# taz.de -- Personalwechsel in Hessen angedeutet: Verfrühte Zepterabgabe | |
> Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier verabschiedet sich vielleicht | |
> vorzeitig – um seinen Nachfolger zu stärken. Die Opposition ist empört. | |
Bild: Im Winken bestens geübt: Hessens Ministerpräsident Bouffier beim Drilli… | |
WIESBADEN taz | Mit einem Halbsatz im Sommerinterview des HR-Fernsehens hat | |
Hessens Ministerpräsident [1][Volker Bouffier], CDU, am Wochenende | |
überraschend eine Personaldiskussion ausgelöst, die eine eigene Dynamik | |
entwickelt. Der 67-Jährige wurde gefragt, ob er sich vorstellen könne, sein | |
Amt noch während der laufenden Legislaturperiode an einen jüngeren | |
abzugeben, um dessen Wahlchancen zu erhöhen? Bouffier antwortete: „Dafür | |
spricht viel.“ | |
Maßgebliche LandespolitikerInnen werten diesen Halbsatz als Signal für | |
einen baldigen Amtsverzicht des dienstältesten CDU-Ministerpräsidenten. | |
„Wer in seiner Position sagt, er könne sich vorstellen zu gehen, wird bald | |
gehen,“ kommentierte die FAZ. Ein führender Politiker des grünen | |
Koalitionspartners sagte am Montag der taz: „An uns wird ein solcher | |
Wechsel nicht scheitern. Wir haben keine Zusammenarbeit mit einer Person, | |
sondern einen Koalitionsvertrag mit Inhalten vereinbart, die wir abarbeiten | |
wollen. Wer dazu bereit ist, den werden wir wählen.“ | |
Die Staatskanzlei war am Montag erkennbar bemüht, Bouffiers Aussage zu | |
relativieren. Schließlich hatte der Ministerpräsident zur Option eines | |
Amtswechsels auch gesagt: „Das werden wir dann beraten, wenn es soweit | |
ist.“ Bouffiers Regierungssprecher, Michael Bußer, fügte hinzu: „Es ist | |
nicht soweit.“ Doch die Nachfolgedebatte war eröffnet. | |
Sie war am Montagabend das Thema beim parlamentarischen Abend zum Auftakt | |
der ersten Plenardebatte nach der Sommerpause. Der Favorit für Bouffiers | |
Nachfolge, Finanzminister Thomas Schäfer, ließ dabei keine Ambitionen auf | |
einen schnellen Wechsel erkennen. Er erlebe einen tatkräftigen | |
Ministerpräsidenten, gab Schäfer zu Protokoll. | |
## Volle Amtszeit versprochen | |
PolitikerInnen der Landtagsopposition reagierten überrascht und verärgert | |
auf die Ansage Bouffiers. „Hätte der Ministerpräsident gesundheitliche | |
Probleme als Grund für einen Verzicht genannt, hätten wir das respektieren | |
müssen; dass er aber taktische Argumente für einen Amtswechsel anführt, ist | |
nicht Ordnung“, sagte ein führender Sozialdemokrat der taz; schließlich | |
habe Bouffier im Wahlkampf stets versprochen, für die volle | |
Legislaturperiode im Amt zu bleiben. Nur eine Einschränkungen hatte er | |
gemacht: „Wenn der liebe Gott und meine Frau mich lassen.“ | |
Bouffier wäre bei der nächsten Landtagswahl, die 2023 ansteht, 72 Jahre | |
alt. Dass er erneut antritt, galt schon lange als unwahrscheinlich. Doch | |
bislang hatte Bouffier einen vorzeitigen Amtsverzicht stets ausgeschlossen. | |
Trotz einer Krebserkrankung, die er im Frühjahr öffentlich machte und die | |
inzwischen als überwunden gilt, ließ er keine Anzeichen von Amtsmüdigkeit | |
erkennen. | |
Als chancenreichster Kandidat für Bouffiers Nachfolge gilt der gelernte | |
Bankkaufmann und Jurist Thomas Schäfer. Doch auch Landtagsfraktionschef | |
Michael Boddenberg und Innenminister Peter Beuth werden Ambitionen | |
nachgesagt. Die schwarz-grüne Regierungskoalition verfügt im Landtag nur | |
über eine Ein-Stimmen-Mehrheit. In Hessen wird der Ministerpräsident in | |
geheimer Wahl gewählt und benötigt die absolute Mehrheit. Ein einziger | |
Abweichler könnte den Amtswechsel also verhindern. | |
Es wäre nicht das erste mal, dass hessische CDU-Abgeordnete nicht | |
mitziehen: Bei der letzten Wiederwahl von Bouffiers Vorgänger Roland Koch | |
im Jahr 2009 hatten vier Abgeordnete aus dem Regierungslager ihm | |
Gefolgschaft verweigert. Für die Mehrheit hatte es trotzdem knapp gereicht. | |
Einen solchen Spielraum gäbe es diesmal nicht. In der FDP hoffen deswegen | |
manche, dass bald ihre Stunde schlägt. Die Liberalen hatten nach der | |
letzten Wahl Koalitionsverhandlungen mit CDU und Grünen verweigert, weil | |
sie nicht gebraucht würden. Wackele die Mehrheit, dann sei er | |
gesprächsbereit, sagte ein führender FDP-Politiker der taz: „Dann würden | |
wir ja wieder gebraucht.“ | |
3 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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