| # taz.de -- Tod von Ägyptens Ex-Diktator Mubarak: 30 Jahre an der Macht gehalt… | |
| > Hosni Mubarak regierte das Land mit harter Hand. Erst die | |
| > Tahrir-Aufstände 2011 zwangen ihn zum Rücktritt. Nun ist er mit 91 Jahren | |
| > gestorben. | |
| Bild: Hosni Mubarak im Jahr 1974. Damals war er noch nicht Präsident, sondern … | |
| Kairo taz | Es ist wie ein kurzer Ruf aus der Vergangenheit. Die | |
| Verkündung, dass der 91-jährige ehemalige ägyptische Präsident Hosni | |
| Mubarak am Dienstagvormittag verstorben ist, löste im Land am Nil nur | |
| wenige Reaktionen aus. Denn wie alle anderen Autokraten, die während der | |
| [1][Arabellion 2011] gestürzt wurden, ob der Tunesier Ben Ali oder Gaddafi, | |
| spielte Mubarak seit seiner Abdankung vor neun Jahren im politischen Leben | |
| seines Landes keine Rolle mehr. | |
| Zwar liefen im ägyptischen Staatsfernsehen obligatorisch die | |
| Mubarak-Nachrufe. Dabei wurde aber sein Ende, der [2][Aufstand gegen ihn | |
| auf dem Tahrirplatz], der am 25. Januar 2011 begann, geflissentlich | |
| ausgelassen. So als hätte Mubaraks Macht ein magisches Ende gefunden. Ein | |
| Zeugnis dafür, wie sehr die neuen Machthaber des Landes, Präsident Abdel | |
| Fattah al-Sisi und die Militärs, den Arabischen Frühling von damals | |
| vergessen machen wollen. | |
| Mubarak kam 1981 an die Macht, als dessen Vorgänger Anwar al-Sadat auf | |
| einer Militärparade von militanten Islamisten erschossen wurde. Nur wenige | |
| gaben dem damals eher unauffälligen und wenig charismatischen | |
| Luftwaffenchef eine lange Überlebensdauer seiner Macht. So kann man sich | |
| täuschen. | |
| Als Mubarak seine Präsidentschaft in Ägypten antrat, hieß der deutsche | |
| Kanzler Helmut Schmidt. Der saß pensioniert, zigarettenrauchend und | |
| [3][staatsmännisch in deutschen Talkshows], als Mubarak, nach sechs | |
| gescheiterten Anschlägen gegen ihn, immer noch sein Land mit harter Hand | |
| regierte, bevor er am 11.2.2011 und nach einem [4][18 Tage andauernden | |
| Aufstand] gegen ihn schließlich abdankte. | |
| ## Erst verurteilt, dann freigesprochen | |
| Was folgte, war eine Serie von Prozessen gegen ihn. Die ersten Bilder von | |
| ihm, in der aufgerichteten medizinischen Liege im Gerichtskäfig des | |
| Angeklagten, versteckt hinter seiner Sonnenbrille, gingen um die Welt. | |
| Zunächst war er [5][für den Tod von 800 Demonstranten] während des | |
| Aufstands gegen ihn zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Rest der | |
| Prozessgeschichte ist ein perfektes Beispiel dafür, wie ein Diktator, | |
| gedeckt von den neuen Machthabern, nicht zur Rechenschaft gezogen wird. | |
| Nur ein halbes Jahr später ordnet ein Gericht eine Wiederauflage des | |
| Prozesses an. Mubarak kam aus dem Gefängnis frei und wurde, abgeschirmt von | |
| der Öffentlichkeit, in einem Militärkrankenhaus untergebracht, wo er | |
| praktisch unter Hausarrest stand. Weniger als zwei Jahre später wurde er | |
| freigesprochen, nicht nur vom Vorwurf, für den Tod von Demonstranten | |
| verantwortlich zu sein, sondern auch von dem, staatliche Gelder veruntreut | |
| zu haben. Im [6][März 2017 gewann er auch die Berufung] und wurde | |
| freigelassen. Damit verschwand er endgültig aus dem Blick der | |
| Öffentlichkeit. | |
| Wenn das Erbe gestürzter Autokraten beurteilt wird, fällt das in der Regel | |
| wenig gut für den Diktator aus. Aber zu seinen Amtszeiten bekam er durchaus | |
| unterschiedliche Noten. International galt er, bis zu dem Aufstand gegen | |
| ihn, als [7][Garant der Stabilität]. Er hat den von seinem Vorgänger Sadat | |
| geschlossenen Friedensvertrag mit Israel weitergeführt. Im Golfkrieg 1991 | |
| schlug er sich gegen seinen Autokraten-Kollegen Saddam Hussein auf die | |
| Seite von Georg Bush senior. Er war stets ein treuer Verbündeter des | |
| Westens und der USA. Ein Grund, warum wenige Fragen über seinen | |
| Führungsstil zu Hause gestellt wurden. | |
| ## Angst vor Reformen | |
| Denn innenpolitisch agierte er wie ein typischer arabischer Autokrat. Er | |
| hat sein Land politisch und wirtschaftlich drei Jahrzehnte lang in der | |
| Garage abgeparkt. An dringend benötigte wirtschaftliche und politische | |
| Reformen hat er sich, mit Ausnahme einiger weniger kosmetischer | |
| Veränderungen, nie herangewagt, wohl auch aus Angst, dass er sich selbst | |
| wegreformieren könnte. Das hat ihm am Ende seine Macht und dem Land drei | |
| Jahrzehnte Entwicklung gekostet. | |
| Als die Menschen damals [8][seinen Sturz auf dem Tahrirplatz feierten], | |
| hofften sie, dass ihre Zukunft und die der gesamten arabischen Welt | |
| demokratisch und friedlich ausgehandelt würde. Manche dürften sich heute zu | |
| den Zeiten Mubaraks nostalgisch zurücksehen. Denn einer der Gründe, warum | |
| sich Mubarak so lange an der Macht halten konnte, war, dass er ein Meister | |
| der Politik war, die Schrauben anzuziehen und dann doch wieder genug | |
| politischen Freiraum zu lassen, dass der Kessel nicht explodiert. Die | |
| Opposition saß, einschließlich der islamistischen [9][Muslimbrüder], in | |
| kleinen ungefährlichen Dosen im Parlament. Die Medien konnten durchaus | |
| kritisch sein, solange sie nicht den Präsidenten und seine Familie direkt | |
| kritisierten. | |
| Die heutigen Machthaber aber haben aus seinem Ende durch den Arabischen | |
| Frühling die Lektion gezogen, überhaupt keinen politischen Freiraum mehr zu | |
| lassen, mit der Gefahr, dass nirgendwo Dampf abgelassen werden kann. Heute | |
| hat der [10][Repressionsapparat neue Höhen] erreicht, die Mubaraks Zeiten | |
| für manche Ägypter als harmlos erscheinen lassen. | |
| ## Marodes Bildungssystem | |
| Derweil darf man nicht vergessen, dass die heutigen Machthaber in Ägypten | |
| immer noch vor allem Mubaraks Erbe verwalten. Ein vollkommen marodes | |
| Bildungssystem, ein Gesundheitssystem, bei dem man nur hoffen kann, dass | |
| das Coronavirus nicht in Ägypten zuschlägt, und Institutionen, mit denen | |
| eigentlich kein Staat zu machen ist. Dazu kommt, dass ein Drittel der | |
| Ägypter heute offiziell unter der Armutsgrenze leben. | |
| Vielleicht fasst ein Tweet der damaligen [11][Tahrir-Aktivistin Ghada | |
| Shabender] das am besten zusammen. „Mubarak hat sein Land in die Armut | |
| getrieben, sein Bildungs- und Gesundheitssystem ruiniert und eine | |
| Regionalmacht bedeutungslos gemacht, möge Gott ihn gerecht und gnädig | |
| beurteilen.“ | |
| Mubarak war am Ende nur noch so etwas wie eine politische Messlatte. Das | |
| ganze Land ist sich einig, dass er für politische Stagnation und Korruption | |
| stand. Aber jene, die froh waren, ihn vor neun Jahren losgeworden zu sein, | |
| stimmen heute auch darin überein, dass er weniger autoritär war als die | |
| heutigen Herrscher des Landes. | |
| 25 Feb 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Karim El-Gawhary | |
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