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# taz.de -- Hessens Finanzminister Schäfer: Abschied eines Hoffnungsträgers
> CDU-Politiker Thomas Schäfer wurde über Parteigrenzen hinweg geschätzt.
> Nun ist er tot. Staatsanwaltschaft und Polizei gehen von Suizid aus.
Bild: Thomas Schäfer galt als aussichtreicher Kandidat für die Nachfolge von …
Frankfurt am Main taz | Die Online-Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch
sollte seine letzte sein. Doch niemand ahnte etwas. An der Seite seines
grünen Kabinettskollegen Tarek Al-Wazir erläuterte Hessens
christdemokratischer Finanzminister Thomas Schäfer das Milliardenprogramm,
das der Landtag zur Bewältigung der Corona-Krise am Vortag einstimmig
freigegeben hatte. Von „ungeahnten Herausforderungen“ sprach Schäfer.
Wie immer formulierte der erfahrene Politiker frei, ohne Aufzeichnungen und
druckreif. Die Programme von Bund und Ländern nannte er ein
„Gesamtkunstwerk“. Der Sorge, dass sich Unternehmen mit zwielichtigen
Anträgen bereichern könnten, trat der 54-Jährige entschlossen entgegen:
„Wenn sich aus den Statistiken ergibt, dass jemand mit dem Vertrieb von
Klopapier sogar einen kräftigen Gewinn gemacht hat, und trotzdem einen
Antrag gestellt hat, dann werden wir den erwischen.“
Drei Tage später, am Samstag Vormittag, wurde an der ICE Strecke im
Rheingau bei Hochheim die Leiche eines Mannes aufgefunden. Aufgrund der
Verletzungen benötigten die Polizei Wiesbaden und die Staatsanwaltschaft
Westhessen einige Zeit, um die Identität des Mannes festzustellen. Dann
stand fest: Der Tote war der einstige Hoffnungsträger der hessischen CDU.
„Aufgrund der Gesamtumstände, der umfangreichen Tatortarbeit, der Befragung
zahlreicher Zeugen, der Auffindesituation vor Ort sowie technischer und
kriminalwissenschaftlicher Auswertungen und Untersuchungen, ist von einem
Freitod von Herrn Dr. Schäfer auszugehen“, teilten Polizei und
Staatsanwaltschaft am Samstagabend [1][in einer gemeinsamen Erklärung] mit.
## Die Hoffnung des Finanzministeriums
Dass der Bankkaufmann und promovierte Jurist zuletzt in großer Sorge war,
hatte er auch bei der Online-PK zu Protokoll gegeben. Einen „dringenden
Appell“ an die Verantwortlichen der Europäischen Union hatte er formuliert,
weil die Beihilferegelungen der EU kontraproduktiv seien. Wenn sich da
nichts ändere, „dann wird das nix“, sagte er.
In den 40 Minuten dieser ungewöhnlichen Schaltkonferenz zeigte Schäfer
indes keine Anzeichen von Überlastung, Auffällig war allenfalls, dass er
immer wieder seine Hände knetete. Die innere Anspannung war sichtbar. Doch
er wirkte zuversichtlich.
Seit Jahren galt Schäfer [2][als designierter Nachfolger von
Ministerpräsident Volker Bouffier], sollte der 68-Jährige noch vor dem Ende
der Legislaturperiode sein Amt aufgeben. Begonnen hatte Schäfers
landespolitische Karriere als Büroleiter des früheren Ministerpräsidenten
Roland Koch. Anschließend war er Staatssekretär im Justizministerium und
seit 10 Jahren Ressortchef im wichtigen Finanzministerium.
## „Aussichtslosigkeit“ für die Gesellschaft
An seinem Suizid gibt es keinen Zweifel. Schäfer hat offenbar einen
Abschiedsbrief hinterlassen. „Aussichtslosigkeit“ für unsere Gesellschaft
und für sich persönlich selbst soll er da zu Protokoll gegeben haben, heißt
es. Thomas Schäfer hinterlässt seine Frau und zwei Kinder, eine Tochter und
einen Sohn.
Für Sonntag, 12 Uhr, hat Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier eine
Erklärung angekündigt. „Wir sind alle geschockt und können es kaum glauben,
sagte er in einer ersten Stellungnahme. „Wir alle müssen seinen Tod jetzt
verarbeiten und trauern mit seiner Familie.“
Auch SPD-Oppostionsführerin Nancy Faeser versicherte Schäfers Angehörigen
ihr „tiefempfundenes Mitgefühl“. Die Linksfraktionsvorsitzende Janine
Wissler teilte mit, sie sei „bestürzt und fassungslos“. Der grüne
Bundestagsabgeordnete Omid Nouripur zeigte sich „schlicht erschüttert.“
Er sei „unsagbar traurig“, schrieb der SPD-Vorsitzende und frühere
nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans. In ihren
sieben gemeinsamen Jahren in der Finanzministerkonferenz seien sie „mehr
als enge Kollegen“ gewesen. Bis zuletzt hätten sie in Kontakt gestanden.
„Bei aller Härte in der Sache kann man sich Parteienstreit kaum
freundschaftlicher, fachsimpelnder und dazu auch noch humorvoller
vorstellen als unser Miteinander“, so Walter-Borjans.
Hinweis: Wir berichten nur in Ausnahmefällen über Suizide, um keinen Anreiz
für Nachahmung zu geben. Eine Berichterstattung findet nur dann statt, wenn
die Umstände eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Wenn Sie
selbst depressiv sind, wenn sie Suizid-Gedanken plagen, dann kontaktieren
Sie bitte die Telefonseelsorge im Internet oder über die kostenlose
Hotlines 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 oder 116 123. Die Deutsche
Depressionshilfe ist in der Woche tagsüber unter 0800 / 33 44 533 zu
erreichen.
29 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/43562/4558894
[2] /Personalwechsel-in-Hessen-angedeutet/!5623080
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
Finanzpolitik
Landesregierung
Hessen
Volker Bouffier
Fluggesellschaften
Volker Bouffier
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