# taz.de -- Kampf um die Rummelsburger Bucht: Bis die Polizei kommt | |
> Aktivist*innen vom Wagenplatz Sabotgarden haben am Donnerstag Bäume | |
> besetzt, um deren Rodung zu verhindern. | |
Bild: Rummelsburger Bucht Donnerstagnachmittag: da sind die BaumbesetzerInnen n… | |
BERLIN taz | Eine junge Aktivistin, die Mascha genannt werden will, hakt | |
das Seil in ihr Klettergeschirr, bevor sie auf die mehrere Meter hoch | |
gelegene Plattform im Baum steigt. „Ich will nicht, dass Menschen verdrängt | |
und Bäume zerstört werden, nur damit hier Investa Wohungen für Reiche bauen | |
kann.“ | |
Bereits am Mittwochnachmittag hatten Arbeiter im Auftrag des Eigentümers, | |
der Investa GmbH, mit Rodungsarbeiten auf einer Brache an der Rummelsburger | |
Bucht begonnen. Das Gelände ist aber schon seit Monaten durch den | |
Wagenplatz Sabotgarden besetzt. Die Aktivisten kletterten daraufhin am | |
Donnerstagmorgen auf mehrere Bäume, um die Rodungen zu verhindern. Mit | |
einem Großaufgebot räumte die Polizei noch am Nachmittag die Baumbesetzung. | |
Am frühen Morgen sind noch nicht viele Polizist*innen zu sehen. Nur ein | |
paar Mitarbeiter der Gartenfirma und Securities stehen verunsichert um den | |
Zaun des Wagenplatzes. Immer wieder regnet es kalte Schauer, die | |
Aktivist*innen nutzen die Zeit, um Planen auf den Plattformen zu | |
befestigen. | |
„Ich will Freiräume schaffen, in denen Menschen auch mit wenig Geld und in | |
Gemeinschaft leben können“, erklärt Mascha ihre Motivation, im Sabotgarden | |
zu leben. Dies sei in Berlin leider immer weniger möglich, da überall | |
verdrängt werden würde. Das beste Beispiel sei die Rummelsburger Bucht. | |
Außerdem sei jeder Baum wichtig, fügt sie hinzu. „Besonders wenn er so | |
einem blöden Aquarium weichen muss.“ | |
## Offen für alle | |
Im Mai 2019 besetzte die queer-feministische Wagengruppe DieselA die Brache | |
aus Protest gegen den umstrittenen „Bebauungsplan Ostkreuz“, der wenige | |
Wochen zuvor im Lichtenberger Bezirksparlament beschlossen worden war. | |
Damit wurde auch einer der letzten Chancen vertan, den Bau des Aquariums | |
Coral World politisch zu verhindern. | |
Die Besetzer*innen rechneten ursprünglich nicht damit, die Besetzung so | |
lange aufrechterhalten zu können. Doch die befürchtete Räumung blieb aus, | |
da das Grundstück zu dem Zeitpunkt noch offiziell im Besitz des Landes war. | |
Die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte damals kein | |
Interesse an einer Räumung. | |
Die Besetzung blieb also. Anfang September 2019 zog ein Teil der | |
Besetzer*innen weiter und der Wagenplatz benannte sich in Sabotgarden um. | |
Mit der Umbenennung änderte sich auch der Charakter des Platzes, erklärt | |
Aktivist Ilja Goose. Im Gegensatz zu anderen Wagenplätzen sei der | |
Sabotgarden offen für alle: „Jeder kann kommen, wir schließen niemanden | |
aus“, so Goose. | |
Derzeit bewohnen geschätzt 30 Menschen in ausgebauten Transportern, | |
selbstgebauten Hütten und Zelten die Brache. „Wir sind eine sehr diverse | |
Gruppe“, erklärt Aktivistin Zora. Nicht nur Angehörige der linken Szene | |
seien hier, sondern auch Menschen, die an alternativen Wohnformen | |
interessiert sind oder einfach nirgendwo sonst eine Bleibe finden. So haben | |
auch einige Roma-Familien provisorische Hütten hier errichtet, die an | |
anderen Plätzen immer wieder vertrieben werden. | |
## Brache noch länger nutzen | |
Trotz der unterschiedlichen Hintergründe und des damit einhergehenden | |
Konfliktpotenzials sei das Zusammenleben friedlich. „Wir verstehen uns als | |
eine Gruppe“, beschreibt Zora das Zusammenleben auf dem Platz. So gebe es | |
wöchentliche Plena, an denen fast alle teilnehmen. | |
Die Aktivist*innen hofften, die Rodungen noch bis Sonntag verhindern zu | |
können. Der Grund: Ab dem 1. März sind Rodungsarbeiten aus | |
Naturschutzgründen grundsätzlich nur noch mit Ausnahmegenehmigung | |
gestattet. Das Bezirksamt bestätigte gegenüber der taz, dass Investa keine | |
solche Genehmigung beantragt hat. Der Immobilienkonzern, der auf dem | |
Gelände vor allem teure Mietwohnungen errichten will, könnte dann | |
frühestens mit dem Beginn der neuen Rodungssaison im September mit den | |
Bauarbeiten beginnen. Die Aktivist*innen erhofften sich dadurch, die Brache | |
noch länger nutzen zu können. | |
Doch gegen Mittag kam die Polizei mit einem Großaufgebot und umstellte das | |
Gelände. Gegen 13.30 Uhr gelang es zunächst den Beamten, zwei Aktivisten, | |
die sich in einem Baumhaus verbarrikadierten, zu entfernen, indem sie das | |
Dach aufschnitten. Zudem wurden alle Bewohner*innen des Platzes verwiesen, | |
bei mehreren Aktivist*innen wurden die Personalien überprüft. Ein | |
Sprecher der Besetzer*innen berichtete der taz, sechs der Aktivist*innen | |
haben die Angabe ihrer Personalien verweigert und wurden in die | |
Gefangenensammelstelle gebracht. Die Polizei berichtete auf Twitter, dass | |
es sich um eine richterlich angeordnete Razzia gehandelt habe und keine | |
Räumung. Ausgangspunkt seien nicht näher bestimmte „Straftaten“ gewesen �… | |
Pyrotechnick soll in Richtung der Arbeiter geworfen worden sein. | |
Zum Redaktionsschluss der taz-Printausgabe um 17 Uhr am Donnerstag (27. | |
Februar 2020) harrten immer noch mindestens zwei Aktivist*innen auf einer | |
Plattform aus. Unklar ist, ob die Bewohner*innen nach Abschluss der | |
Fällarbeiten die Wagenburg wieder betreten dürfen. | |
27 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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