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# taz.de -- Finanzaffäre der CDU in Hessen: Ein Haus mit roten Lettern
> Seit Jahren nutzt die CDU in Marburg ein Haus, ohne Miete zu zahlen. Im
> Rechenschaftsbericht fehlt es. Hessens Finanzminister gerät in die
> Kritik.
Bild: Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU)
Wiesbaden taz | „Mogelkassen kosten den Staat, kosten uns alle Milliarden“
– Hessens Finanzminister Thomas Schäfer, CDU, gibt sich im Kampf gegen die
Steuerhinterziehung entschlossen und verteidigt die neue Bonpflicht mit
markigen Worten. Im CDU-Kreisverband Marburg-Biedenkopf, dessen
Vorsitzender der Minister seit 2013 ist, galten über Jahrzehnte indes
offenbar andere Maßstäbe.
Wie das Nachrichtenmagazin [1][Der Spiegel berichtet], nutzte Schäfers
Verband eine „trickreiche Konstruktion“, um eine parteieigene Immobilie
über Jahrzehnte in den Rechenschaftsberichten der CDU zu verschweigen.
Durch Selbstanzeige sollte die Unregelmäßigkeiten jetzt offenbar
stillschweigend getilgt werden. Doch die Operation flog auf. Der Minister,
der als aussichtsreichster Kandidat [2][für die Nachfolge von
Ministerpräsident Volker Bouffier] gilt, muss sich jetzt kritischen Fragen
stellen.
Gegenstand dieser Fragen ist ein stattliches Haus in der Marburger
Südstadt, vier Stockwerke hoch, vom Balkon weht die Deutschlandfahne, auf
der Brüstung prangt in roten Lettern „CDU“. Formal gehört das Haus einem
„Verein zur Förderung staatspolitischer Bildung“, faktisch gehört es der
CDU.
Seit 1996 zahlt die Kreispartei nicht einmal mehr Miete, die laufenden
Betriebskosten wurden als Sachausgaben verbucht. Wirtschaftsprüfer hätten
diese Praxis im vergangenen Jahr moniert, deshalb habe man der bei der
Bundestagsverwaltung eine „rückwirkende Korrektur“ beantragt, ließ Schäf…
dazu wissen. Auf mehr als 700.000 Euro ist der Wert des Hauses taxiert.
„Rückwirkend“ taucht es jetzt als Vermögen im Rechenschaftsbericht der
Partei auf. Die Bundestagsverwaltung habe ihm „mit Schreiben vom 2. Juli
2019 mitgeteilt, „dass das Verfahren damit abgeschlossen und mit Sanktionen
nicht zu rechnen sei“, schreibt Schäfer in einer Stellungsnahme.
## Nicht umfassend aufgeklärt
Die Parteirechtlerin Sophie Schönberger erklärte im Spiegel hingegen, die
Bundestagsverwaltung könne sehr wohl Strafzahlungen verhängen, für zehn
Jahre rückwirkend, weil die Partei nicht „umfassend“ aufgeklärt habe.
Dazu passt: Im aktuellen Rechenschaftsbericht firmiert das fragliche Haus
unter einer falschen Adresse, in Braunschweig statt in Marburg. Das gehe
auf einen Übermittlungsfehler zurück, für den die Bundespartei
verantwortlich sei, verlautet es aus der Marburger CDU.
Der Verein sei „Eigentümer“, die Partei „Besitzerin“ gewesen, rechtfer…
sich Schäfer gegenüber dem Spiegel. Aber dann hätte der Mietverzicht
wenigstens als geldwerter Vorteil oder als Spende in den Büchern auftauchen
müssen. Mehrere CDU-Abgeordnete, darunter auch Schäfer selbst, unterhalten
Abgeordnetenbüros in dem Haus. Haben sie Miete gezahlt, und wenn ja: an
wen?
Schäfer gehört persönlich dem Vereinsvorstand an, der angeblich die
„staatspolitische Bildung“ fördert, faktisch aber lediglich der CDU eine
Immobilie überlässt. War das korrekt? Wie konnte Schäfer als Vorsitzender,
der eine Ausbildung zum Bankkaufmann und ein Jurastudium absolviert hat,
über Jahre hinweg eine Immobilie nutzen, die in der Buchhaltung weder als
Eigentum noch als Mietsache auftauchte? Diese und weitere Fragen hat die
taz dem Finanzminister am Samstag zukommen lassen. Bis Redaktionsschluss
gab es keine Antwort.
## Lange Tradition von Tricksereien
In Wiesbaden erinnerte die Landtagsopposition derweil daran, dass vor 20
Jahren der damalige CDU-Landeschef und Ministerpräsident Roland Koch
beinahe gestrauchelt wäre, weil Millionenbeträge, als „jüdische
Vermächtnisse“ getarnt, in schwarze Kassen seiner Partei geflossen waren.
Schäfer war einst Kochs Büroleiter.
„Tarnen, tricksen, täuschen und das Vermögen verschleiern – das alles hat
Thomas Schäfer als Büroleiter und enger Vertrauter von Roland Koch
gelernt“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Günter Rudolph. „Wer einen
Verein mit irreführendem Namen gründet, um Immobilienbesitz zu
verschleiern, muss sich fragen lassen, was er sonst noch zu verstecken
hat“, so Rudolph.
9 Feb 2020
## LINKS
[1] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/cdu-in-hessen-neue-finanzaffaere…
[2] /Personalwechsel-in-Hessen-angedeutet/!5623080
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
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