# taz.de -- Umgang mit Corona in Deutschland: So geht Demokratie | |
> In Zeiten eines grassierenden Virus oder einer anderen Bedrohung machen | |
> Politiker oft Fehler. Im Moment aber machen viele Vieles richtig. | |
Bild: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gibt Auskunft über das Coronavirus | |
Was auch immer in den nächsten Tagen und Wochen im Zusammenhang mit dem | |
[1][Coronavirus] geschieht, etwas steht schon jetzt fest: Es werden Fehler | |
gemacht werden, und das wird zu Ärger in der Bevölkerung führen. Vermutlich | |
zu Recht. Krisen haben das so an sich. Bisher aber – und das ist ein | |
unerwartetes Glück – machen sehr viele Verantwortliche sehr Vieles richtig. | |
Das Wichtigste: Gegenwärtig werden wir als die Erwachsenen behandelt, die | |
wir sind. Regelmäßig bekommen wir Informationen, auch mögliche Probleme und | |
ein unzureichender Kenntnisstand werden nicht verschwiegen. Sollte | |
selbstverständlich sein, ist es aber nicht. | |
2015 ließ der damalige Innenminister Thomas de Maizière ein | |
Fußballländerspiel wegen eines möglichen Terroranschlags absagen. Welche | |
konkreten Hinweise und Warnungen ihn zu dieser Entscheidung veranlasst | |
hatten, wollte er auf einer Pressekonferenz nicht mitteilen. Einige dieser | |
Informationen würden „die Bevölkerung verunsichern“, erklärte er. | |
Nun kann es gute Gründe geben, gerade in einem so sensiblen Bereich wie der | |
Terrorbekämpfung nicht alles zu erzählen, was man weiß. Aber Rücksicht auf | |
zarte Gefühle gehört nicht dazu. Mündige Bürgerinnen und Bürger haben einen | |
Anspruch auf möglichst umfassende Aufklärung. | |
Im Augenblick wird dieser Anspruch erfüllt. Sei es der zuständige | |
[2][Bundesminister Jens Spahn], sei es die [3][Berliner | |
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci]: Sie räumen ein, wenn sie etwas nicht | |
wissen oder nur schwer einschätzen können. Sie geben zu, dass manche | |
Entscheidungen keineswegs „alternativlos“ sind, sondern auf Güterabwägung… | |
beruhen. Und dass man sie auch anders hätte treffen können. Wunderbar. | |
Das löst, zumindest bei mir, keine Verunsicherung aus, sondern baut | |
Vertrauen auf. Liegt darin vielleicht die Lösung des Rätsels, wie Parteien | |
der wachsenden Politikerverachtung begegnen könnten? | |
Wenn es nicht um eine Seuche geht, sondern um ein beliebiges anderes Thema, | |
dann kommen politische Stellungnahmen seit Jahren glatt, gefällig und | |
scheinbar widerspruchsfrei daher. Das müsste so nicht sein. Beispiel | |
Grundrente. | |
Hätte nach erfolgter Einigung im Kabinett sich jemand hingestellt und | |
erklärt: „Wir wissen auch noch nicht genau, ob wir ein bürokratisches | |
Monster geschaffen haben. Aber sollte das so sein, dann muss eben | |
nachgebessert werden“ – wie wäre wohl die Reaktion darauf ausgefallen? | |
Abscheu, Empörung und Spott? Oder Respekt dafür, dass ein Politiker | |
einräumt, nicht die Antwort auf jede Frage zu kennen? Was ja ohnehin alle | |
wissen. | |
Zugegeben: Im Zusammenhang mit einer Pandemie gehen Verantwortliche ein | |
geringeres Risiko ein als bei anderen Themen, wenn sie schlicht ehrlich | |
sind und auf parteipolitische Profilierung verzichten. Denn diese Krise | |
eignet sich schlecht für Wahlkämpfe – allenfalls im Rückblick, wenn | |
bilanziert wird. Nicht aber, so lange sie andauert. | |
Der Umgang mit dem Coronavirus ist also – zumindest derzeit noch – keine | |
Gelegenheit für demokratischen Meinungsstreit. Und dennoch ist er eine | |
Werbeveranstaltung für die Demokratie. Über die Situation in abgeriegelten | |
chinesischen Millionenstädten weiß die internationale Öffentlichkeit fast | |
nichts. Über die Lage in abgeriegelten europäischen Ortschaften fast alles. | |
Das erzeugt keine Panik, im Gegenteil. Es beruhigt. | |
„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“, sagte die Lyrikerin Ingeborg | |
Bachmann. Recht hatte sie. | |
29 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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