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# taz.de -- Arme Eltern, benachteiligte Kinder: Papa rockt ein Wochenende
> Jeder Dritte, der in einem Alleinerziehenden-Haushalt lebt, ist
> armutsgefährdet. Darüber wird deutlich weniger geredet als über fleißige
> Väter.
Bild: „Papa, ich habe gekackt!“
Bei der heutigen Kolumne mache ich es wie früher bei Klausuren: Ich
schreibe erst einmal meinen Namen und das Datum hin. Jürn Kruse, 18. 02.
2020. Schon mal ein Anfang. Und bis hierhin ist auch alles korrekt. Kann
keiner meckern. Die Richtung stimmt.
Und dann … tja. Es ist Sonntagabend. Mein Kopf ist leer. Ich bin platt. Und
das nur, weil ich ein Wochenende allein war mit den Kindern. Ja, Sie können
Ihre hämischen „Oh, jetzt ist der Mann mal ein Wochenende allein mit den
Kindern und schon ist er am Ende, da merkt er mal, wie das ist, vielen
Müttern, ob alleinerziehend oder nicht, geht das ständig so“-Kommentare
schon mal in Gedanken vorschreiben, während Sie zu Ende lesen.
Ich will nach einem Wochenende mit den Kindern auch keinen Orden und
erwarte nicht, dass, wenn meine Frau wieder zurückkommt, sie die Hausarbeit
übernimmt. Und nein, es ist auch nicht das erste oder letzte Mal, dass ich
allein mit den Kindern bin.
Das Wochenende soll nur als Anlass dienen. Denn ein paar Tage als
Pseudoalleinerziehender haben mir wieder einmal deutlich gemacht, wie
aufreibend das ist. Und wenn ich mir jetzt vorstelle, diesen Ballast nicht
teilen zu können, sondern immer alle Erledigungen, alle Arztbesuche, alle
Einkäufe, alles, alles, alles, selbst übernehmen zu müssen...
## Liste der Ungleichheiten
Und als zusätzliche Belastung lassen wir als Gesellschaft diejenigen, die
eh viel zu häufig allein entscheiden und erziehen müssen, auch noch allein:
[1][Laut Statistischem Bundesamt] ist das Pro-Kopf-Einkommen mit 967 Euro
in alleinerziehenden-Haushalten um 20 Prozent niedriger als in Haushalten
von zwei Erwachsenen mit Kind(-ern) (1.175 Euro). Und sogar um 33 Prozent
unter dem Pro-Kopf-Einkommen der Gesamtbevölkerung (1.444 Euro). Jeder
dritte Mensch, der in einem Alleinerziehenden-Haushalt lebt, ist
armutsgefährdet, hat also weniger als 60 Prozent des Nettoeinkommens zur
Verfügung (beim Rest der Bevölkerung sind es 16 Prozent). Die ganze Liste
der Ungleichheiten ist länger als meine nicht abgearbeitete To-do-Liste von
2019.
Und weil die Eltern zu wenig bekommen, haben die Kinder weniger Chancen.
Doch genau dafür ist ein Sozialstaat gedacht: Diese Ungleichheiten
möglichst einzuebnen, Chancen nicht davon abhängig zu machen, wie viel Geld
die Vorgängergeneration hat. Doch stattdessen wird das Kindergeld auf den
Unterhaltsvorschuss und das Arbeitslosengeld II angerechnet.
Und ich denke mir, was für ein Schweineglück ich habe, [2][dass mein
Alleinerziehendendasein an diesem Sonntagabend schon wieder vorbei ist.]
Und wie erstaunlich es ist, dass ein kurzes Wochenende dafür sorgt, dass
meine Frau auch nicht enthusiastischer begrüßt wird als ich, wenn ich von
der Arbeit nach Hause komme: ein kurzes „Hallo“, ein angedeutetes Winken
auf dem Weg vom Kinderzimmer zum Klo und 30 Sekunden später ein „Mama, ich
hab gekackt!“.
19 Feb 2020
## LINKS
[1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressekonferenzen/2018/Alleinerziehende/p…
[2] /Vaeter-und-Kindererziehung/!5119820
## AUTOREN
Jürn Kruse
## TAGS
Nach Geburt
Kinder
Alleinerziehende
Schwerpunkt Armut
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Gegenwartsliteratur
Arbeiterklasse
Mütter
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