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# taz.de -- Thriller „El prófugo“ auf der Berlinale: Störgeräusche aus d…
> Natalia Metas „El prófugo“ ist ein argentinischer Psychothriller. Für d…
> Hauptfigur verschwimmen Traum, Wirklichkeit und Wahn.
Bild: Inés (Érica Rivas) im Studio mit vollem Einsatz bei der Arbeit
Dies wäre der erste „dunkle“ Film des Wettbewerbs. [1][Carlo Chatrian, der
neue künstlerische Leiter der Berlinale, hatte die Auswahl an
Bären-Konkurrenten in diesem Jahr als dunkel bezeichnet]. Der Film „El
prófugo“ der argentinischen Regisseurin und Produzentin Natalia Meta ist so
ein Film. Genauer gesagt, er ist verschattet.
Verschattet sind die Räume, in denen der Großteil der Handlung spielt –
nächtliche Schlafzimmer, Tonstudios, Konzertsäle –, und dazu passend
zeichnen sich auf den Gesichtern der Figuren tief furchende Schatten ab.
Verschattet ist auch das Leben von Inés (Érica Rivas). Die Sängerin eines
Chors in Buenos Aires hat eine heftige Trennung hinter sich. Ihr
aufdringlicher Freund Leopoldo ist im gemeinsamen Urlaub, so erzählen es
die ersten Szenen, im Hotelpool ertrunken.
Wie er dort hineingekommen ist, erfährt das Publikum nicht. Man sieht, wie
Inés sich bei einem Streit mit Leopoldo im Bad des Hotelzimmers
einschließt, dann hört man bloß noch ein Rumpeln, Poltern und Rumoren. Als
Inés später aus dem Bad kommt, um nachzusehen, was geschehen ist, fällt ihr
Blick vom Balkon aus auf den leblos im Wasser treibenden Körper Leopoldos.
Natalia Meta erzählt in „El prófugo“ fast mehr durch Klänge als durch
Bilder. Klänge bestimmen auch das Leben von Inés. Die Sängerin arbeitet
tagsüber als Synchronsprecherin in einem Tonstudio. Dort darf sie
japanischen B-Movies ihre Stimme leihen: SM-Pornos, Horrorfilme, nichts zum
Entspannen.
Angespannt ist Inés aber ohnehin seit Leopoldos Tod. Sie schläft schlecht,
hat Albträume. Immer wieder sieht man sie nachts im Bett, während etwas
sich unter der Decke ihre Beine hochschlängelt. Auch in einem der
japanischen Streifen, die Inés synchronisiert, hatte sich ein
schlangenartiges Wesen am Bein einer Protagonistin aufwärtsbewegt.
## Ein aufdringlicher Orgelstimmer
Mehr und mehr lässt Meta dann die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit
für Inés verrutschen. Auf einer Party tanzt plötzlich vor ihr Leopoldo. Der
Orgelstimmer Alberto, den sie oft bei den Chorproben sieht, beginnt in ihr
Leben zu einzudringen. Ihre Mutter kommt unangekündigt, nistet sich in
Inés’ Wohnung ein, verbrüdert sich mit Alberto. Sie alle nehmen Inés mit
einer Penetranz in Beschlag, die etwas Surreales hat. Schon Leopoldo hatte
sich Inés höchst auf- und eindringlich gezeigt, sie unablässig zu ihren
Träumen gelöchert, ein Plagegeist sondergleichen.
Da Inés auch Psychopharmaka nimmt, verschiebt sich für sie zusätzlich die
Grenze zwischen Vernunft und Wahn. Irgendwann weiß man beim Zusehen nicht
mehr: Ist dies nun Traum, Wachbewusstein oder Wahn – oder eine Kombination
aus diesen Zuständen?
Die psychedelische Kombination von Tonstudioarbeit und Wahnsinn hatte in
ähnlicher Form schon der Film „Berberian Sound Studio“ (2012) von Peter
Strickland zelebriert. Bei Natalia Meta kommt der Körper als
Irritationsmoment hinzu, denn Inés scheint durch ihre Angespanntheit bei
den Aufnahmen Störgeräusche zu produzieren. Die Quelle für dieses Brummen
wird nie aufgelöst. Überhaupt bleibt man am Ende im Ungefähren zurück, mit
viel Atmosphäre, und ein wenig ratlos.
22 Feb 2020
## LINKS
[1] /Die-Berlinale-DirektorInnen-im-Interview/!5662707
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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