus wird zwar zu
erheblichen ökonomischen Einbußen führen – aber nur vorübergehend. Sobald
die Epidemie unter Kontrolle ist, wird sich die Wirtschaft schon deswegen
erholen, weil es zu Nachholeffekten kommt. Beispiel Tourismus: Panische
Reisende stornieren zwar jetzt ihre Flüge, aber der Wunsch nach Erholung
bleibt. Also werden sie neue Touren buchen, sobald sich das Virus
verflüchtigt hat. Einige abgesagte Großereignisse wie die Leipziger
Buchmesse lassen sich zwar nicht neu terminieren, aber dieser Schaden
bleibt überschaubar.
Finanzkrisen sind von einer völlig anderen Dimension. Sie ähneln einem
Krebsgeschwür, das jahrelang in einem Körper wuchert. Finanzkrisen sind ein
Systemversagen des Kapitalismus. Sie kommen von innen, nicht von außen wie
ein Virus.
## Krebsgeschwüre, die zunächst gutartig erscheinen
Finanzkrisen entstehen immer dann, wenn zu viele Kredite gewährt werden.
Meist wird die Gefahr gar nicht erkannt, weil genau diese Kredite zunächst
für Wachstum und Wohlstand sorgen. Die Finanzkrise 2008 war dafür typisch:
In den USA, aber auch in Großbritannien, Irland, Spanien, Island oder
Lettland wurden ungebremst Hypotheken vergeben, sodass die Baubranche
boomte und die Häuserpreise stiegen. Alle schienen reicher zu werden. Doch
jede Finanzblase platzt irgendwann: Der Kreditfluss stockt, die
Häuserpreise fallen – und Millionen Menschen sind plötzlich überschuldet.
Sie haben Darlehen aufgenommen, für die es gar keinen Gegenwert gibt,
nachdem der Immobilienmarkt zusammengebrochen ist.
Als Nächstes kollabieren daher die Banken, weil Kredite nicht mehr
zurückgezahlt werden. Der Staat muss einspringen und diese Institute mit
Milliardensummen stützen, um zu verhindern, dass sich die Krise weiter
durch die Wirtschaft frisst. Sehr viele Menschen glauben, dass mit diesen
Rettungsaktionen die Finanzkrise vorbei sei. Schön wär’s.
Bei einem Krebsgeschwür sind oft jene Entartungen besonders tückisch, die
zunächst als gutartig erscheinen. So ist es auch bei Finanzkrisen. Das
zentrale Problem taucht ausgerechnet dort auf, wo die Tugend mustergültig
zu walten scheint: Es handelt sich um jene Häuslebauer, die zwar
überschuldet, aber nicht gänzlich pleite sind, und die nun eisern sparen,
um ihre Kredite zurückzuzahlen. Wenn aber Millionen Bürger auf Konsum
verzichten, dann fehlt Nachfrage, und die Wirtschaft lahmt. Die Last der
Vergangenheit zerstört die Zukunft.
Finanzkrisen schwächen eine Wirtschaft auf Jahre; die Eurozone hat dies
genauso erlebt wie die USA. Beim Coronavirus ist dies nicht zu erwarten.
Also keine falsche Panik.
5 Mar 2020
## LINKS
[1] /Konzertierte-Notenbanken-Aktion/!5669321
[2] /Buchmesse-wegen-Corona-abgesagt/!5666337
[3] /Folgen-des-Corona-Virus/!5664447
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Wirtschaftskrise
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US-Notenbank
Fed
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