# taz.de -- Zehn Jahre Eurokrise: Warum nicht Geld drucken? | |
> Die Eurokrise wird zehn Jahre alt. Ein verzichtbares Jubiläum – man hätte | |
> sie schon 2010 mit einem beherzten Schritt beenden können. | |
Bild: Hätte die EZB vor zehn Jahren einfach Geld gedruckt, hätte man von eine… | |
Ein trauriges „Jubiläum“: Die Eurokrise wird zehn Jahre alt. Im Frühjahr | |
2010 wurde ein Rettungsschirm für Griechenland aufgespannt; Portugal und | |
Irland folgten wenig später. Diese zehn Krisenjahre haben Europa für immer | |
verändert – vor allem durch die Managementfehler. | |
Zu diesen Fehlern gehörte schon die Grundannahme, die Pleiteländer seien | |
allein schuld und müssten bestraft werden. Kein Wort wurde darüber | |
verloren, dass auch [1][die Europäische Zentralbank (EZB)] vorher nicht | |
erkannt hatte, dass sich gefährliche Kreditblasen aufpumpten. Die Aufsicht | |
hatte komplett versagt. Es stimmt zwar, dass die Griechen ihre Statistiken | |
kräftig manipuliert hatten, damit die Kreditberge nicht auffielen. Aber | |
Portugiesen und Iren buchten richtig, und auch dort schritt die EZB nicht | |
rechtzeitig ein. | |
Die Kreditblase in den Pleiteländern wurde lange nicht erkannt, weil sie | |
für Wachstum sorgte. Die Bauindustrie boomte, die Arbeitslosigkeit ging | |
zurück, und die Löhne stiegen, was wiederum den Konsum ankurbelte. In den | |
Randstaaten schien sich ein Wirtschaftswunder zu ereignen, und sie stiegen | |
zu europaweiten Vorbildern auf. So wurde Irland gern als „keltischer Tiger“ | |
bezeichnet, und über Spanien schrieb die Deutsche Bank, dass es bis zum | |
Jahr 2020 Deutschland überholen und eine höhere Wirtschaftsleistung pro | |
Kopf aufweisen würde. Ein peinliches Fehlurteil. | |
Da sich alle im Tiefschlaf befanden, ist es höchst ungerecht, dass allein | |
die Pleiteländer abgestraft wurden: Ihnen wurden radikale Sparprogramme | |
auferlegt – in der Hoffnung, dass sie dann die Schulden zurückzahlen | |
würden, die sie bei den Banken der reichen Euroländer aufgehäuft hatten. | |
Vor allem deutsche und französische Kreditinstitute hatten Milliarden in | |
die europäische Peripherie verliehen. | |
## Die Währungsunion wird von innen gesprengt | |
Doch die harschen Sparprogramme würgten die Wirtschaft ab, sodass die | |
Schulden sogar noch stiegen. Kanzlerin Merkel und der französische | |
Staatspräsident Sarkozy verfielen daher bald auf eine neue Idee: Sie | |
schlugen einen „Schuldenschnitt“ für Griechenland vor. Besitzer | |
griechischer Staatsanleihen mussten im Jahr 2012 rund 107 Milliarden Euro | |
abschreiben, was einem Wertverlust von etwa 65 Prozent entsprach. Es wurde | |
nach dem beliebten Motto verfahren, dass Strafe sein muss. Banken und | |
Versicherungen, die so dumm gewesen waren, Griechenland allzu viel Geld zu | |
leihen, sollten nun dafür büßen. | |
Menschlich ist zu verstehen, dass Rache an den Banken ein populäres | |
Bedürfnis ist. Es ist ärgerlich, wenn Kreditinstitute und ihr unfähiges | |
Management vom Staat gerettet werden müssen. Dennoch war der | |
Schuldenschnitt für Griechenland falsch, denn er hat das Vertrauen in den | |
Euro für immer zerstört. Seit dem griechischen Schuldenschnitt gilt als | |
denkbar, dass weitere Eurostaaten oder Banken Konkurs anmelden. Geld | |
basiert aber auf Vertrauen, sonst verliert es seinen Wert. Daher gibt es | |
jetzt nicht mehr einen Euro, sondern 19 verschiedene Euros: Ein | |
griechischer Euro ist nicht mehr so viel wert wie ein deutscher. Die | |
Währungsunion wird von innen gesprengt, noch während sie existiert. | |
Dieses seltsame Phänomen spielt sich nicht im Geheimen ab, sondern bewegt | |
fast jeden Europäer, der über sein Vermögen nachdenkt. Ob Griechen, Spanier | |
oder Italiener – sie alle glauben, dass Geld in der Bundesrepublik | |
besonders sicher sei. Also transferieren sie ihr Finanzvermögen zumindest | |
teilweise nach Deutschland. Aus einem griechischen, italienischen oder | |
spanischen Euro wird also ein deutscher Euro gemacht. Umgekehrt ziehen | |
deutsche Investoren und Banken ihr Geld aus dem Ausland ab, weil ihnen | |
Deutschland ebenfalls am sichersten erscheint. Diese gemeinsame | |
Kapitalflucht erreichte gigantische Ausmaße: Zeitweise wurden in | |
Deutschland rund 750 Milliarden Euro geparkt. | |
Diese Wanderschaft der Finanzvermögen hat leider Folgen: Unternehmen werden | |
jetzt danach bewertet, als wie riskant ihr Heimatland gilt. Eine | |
italienische Firma muss für einen Kredit mehr Zinsen zahlen als ein | |
deutscher Betrieb, selbst wenn beide Unternehmen gleich erfolgreich sind. | |
Die Wettbewerbsbedingungen in der Eurozone werden verzerrt – zugunsten von | |
Deutschland. Die Währungsunion kann jedoch nicht überleben, wenn sie nicht | |
allen Ländern die gleichen Chancen bietet. | |
## Irland, die dringend benötigte Erfolgsstory | |
Aber was wäre die Alternative gewesen? Es ist ja unbestritten, dass | |
Griechenland entschuldet werden musste. Wie man es richtig macht, führte | |
Irland vor, das ebenfalls bankrott war, nachdem es seine maroden Banken | |
hatte retten müssen. Aber Irland hat einen Teil seiner Schulden einfach vom | |
Staat zur irischen Notenbank verschoben – mit dem Einverständnis der EZB. | |
Die meisten Europäer haben von dieser Aktion noch nie gehört, weil sie so | |
geräuschlos vonstatten ging. | |
Es ist eine überaus elegante Lösung, Schuldenkrisen zu bekämpfen, indem die | |
Zentralbank einspringt. Doch die deutsche Regierung und die Bundesbank | |
blockierten diesen Weg fast immer, da sie fürchteten, dass hemmungslos Geld | |
„gedruckt“ würde. Nur bei Irland stimmten sie schließlich zu, weil dringe… | |
eine Erfolgsstory benötigt wurde, damit nicht auffiel, wie falsch die | |
brutale Sparpolitik in Griechenland und Portugal war. | |
Es ist weltweit einmalig, dass eine Zentralbank nicht tätig werden darf, | |
wenn ihr eigenes Währungsgebiet in Schwierigkeiten gerät. Die US-Notenbank | |
Fed, die Bank of England und die japanische Zentralbank kaufen immer | |
Staatsanleihen auf, sobald eine Krise droht. | |
Man stelle sich einmal vor, die EZB hätte vor zehn Jahren einfach 200 | |
Milliarden Euro „gedruckt“, um die Schulden von [2][Griechenland], Portugal | |
und Irland auf ein erträgliches Maß zu senken. Von einer „Eurokrise“ hät… | |
man nie gehört. Sie wäre sofort zu Ende gewesen. | |
23 Feb 2020 | |
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[1] /Kommentar-Lagarde-als-EZB-Chefin/!5605120 | |
[2] /Nach-den-Wahlen-in-Griechenland/!5605900 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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Horst Köhler | |
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